Sofiatengrdber im SBnee
	Sie fdlafen nicht in diefen Gchollengriften,
Auf denen fie ihr warmed Blut veripriiht;
Gangft gogen fie dabin mit fernen Liften,
Bom Seine three Waffen tiberaliht,
	Ино име tm Glted ber alten Kamecaden,

Зи Йен Reber find fie vor euch her,

Bom Wind umfpielt, auf geifterhaften Pfadert,
SGAwetgfam und ftarc, etn tiefentfchloffnes Heer,
	Aus ihren Augen tit et dt entfloffen,

Das in ten Sternen andrer Welten ftebt,
Und herb und bitter it ihr Mund verfchtoffen,
Bon dem fein Lied, fein Wort, fein Atem webt,
	Hod) wenn fitch ener Banner wild zum CStreite
Und jaudyend eures Sturmes Wut entrollt,
Dann firhlt ihe fie, dann dréngt an eure Seite
Shr SGehladteuf, der wie Zorn und

Klammen grollt.
	Dann fpiirt the gwtefad) cured Stahls Gefuntel,
Berdoppelt baumt fic) enved Angriffs Macht,
Und fieghaft werfer fie aus ewigem Duntel
Shr lestes Opfer in vie lebte Gehladht.

Fran; Langheinrich
	SurickackeBre
	ch fragte ijn, — es klang fo fonderbar
Und fremd, was er mir fagte.
Er, der der Frohlichfte von allen war, —
Jn Gilben kam’s heraus, wonach ich fragte.
Cin Stammeln nur, und ftarr war fein Gefieht.
Bift Ou es, alter Freund? Bift Ou es nicht?
In Deiner jung-beweglicjen Geftalt,
Mit Deines Worts begwingender Gewalt?
Und immer fah ich ihn voll Staunen an, — —
Es ftand vor mir ein reifer, ernfter Wann.
Guftav Adolf Mallee
	Der heldentod

Tiroler Skiaze vor Rudolf Greins
	In emem ftiflen Sal Lirols liegt ein freund-
liches Haus, auferhalb des Dorfes, umgeben
pon griinen Wiefen und von einem ftattlicjen
Obftanger. Wie hinter einem kleinen Wald пех:
{teckt, fo beimlich fehaut bas Haus unter dem
Schatten der pdicht belaubten Baume  hervor.
Dppige Rornfelder_ und artoffeldcker breiten fich
vor ihm in ber Salebene aus. Go weit man
fieht, Felder, Ucker, Baume und grofe und kleine
Bauernhife. Unten im Lal und hoch hinauf bis
au ben Bergen erftreckt fic) das frucyttragende

‘and,

Hellgriin und klar flieht der Talbach, leicht
um{dumt von nieberm Grlengeblifdh. iefgriine
Walder bilden dunkle Flecke in dem Gitin und
Gelb der fteil anjtrebenden Felder und Beker der
Berge. Und freundlich hell bligen von der Sonne
beftrablt die wingigen Fenfterfcheiben der fammet-
braunen SHolghdufer an den Berglehnen, auf-
leudjtend in dem Glang und in der majeltatifcy
ftillen PBracht der Wlpenwelt. Frieden allerorten
und erlhabene Rube.

Der_alte Tobias Wartbichler bewohnt mit
leiner Gchwefter, der Lena, den Hof. Beide alte
Peute und beide unverbeiratet. Und docy gehen
gar viele Dtenfthen aus und ein. Das komnitt
	Und dod) hats ihn auch aufgeriittelt aus
feinem Frieden, als die Glocken gum Sturm
Iduteten in den groken Gulkerkrieg.

Er konnte es gar nicht faffen, der Tobias.
War fdjon alt, und gn erftenmal war s aud)
nidjt, dag er einen Srieg miterlebte. Wher ba
war niemand von den Geinen gewefen, der hatte
mitgehen miiffen. Heute war s anders. Da
mupten alle drei Burfdjen mit, ber Klaus, der
Sos und bas SHanfele.

