Ст fie} der erfien Publikation 10914 ет
qrofes, praktifdes Safelwerk folgen: ,,Iteuland
pon Gimabue bis Céganne.” Darin war in die
Bilder alles rotunirainbert eingegeichnet, was die
gribten Geifter innerhalb ber legien achthunbdert
Gobre in einer bisher unbekannien Spracje an
Weisheit, Symbolik, Ironie, an wunbderbarer
Borahrung gefprocen fatten.

So fand Vhieme in Diirers ,, Melancholic” einen
Plan der Schlacdht von Wirth, Raphaels Lebens-
werk war nidjt eine Hymne auf die reine Sunge
frau, fondern eine geiftvolle Slluftrierung der
Reden Ciceros, Rembrandt hatte in feinen toten
Oebfen ein Lehrbuch des affyrifeyen GBauftiles ge-
fechvieben, und Watteau war bderart Asket ge-
wefen, dah es in feinen. Gilbern von Ptinehen,
Begetariern und abgehirmten Naturapofteln
wimmelte, wenn man bdiejfe Bilder nur richtig
angufehen verftand. Geuerbach hatte eine ЭП
Baedeker von Bosnien verfakt mit Staidtean-
еп ить Bolkstypen, und Liebermanns Gor-
liebe fiir bie Mttingen der fpdivimifdjen Ratfer-
geit war bdurcd) mehr als fechgig Abbilbungen
bewiefen.

Galentin hatte einen Spiegel, in dem man
alles verkehrt fab. Wit diefen Spiegel reifte er
bur) die Galerien, verfiumte auch nicht, die
Bilder hie und ba in Schwingung зи verfegen,
in natura herumgubdrehen und fic) Badurcy) das
Mibfallen der weitaus meifiten Galeriediener
GEuropas gugugiehen.

Kein Menfch intereffierte fic) fiir ме neue
Runfibetrachtung, aber Dr. Thieme hatte Gelb,
fo konnte er fic) eine Bubligierung feiner fchwiee
tigen Studien erlauben.

Gr war von der Ridjtighkeit [einer Wntithefe
fo tibergeugt, ba er an alle Muleumsbdirektoren
die Cingabe ridjtete, man folle minbdeftens bie
gribten Weifterwerke uin ihre eigene Wehfe dref-
bar machen. Gr untergeicynete als Ngl. Stern-
wartenaffiftent, wodurd) er bewirkte, bab er dies
am langften gewefen war. Denn man forfchte
nad) diefem fonderbaren Himmelsaffiftenten, und
inan fand dabei neben anderem bas Ungeheuer=
lide, bab fich um den Stern 34. Grades fehon
{eit Monaten niemand mehr bekiimmerte, dah
die Berednungen nicht ftimmten, dah ber Stern
nicjt mehr gu fehen, ja dab er ovielleicht iber-
Haupt niemals dagewefen war.

Mean warf den Dr. Chieme kurger Hand aus
ber Sternwarte, und feine Freunde gaben ibm
ben Rat, in einer Kaltwafferheilanftalt и.
von den mifgliickten Berechrumgen 34. Grades
und Стив von der Antithefe der Runfibetrach-
tung gu suchen. .

Thieme, ein gutwilliger und lenkbarer Vtenfch,
folgte feinen Freunden. Der Wafferdoktor ent-
fernte alles Schrift- und Gilberwerk aus feiner
Nahe, das etwa antithetifeh, fymbolifch, hiftorifch,
biographifch hatte umgebdeutet werden kinnen, und
unter bem Druck eiskalter Dufcjen, durch) die
Wrafte von Buttermileh, faueren Bpfeln und un-
gekocten- Rartoffeln kam Balentin fehr bald gu
ber Cinficht, dab dte gange Kunft mit ihrem Ol
geftank, ihren wackligen Goldrahmen, ibrent kleb:
tigen Sirnis und ihrer ftickigen Galevieluft nichts
fei als gréfte Unnatur, und dab darum die
Sprache biefer vergifteten WAnftretcher, modjten
fie fic) nun horigontal, vertikal ober iiber Eck
gedubert haben, aud) nicjt einen $Pfifferling
wert fei.

Galentin lebte, eine Rilbe in der Hand,
harmlos kinbdlich wie Aham, las nicht, {dried
nicht, forfehte nicht.

