Sommerbrief mit der feldpoft
Bon L£. UWdro ~
	Freund Herbert, icy liege in einem
Lagarett in Innsbruck, doch Du brauch{t
м gu erfchrecken. Wein Geinjchup
ift Reiner von ben argen und wird
Ба wieder gebeilt fein. Uber id) bin
nicht bbfe, dak ich eine Weile frill in
einem weifen Krankengimmer fliegen
muf. In meiner Geele fieht es fo fon
derbar bunt ynd felifam aus — ein
Stick meiner Sugend ift heraufgekom-
men, plaftifd) nab und doch fo traum-
у i Бай fern, dag ic) nicht gang verftelen
gi * kann, wie dies Gefchipf von einft und

ich felber gu bem gleiden Itamen
kommen .
; Wagner Weikt Du ben Gommer nod, der
unferer endgiiltigen Befreiung von den
Qualen des Gymnafiums folgte, weift
Du die Landfchaft noch, in der wir damals ein
paar Woden gu unferer Erholung gubringen
durften? Mitten in den Dolomiten war s, an
einer WWafferfcheibe, die nicht nur gwei bef chei-
Benen Quellen verfchiebene WMeere anwies, fon-
dern aud) Deutfdh= und Welfchtirvol von einander
fehied.  Srgendwo fiand ein kleines Fort, von
einem fefchen Oberleutnant kommatidiert, der
nichts anderes_gu tun hatte, als weifen Tennis-
frauleins gu Siifen gu legen. So ein Ober-
leutnant war doch eigentlich das tiberfliijfigfte
Февр! von ber Welt, und der bamalige, der
einer feineren Menfeerrart angehirie, klagte mix
einmal, wie térict ihm fein Dajein in diefer Spie-
lereifeftung fchien, wie er fic) nach bem Leben
fehnie und befonders nad) der ,unfi , von der
ег еше {Нате ип ideale Borftellung in feinem
Hergen trug, das die Erziehung in ber Rabdetten-
anftalt unbeftiedigt und leer gelaffen hatte.

Das war damals, Freund, bas war damals .
Sch bin jest auf bem „ав Whice  gewefen, bem
„ав тете  бет „ав ЭХЛама“ — denn Du
weibt, wir hatten bie Gewohnbeit, all bie Benk-
chen und ftillen Ruheorte nad) ben Frauleins gu
benennen, denen mir dort ди вен lagen. Es
gab viele Srauleins und fie fucjten alle etnen
Mann, gum mindefien einen Rurmacher, und dagu
waren wir Rleinen Jungen auch gut enug. Uber
biefer kleinen Welt aber erhob fich die drauende
BWunderpracht der Gerge. Weikt Du die Piond-
nachte nocd, in denen die Sacken der Drei Sinnen
leuchtend und geheimnisvoll burch fichtig er(ehienen ?
Weibt Фи den Sonnenaufgang поф, da wir
Бит die Felfeneinfamkeit bes Bal Fonda den
Gletichern bes Dlonte Griftallo entgegengogen?
Die Mittagshige, ме fe;wer iiber der weigen
Strage briitete und die Machmittage, wenn friihe
Schatten fic) Sunkelblau iiber das ftille За
fenkten? Фата даб её Wugenblicke, bie fo
fehin waren, dab man vor lauter Cebensfreude
fic) das Sterben wiinfdjte, aber nur ein wen g
und nicht fiir lange, wie Wnnette von Это
fagt, und wo die Augen bie viele Gchinbeit nicht
mebr faffen Ronnten. Als ich wegmufte, habe
ich, trogdem id) nuit doch fehon ein junger Dlann
war, gemweint — und der Oberleutnant glaube
ich, ‘aud ein wenig, denn wir gingen ja mun ins
„Вебен“ hinein, und er blieb hier — etnfam und
awecklos .

Ginmal begegneten wir einer blonden Frau
in Lrauer — der Monigin Margherita, ber man
in jenem Gommer den Gemahl ermordet hatte
und die hier ihren Witwenfdhmerg aueweinte, —
der gleidjen Rénigin, die nun im Berein mit
Sots und Gdywiegertocjter der kriegsbegeifierten
Menge vom Balkon des Quirinals aus zuge-
бе Ба. Damale aber ftiblte fie lic) hiergu-
fande ficjerer als unter den Ghren, deren einer
ihr den Фета ев. Фа шаг’ Вата,
Freund, bas war damals ....

Nun bin icy wieder dort gewejen, Freund.
Sas Cal war fill ebenfo [till wie damals faft,

 
	Sch fand fie ovr dem Spiegel im
Begriffe, fic) das Maulehen gu lackieren.

Bielleicht gefdyah es fiir unieren
Freund; vielletcht auc) nur fiir den
Spiegel oder aus Gewohnhet.. Gee
nug, es gefchah, und an diefem Lage!

Da ich unbemerkt eingetreten war,
lief fie fic nicht ftbren. Seh ftand binter
ihe und fah ihr gu. 3wei Schritte vor
nix war ihr Geficht im Gpiegel Uber
ich hatte Wtiihe, mic) gu iibergeugen,
dab es auch wirklich bas ihrige ware,
fo frend mar mir fein Wusdruck, der
fich mir gum erften Mal enthiillte, Es
war leer, fiumpf und feelenlos — das
Gejicht einer Dirne.

