Sldtenlicder
Don Reinhard Koefter
	Der funge Chevalier Guy de Chantmort
befagk eine (lite, die er itber alles liebte. Sie
war aus einem Gtiick Cbenholg gefertigt, mit
vielen Klappen aus mattem Silber. Wn das
dumkle Holz fchmiegte fic) das elfenbeinerne
Mundftiick an, vergilbt in der langen langen
Seit, fo dag bie feinen Ringe des Beines
fehavfer hervortraten. Gn die Rundung des
Slitenkopfes mar bas Familierwappen der
Chantmorts eingelchnist: ein fcywebender Vogel,
derim §luge vom todlichen Pfeile durch bohrt wird.

Niemand wufte, welcher der Vorfahren dies
alte Otiick ermworben hatte, auch bie Chronik
gab keine UWntwort auf diefe Frage. Зе
Srangvis, der alte Hofverwalter, kannte eine
diiftere und traurige Gefchichte, von der er
wupte, dafs fie fo gefchehen und unverbriichlic)
wabr fei, denn feine leibliche Muhme hatte fie
пт ergithlt.

Wn dunklen Winterabenden, wenn draugen
der Sturm heulte und bie Magde und RKnechte
in ber warmen Rammer fagen — das Herd-
feuer wart gefpenftifch guckende Strahlen in das
Diifter der erldfchenden Kienfackel — an jolchen
Ubenden ergahlte er mancymal, wenn die un-
Берт епт Geijtergefchichten verraujcht waren
und die jungen Magbe angfilich gufammen-
gekauert mit grofen Wugen auf der Bank
jaben, ein kurges trauriges. Stiick von einem
	jungen ©pielmann, бег ей ац]5 ООВ ge
kommen jet und im Gaale gejpielt habe. Gi
frifches junges Blut fei es gewefen — wa
Wunder, bak die jugenbdliche Schinheit de
Herrin es ihm angetan habe. Und er habe al
bie Leidenfchaft fetner jah ermachten Liebe un
	atedes germoven, und }O ив уаое 0е бе де
klungen, bak — hier bampfte er die Stimme
gu einem gebeimnisvollen Gliftern — die Herrin
noch in devfelbigen Nacht fich in feblichtem Фе
wanbde in bie drmlich niedrige Rammer des
Spielmanns gefchltchen habe. Betde aber hatten
bie wenigen Stunden des Gliicks mit einem
blutigen Tobe bezahlen miiffen. Go fei die
Flite ins Gchlok gekommen und fpdter Бабе
wohl ein Stachkomme des Hert, unkundig des
Blutes, bas an ihr klebte, fein Wappen in das
филе Holz feyniben faffen.

Dann fehwieg der alte Frangois, nahm wo§l
eine Brife und fagte dann aujffeufzend: Sa, to
	Ее, mite mat jte

fie ijt fo fchin,

uber wollen, es
	jptelen, denn tyre Фу е 1адейи юг 10 уапо:
lich und leicht, rte man fie heutgutage fertigt.
Wer fie aber begwang, dem jang fie fo fiiRen
Fon, dah alles verjtummte und ftillen uges
laufchen mochte. Man mupte fie fpielen in hohen,
altertiimlicjen und fichtgedampfien Raumen, in
denen der Duft ber Bergangenheit jchrwebte.
Dann klang es fo bell aus ifr wie Madchen:
lachen und fo ttef wie das ftille Weinen trauriger
Frauen. Und es war fo, dak jeder mit thr
lacherr mufte oder weimen. Meiftens freiltch
mochte es BWeinen fein, aber nicht et wildes
Schfuchgen, fondern eit gang ftilles und letjes
Weinen, wie es uns in Spatfommernachten
iiberkommt, wenn wir. das Welken des Laubes
fiihlen und ein kiihler Wind webht, der uns vom
Herbjte fingt. Es ift ein Weinen, das fchiner
iit wie Lachen, weil die Sehnfucht in thnt atttert,
aber es Hiillt uns in groBe Traurigkeit, die uns
fiumm macht und der Menjdjen bunten Schwarm
fliegen (aft.

Go fith fang bie Flite des jungen Chevalters
Guy de Chantmort. —
	Rudolf Schramm-Zittau (Munchen)
	Im sonnigen Garten