Das eingig Unangenehime in diefem Da-
fein war der kalte Wal} а Seden Morgen
bei Gonnenaufgang Ш ber Doktor das
Biertelhunbert {einer Patienten in langer Reihe
unter den Baumen feines Gartens auf, er
{chlid) hinter fle mit einem langen Gummi-  
  аиф ить аГ т feiner Wafferfprige bald
diefen, bald jenen, gang unerwartet, jablings
wie Bliicher, in die Ryiekeblen, in bas Kreug,
hinter bie Ohren, und wel bem, welcher guckte,
er wurde auf balbe Ration an angefaulten
Ypfetn gefekt und galt tiberbies als degene-
чет Schwddhling. Galentin hatte es fic) dba= .
	Galentins Koften in den groben Stadten, wahreno
biefer in ber аще herumief und ficy miihte, in
Frankreich taufend Pappeln, in Stalien Berge
von Olbiumen, in England jeden Mtiftelgweig gu
photographieren.

Nun {ak er gu Haufe und entwickelte, proji-
gierte Nacht und Tag, wiilgte die едва, aber
die Walder, die er Wat Haufe gebracht hatte,
blieben ftumm, fie fprachen nicht Папа, nicht
italienifch, nicht englifeh, es waren реафнае © хе”

plare von ЗЗёитеп, абег Пе хедеюи eine Spradje,

bie Galentin nicht perftand. Buf diefem Wege
konnte er nicjt in bie Gebeimniffe der Rati
bringer.

6 blieb ihm nichts iibrig, er mufie andere
Wunder entdecken, ты et fand fie bald genug.
Er fand nimlich, 4, da f eine Srau ihn iiber alle
Maken liebe. Swar duberte fie bas nicjt wie
anbere liebende Frauen. burch bligende YWugen
und gittlicje Worte, aber fie [ед ihre Glebe
dokumentarifch in igren Tirt dpaftebiichern nieder.

y Mein guter BGalentin, ic) liebe dich,  das
(tand auf jeder Seite, gear nicht fo klar und eine
fach, dann mdre es auc) kein Geheimnis der
Natur gervefen. ЭЖай mubte es unter einigen
Schwierigheiten und unter Wnwendung eines be-
[timmten SGuchftaben-Syftems, bem man eventuell
ein wenig Gewalt antat, aus Worten wie Kafe,
gerducherter Wal, Lampendodht, Biigelkohle kom-
binieren. alentin kombinierte es jeden Tag
und war gliicilid), fic) der Liebe feiner Frau fo
untriiglid) verfidjern gu kénnen.

ie er eines Tages wieder vor Rittys Pa-
pieren fag, fand er ein Cdfcyblatt. Sdyon als
Rind hatte er mit nervifer Freude Lintenabdriicke
он jebt tat ex es boppelt intereffiert und las:

Otto, ae Sreitag “/a5 Hirjteneck. 
Das traf ihn wie ein Schlag. Wer war Otto?

War Otto der Geliebte feiner Grau, dann war
nicht nur feine Ehe, feine Chre in Gefahr, dann
war auc) das Buehftaben-Rombinations-Syftem,
bas ihm Stittys Liebe taglich frifch verftcherte, ein
neuer IMiberfolg.

Wer war Sito? Wie fah Otto aus? Wie
Ronnie eine Frau wie Kitty einen Otto gum Gee
fiebten haben? Gin Menich, der Otto hieb, konnte
nur dick und rund,-ein Wann mit krummen
Beinen und etwas Bauch) fein. Er konnte [9
einen Otto nicht anders vorftellen, ein Otto konnte
niemals ein ideales Gebilde fein, und {фоп dam-
merte in ihm ein neues Problem. War es ва
lich, аз Bild eines Menfchen fchon aus feinem
Vornamen richtig gu geftalten. War ein Otto
notwenbigerweife rund, war 3. B. ein Frik une
bedingt feylank.

Freitag Nacmittag “J25 Ubr wiirden fic) alle
diefe Smeifel {dfen.

Balentin fchlief feblecht in ber Macht vom
Donnerstag gum Sreitag. 3wei Fragen madhten

и gittern: miivbe ev feine Frau untreu, wiirde
ot Otto fehlank oder rund finden?

Freitag 925 Ubr war er am Siirfteneck.

Seine Chancen ftanden miferabel, er fal) mire
gends einen Otto. Neben vielem PBublikum, das
gar nicht in Frage kam, fand er nur einige hod)
gewarhjene, elegante Herren. Das konnten une

moglid Ottos fein.

Balentin, der halb verborgen in einem
Winkel lauerte, gitterte, als er feine Frau
iiber den Play {chreiten fab. Er geigte fich fo
aufgeregt in fener Stragenecke, dah Kitty ihn
fogleic) bemerkte.

Sie war gekommen, um auf den langften
und feblankefter der anwefenden Herren gue
igehen, aber fie hatte kaltes Glut gemug.