Meine Herren —“ er fchbpfte Wtem,
fteckte feine Papiere ein, knépfte den
Rock dariiber gu, und {clog mit einer
miihfam beherrfcjten Errvequng: ,Vieine
Herren, ich lehne es ab, mit einer Dirne
perheiratet gu fein. Sch verlange ме
Gcbeidbung von meiner Frau. 
	 
	Der Фен Бо  wies, mangels eines деев-
lichen Scheibungsgrunbdes, das RKlagebegehren ab.
Doch bedauerte der Borfigende in der Urteils-
begriindung diefe Liicke im Gefek und fie, fic
guriickgiehend, ben Grub ber jungen Grav uner-
widert. Die anderen Herren, der Sebvififiihrer,
Wbdvokat und der Gatte folgten feinem Beifpiel.
Nur der Gerichtsdiener blieb und bhielt, wahrend
bie Frau jet gornig und beftiirgt ihren roten
Mund in.einem kleinen Tafchenfpiegel betrachtete,
mit einer nicht mifguverftehenden Gebirde die
Зи fiir ihren Whgang offen.
	Morgenrot
	рее EE

РР ИУ бо Lan pally аи

A
	Liebesgaben
	Her ANadierqumini
	Der Gummi war flr mid) feit friher Zeit
Dos Sinnbild dev Uneigenniwigheit,
Gin Martyrer, ein Freund bis tn den Tod,
Ein Stetter oftmald in der hichften Not. ...
— Wenn fid) ein Menfch flr andre Leute plagt,
Gidh felbftlos opfert und bepackt, dann fagt
Die Welt voll Mitletd metft: er reibt fic) auf!
Und Sener tuts. Dads ift ver Welten Lauf.
Go ift der Gummi aud) an Grosmut retdy,
Gein Gummiher; ift eben allgzuweich,
Es fann nicht rubig fremde Leiden fehn,
Und muf an frembder Gchuld gu Grunde gebn,
Wenn irgendwo ein Menfd) fic) fteebend ivrt,
Wenn icgendwo ein Ding verunfdint wird
Эш Bleiftift, Tinte, Farbe, Sahl und Wort,
Der trene Gummi fommt, und hilft fofort!
Er fifirzt fic) mutig auf den Stbrenfried,
Er еде ihn, bis fein Auge thn mebr fiebt,
Er retht fic) auf fir fremde Gchuld und Not,
Und — ift der Feind radiert und maufetot,
Dann fehet zu nevem Dienft er tren jurhic,
Cie® er tm Kampf aud) — von {ich felbft ein Stitt.
Hie jeden Fehler, den er forrigiert,
Зри felbft ein Rbrperteil genommen wird,
Verfchrumpft, jerfest, servieben, wankt er ntdht,
Und ftiebt al8 Opfer feiner Madftenpflict,
Nie hort man lagen thn, er fchafft und (dhweigt,
Und nur da8 Gejwitden feiner Schinbeit zeigt,
Wenn er die Fehler feiner Herren frifit,
Daf er nidt tot und unempfindlid tft.
— Drum, liebe Lefer, wenn Fhr Herz befist:
Chit mix der Gummi, der eudy (ov geniist!
Reinhold Lidader
	Aphorismen
	Oberleut. u. Kammermusiker E. Wagner
	(6. Armee)
	Kine Frébelschulgemeine

Wandert durch den Buchengang.
Lauter kurze nackte Beine,
Hoéschen, eine Spanne lang,
Stimmen, die wie Glécklein klingen,
Deutschlands jiingstes Aufgebot,
Und sie halten Schritt und singen:
.Morgenrot,
	Leuchtest uns zum friithen Tod.”
Ad. Ey
	Der fcdblimmyite Send
	nDarliber find wir uns wohl alle etnig,” fagte
der Bamburger Groffaufmann, ,vor allen ift Eng-
land, das den Hrieg angeszettelt hat, um unfern
Handel gu vernicten, und das uns ausguhungern
ver{ucht, der {dlimmite Seino.”

»Dor allen unfern Feinden ift Frankretch der
fchlimmfte,” fagte ein alter Deteran von 70/71.
„бен Jahrhunderten ift es unfer Erbfeind, uno
wir werden nicht eher Ruhe haben, als bis es
gtinglic) zerfchmettert ift!”

Ein odritter Herr erFldrte: ,Rufland, das ift
der f{cjlimmfte Seind! Es ift der Feind aller
Kultur, Was wir 3u gewirtigen hatten, wenn
es als Sieger aus diefem Hriege hervorginge,
davon haben Sie eine Hoftprobe in Oftprenfgen
befommen.”

Veben mir fa ein foeben von der Front ein-
getroffener Seldgraner, der fich bet diefem BGeipracd
ganz {till verhalten hatte. 3c wandte mich an
thn mit der frage:
	„Хин, wen balten senn Sie fiir den feblimmften .
	“a

фетор
nDas Fann ic) Shnen ganz genau fagen,” ante
wortete er lachelnd. fiir uns Soldaten ift immer
	der der [chliminfte Seind, der uns jeweils gegen:
iberliegt.” Edgar Krause
	Das Schickjal fejlagt le. Die Kletnen
merben dabdurch kleiner, bie GroBen grifer.
Der legteren wegen [ад ваз буи а[.
	Wer nicht rechigeitig von der Sugend
Ubichied neymen kann, muh vorgeitig vom
Peben Ubfehied nehmen.
	Die eingige Зидепо, ме fjich) augenblick-
lich lohnt, iff bie — Gebdulbd.
	Die Halfte des Genujfes ift die Crmar-
tung, die Halfte bes Schmerges die Furcht.
		 

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