Nach dem Sciineefall
	Mans Heider (Mtnchen)
	Uber er hielt Lreue iiber die Trennung bine
aus. Und als feine Grau nach einem fuftigen
Leben geftorben war, Ба уфе ег bas gange
Begribnis aus, ging mit didjtumflortent 3ylinder-
hute als Crfter neben dem Pfarrer hinter dem
Sarge her und weinte fo ftill in fic) hinein, dah
ber geiftlicje Herr nach einer ergreifenden Rede
au ifm fagte:

Sie haben wohl fehr gliicklicy gufammen-
gelebt, Herv Wittemann ? 

„Зе die Kinder, Hochwiirden,  erwiderte er
mit erftickter Stimme — ,wenn wir audj gee
{chieben waren.“
	   
	Biicher in Herrn VDiarkentins Sonneckens Fachjern:
Hermine Markentin, die eingige, reif erbliihte
Todter bes Haufes.

Sn feinem gangen Leben hatte er nicht fo viele
Handfdube verbraucht, wie in diefem kurgen Gome
mer. Denn Hermine war nidjt nur in der Wirt
fchaft tatig, fie bediente auch bas Lager ifres
Baters und hatte fo manchen griinen, fcywargen,
graven Handfchuh liber Viktor Wittemanns freudig
dbargebotene Hand gegogen.

Shm aber war, als griibte ifn am neigenden
Tage noch einmal bas fiibefte, bas eingige Glick,
bas biefe arme Erde gu vergeben hat, und bas
»3u Sweien  heift. Und in ftill geborgenen Stunden
malte er ficy den Wugenblick aus, wo er gum Ent-
gelt fiir alle Handfchuge, die fie ihm angepaft,
einen feymalen goldenen Reif tiber Herminens
{dlanken Ginger ftreifen wiirde. Sie wufte alles
von ihm und er nidjts von ihr. Denn fie fprach
kein tiberfliiffiges Wort. Das gerade gefiel ihm
an ihr.

Uber eines Abends, als er nad) ben Strapagen
bes Ulten Moor in einer Schiilernacymittagsvor-
ftelling der , Rauber  im Markentinfcyen Haufe
Erholung fudjte, ftelfte ihm Graulein Hermine
ihten Grdutigam, einen gefprichigen Gefchifts-
reifenden in ber Lederbranche, vor. Nun blieb
ihm nur nodj fein Riinftfertum.

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	Seder RKiinftler traumt feinen eigenen Traum-
Biktor Wittemann tréumte ihn auch. Der BVeie
fall, ber bei ber rt feiner Rollen mehr einen
perfonticjen Wnftric) hatte, fdhmeichelte ihm nicht,
die ftindig wiederkehvende Rritik der Badegeitung:
ав „шек Wittemann” wie immer ganz auf
feinem Plage war, las er nicht mehr, felbft auf
die Popularitit, der er fic) bet der Cinwokner-
{бай иле bei den Gadegiften exfreute, legte er
wenig Wert. Aber ein Wunfey gehrte an feiner
Riinftlerfeele, eine fille, heifje Gehnfucht, die jeine
gange, lange Sdaufpielerlaufbahn nie erfiillt hatte:
einmal einen Lorbeerkrang mit Schleife und Wid-
mung gu erhalten! Cinen wirklicjen — nicht
den iiblichen, den feine Rollegen fic) felber be-
ftellten, den an ihren Benefigabenden gefiiflige
Freunde gu ihren Giifen warfen. So billige Lor-
beeren bitte er oft haben kinnen. Sein Gein-
gefiih! hatte fie veradjtet. Wher ein Wal einen
Lorbeer, von wabhrer, warmer Begeifterung ge-
wunden, einen Lorbeer, nicht auf Beftellung oder
Gefilligkeit, fondern aus dem Drange eines edlen
Herzens ihm dargebracht... Er erinnerte fich
eines Sollegen. Der hatte durcy feinen Giesko
und Hamlet die Prima eines Фуптайите fo
entflamint, dag fie ihn von ihrem Lafchengelde
einen wundervollen Lorbeerkrang ftiftete mit einer
fangen, bimmelblauen Atlas{cjleife daran. Dern
genialen Samlet die begeifierte Prima” ftand mit
	Cr kam dies Wlal mit einer guten Empfehlung
an feine Wirkungsftiitte. Gin friiherer Kollege,
ber jegt ein fehr eintrégliches Gefdhaft mit Raut:
fehuckftempeln trieb, haite ihm einen Brief an einen
geadjteten Biirger mitgegeben, 5ег пай) feinem
duberen Gerufe Handfeyubmadjer und Stadt
verordneter, macy feinem inneren jedoch ein eben-
fo cifriger Biicherfammler war wie Viktor Witte
mann felber.

Uber die ftattlicje Bibliothek [eines Фай-
freundes hatte nur bei feinen erjten Befuchen
den Angiehungspunkt gebildet. Dann hatte ihn
ein anbderer abgelBft, der lebendiger war und
magnetifejer [оф als alle fdjdn gebundenen