Is fie ihren Mann erblickte, fprach fie, als

hatte fie niemals etwas anbderes gemollt, 3u

einem Dienftmann, der frag und bldde am

Pfable einer Caterne lente. Der Dienftmann

erbielt einen Quftrag, denn ег тиф ein

wenig an feiner Wtitke unb verfdjwand dare
nach in ber Siefe ber nachfien Strafe.

Balentin ftarrte igm nach mit grofen
Augen und offenem Wtunde, denn was ba
ое рать, diefer Diann mit dem Kugel
Ropf, mit biefem Bauch wie ein Ballon, ‘nit
einem linken Gein, dae fic) in ungeheuerem
	ит аидешорие,  ете Эмдеп in die Rronen
eines alten ЯФБаитез, 5ег vor ihm ftand,
hineingubohren, Go hielt er aus wie eine Dtauer
und etkampfte ftets feine volle Portion an faulen
	Upfeln. Cines Mtorgens fiarrie er wieder in die
Sweige.
Dy plbblich las er dbarin gang deutlich , Emil ,
	Va plogltd) las er darin gang deutltch , Emil”,
es war kein 3weifel, die %ifte bildeten Schrift
geichen, die fagten Emil , und der Wafferdoktor
hies mit Vornamen ,, Emil”.

Hier war ein unerhirtes Wunder der ани.

Emils Strahl traf Balentin in diefem Wugen-
blick und Galentin guckte nicht nur wie ein altes
Weib, fondern er fehrie iiberdies faut „Фи“,
was den Maturdoktor dbermafen erregte, dab er
Balentin unter Waffer fegte, bie diefer hinten
rot war wie eine Riibe und vorne weif wie ein
Rettich.

Diefes Schaufpiel wiederholte fic) nunmehr
jeden Wtorgen. Dr. Thieme hatte keinen realen
Halt mehr an feinem mofteribfen Rirfcybaum,
Emil verwandelte darum Balentin jeden Morgen
in eine rote Riibe und die Folge war, bab Thieme
die Anftalt krinker und antithetifeher verlieb, als
er hineingekommen war.

Denn es war ihm &lar, daf man in ben
Baumen lejen kinne, wie in einem Buche, reine
Naturoffenbarungen, frei und deutlich, ohne Spie-
gel, ohne Drehimg, ohne 3ank und Streit mit
eingebilbeten Galeriedienern. Er lechgte nach
bieler Lektiire wie vormals nach Emils GButter-
mild), kaufte fic) einen Sodak und pbhotogra-
phierte alle Baume, die irgendwie verfcjndrkeltes
Ultwerk geigten. 3u ЯЭаще fuchte er diefes Ure
chiv gu entgiffern, inbem er grobe Projektionen
auf die Leinwand warf, denen er dann mit Rot-
ftift Sprache einkauchte.

Diefe Arbeit war fcjwierig und geitraubend.
Galentin engagierte fic) darum ein Wittdchen,
deffen Bekannt{chaft als Retoudjeufe er bei feinem
Photographen gemacht hatte. Die gog mit ihm
iiber Land, nahm die Vdume auf, die Balentins
Meinung nach fich tiber irgend etwas ausgufpre-
den wiinfdten, nabm nebenbei auch ihren Gor-
teil wahr, indem fie alle vierzehn Tage Erhbhung
ijves Gehaltes forderte.

Balentin hatte eine Egpedition nach Frankreich,
nach Stalien, nacy England geplant. Das Problem
war im aufgegangen, dag die Baume in Frank-
reich) nicht deutfey, in Stalien nicht frangofijd)
[predjen konnten, dah fie naturgemadb in der je
weiligen Landes pracje fich Gubern тиви, dab
alfo bas Pendant eines Baumes, der in Deutfd-
lend ,,Wafjer” fprach, in Grankreicd) eau“, in
Stalien ,aqua“, in England ,,water* fagen mufte.

Das Wadden, es hiek Kitty, erklarte, {te
werbe fic) an bdiefer Grpebdition nur beteiligen,
wenn Galentin fie vorher hetrate. Valentin wubte
nicht weshalb noc) wogu, aber er wubte, dab die
Borfehung ihn gum Gnterpreten der Gebhetmichrift
der Baume beftimmt habe, und dab er diefer
Wufgabe jedes Opfer bringen miiffe. Wlfo heiratete
er das Wlidchen. Wuf der Reife erfubr er, warum
ex fich vereblicht hatte, namlich weil Ritty nidjts
met arbeiten wollte. Sie fagte, fie macje diefen
Unfinn nicht linger mehr mit und amiifierte fich auf
	„ . ‹ 16 еп! е{2сВ engen Récke!”