Gin (achender, wolkenlofer Augufimorgen war s,
an dem die Sonne fo ftrahlend und bell und
gliichverheibend fehien wie nocd) nie in diefem
Sommer. Sm Hintergrund des Cals ragten die
fteilen Bergriefen. Sie fahen aus wie trogige
Wiehter ibrer Heimat.

Bon fpigen Turm der Rirdye exfeholl der
G@lockenruf, ging durd) bas Tal und wanbderte
binauf gu den Hien. Langfam, feietlic), mah-
nend... Gturm!... Landfturm!... Der alte
Raifer rief aus der Glockenftube {ет treues
iroler Зо gu den Waffen gegen iibermidhtige
und tiickifdye Feinde.

Sie и es alle im Dorf. Das war der
Krieg. Und unheimlic) feynell verfammelten fie
fich auf dem Dorfplag. Cin rubiger Ernft lag
auf den wetterbarten Geficjtern der Bauern.
Freudige Gegeifterung erfakte die Burfdjen. Die
Weiber.und Madeln weinten. Krieg... Sturm...
Landjturm ...

Der Tobias drauken am Wartbicdlerhof war
guerjt gang rubig. Er konnte es nicht faffen.
Ex begriff es einfach nicht. Still wie alle Sage
ging er feiner Gefchdftigung nach. Stimmerte
tic) nicjt viel unt die grofen Ereigniffe der Welt.

Die Lena fagte es ihm, als er пи Sonnene
fehein vor der Sir faR, bak bie Buben fort-
muiften in Ben Krieg. Da hielt der Tobias einen
Uugenblick inne mit Genfendengeln und fah fie
verwunbdert und erfejrocten an. ,,Heut’ no? 
fragte er -nach einer Weile, und feine Stimme
gitterte ein menig.

„За!“ Darn lief die Lena faut weinend ins
Haus hinein und fuchte in den Gachen ber
Зи еп, was fie ihnen noc) mitgeben kinnte
in den Krieg. Unb packte und ftopfte bie Ruck
{dcke voll. WBiirfte und Speck und Schnaps und
Brot. Die Lena hatte eine unklare Borftellung
von Hunger und wollte ihre Buben gut ver-
kiftigt wiffen.

Der Tobias fagte nicht viel beim Wbfchied.
Gr briickte nur allen dveten die Hand, als fie
vor ifm ftanden, und feblicy Dann [chen und ge-
drtickt in feine Rammer. ber die Lena, die
weinte herghaft und winkte den Buben immer
und immer wieder mit ber GSchiirge. Gar am
unliebfien fah der Sobias den Siingiten, das
Hanfele, fcjeiben. Er liek fic) aber nidjts an-
metken.

War das ein Leben und Sreiben auf der
Rleinen Salbahn. Go viele luftige Menfeyen auf
einmal hatte bas Gabnele nodj nie befirbdert.
Singend und jucgend faken und ftanden die
Manner und Vurfehen eng gepferdt. 3ug auf
Sug mit jubelnden kaifertreuen Sriegern тоНе
durd) das Tal. Und viele verlieBen auf immer
den ftillen Srieden ihrer Heimat ...

Langlam fdjlicjen die Wochen dabhin. Cine
bange Зей... €s gab wenig Manner mehr
im Lal, Und der groke Griede der Berge hatte
etwas Beklemmendes und GErdriickendes. Dian
aimete fchmerer und in gebeimer Gorge. Wie
es ifnen wohl gehen mocjie, den tapfern Sdhnen
des Tals? ... Gins. fragte bas andere, und
niemand wubte Befcheid.

Am Wartbiehlerhof war es gang ftill gee
worden. Go ftill und einfam, als hatte man
erft vor kurgem Lote in den Sreithof getragen.

Bon den Buben war jest fcjyon einige 3eit
keine Nachricjt mehr eingetroffen. Und es hieb,
bie Giroler ftiinben im Feuer... Den Riaus
wufte man in Galigien gegen die Ruffen. Der
Sos und das Hanfele waren gegen die Gerben
gegogen.

Da bekam der Tobias auf einmal Snterefje
fiir den SRrieg. Und weil das Hanfele gegen
bie Gerben war, kiimmerte er fic) unt diefen Krieg
	Е. Уаезег
	Daher, weil dev Wartbichlerhof eine Heimftatt
fiir verwaifte Pinder geworbden ijt.

Der Tobias ift ein altes Mtanndl. Steht alter
aus, als er tatfaichlicy iff. Ghent ift er und
wortkarg urd in fic) gekehrt. Wenn er kann,
fo meidbet er bie Weenfchen. Da ift die Lena
{chon eine andere. Auch eine gute Geele, aber
viel vefoluter und nicht fo menfehenfcheu.

Oft ein: wohlhabender Bauer, der Tobias. Man
midjte es ibm gar nicht anfehen. Go ohne Stolz
und ohne Selbfthewuftfein ift ex. Sat aber doch
bas Serg am rechten Fleck.

Heitaten hat er nie mibgen. Wenn man ihm
davon fprict, barn lacjt er, und feine guten,
dunklen YWugen leucjien auf. Sa, ja, freila!
Heivater!  fagt er langiam vor fich hin. ,,’s bat
mi tia nidjt g freut,  s Heiraten: Und Pinder
bab it amerft g tuag.“

Die Kinder, die ev wie eigene halt, das find
drei ftattlicje Burfeyen und drei nidt mehr gang
junge Méabeln. Gebhdren beifeib nicht gufammen,
bie Rinder. Die Hat man ihm langfam eines
nad) dem andern ins Haus gebradjt. Gind alles
Waifenkinder, und bas Haus ijt ein ridjtiges,
ecjtes Waifenhaus geworden.

Ulle bis auf eins gehbren fie gur weitfchicdh-
tigen Berwandt{dhaft. Sind Sohne und Todjter
irgendeiner entfetrten Basl. Die Lena hat fie
alle grobgeaogen, und find orbentliche, brave Leut
worden. Und weil der Tobias und die Lena
das Rinderaufgiehen  фоп einmal fo gewdhnt
waren, fo haben fie auc) nog ein landfrembdes
Kind angenommen.

War ein fcynidcdhtiges hafbvergungertes Siiabl,
als és ing Haus kam. Die Mutter tot, der
Bater ins Verbdienen, und eine Kutt n Kinder da.
€s gibt viel Elend in der Welt. Ride einmal
ins Lal herein gehirten die Leut. Das marhte
sn ane nights aus. Er nahm das Biiabl
ody aif.

„Де“ meinte er, ,oans mehr oder weniger,
dbs ift 914. Dtaglt {chon dableiben, Hanfele,
wenn s Di g freut.”

Und es gq freute bas Giiabl. Es blieb. Fiihlte
fich bald beimifeh auf dent Hof und ebenfo dazu-
gehirig wie bie andern fiinf Waifenkinder aus
der Berwandticjaft. War mit der Зей ет Наш=
miger jutiger Buric) geworden, Sas Hanfele; und
ein flotter Ratferjager. Der Cobias hatte heim-
lic) feinen gang befondern Stolz drauf. Lieb 19)
aber fein nichts anmerken, damit die andern ja
nicht eiferfiicjtig wiirden.

Klein und fchmichtig ijt ber Tobias, knochig
uid mager und von der Gonne braun gebrannt.
Gein Haar ift fchiitter und fdjon ftark ergraut,
und die grofen, dunklen Wugen haben den er
fiaunten Glick eines Rindes. Still und rubig
hatfdt er dure) das Haus und trifft feine Ane
ordnungen. Hat einen hatfcjeten rechten Fug, der
Tobias. Aft als kleiner Bub einmal vom Birn-
baum gefallen. Davon i{t igm der Tadel gee
blieben. SHaben ihn darum auc) nie beim Militar
braucjen kénnen.

Es ift ein enger Kreis, in dem der Alte lebt.
Sein kleines Reich ift ihm alles. Was drangken
porgebt, beriibrt ibn wenig.