Infanterie-Sturm bet Witschaete
	Luna oder Die dret Dachte
Novelle von Wilbelm (Willy) Rath
	RKiihle Spatherbftwinde tretben_ die Wolken=
binke weit fiber den fternenarmen Jadjt-Himmel.
Smmer wedfelnd flict Mtondlicht gwifcjenhinein.
Bald guillt nur fein Abglang bhinter giehendem
Gewdtk hervor, bald leuchtet fliicjtig ein Stich
des bleidy=qoldenen Licjirunds felber auf. Mir
nod) ein dinner Gehleter gleitet_endlich, milchig
burefchimmert, driiber hin. ret, kreisrund,
icjwebt es {её im Meer des eignen шефеп
Scimmers und iiberftrdmt bas breite Tal bes
Gliifehens fernhin mit feiner unwirklicjen Helle.

Sie dringt auch in die Schiigengraben beider-
feits bes Wafers. Micht iiberall erveidht fie die
feucjte Gehachtfohle. Hiiben und driiben aber
idjeucht fie bas Grauen der Kriegsnadht, wahrend
die klarere Gefaly wich{t. Die Leuchtkugeln kann
man min fparen. Das angefpannie Laufdjen
witd abgeldft vom behutfamften Spaihen durdy
wingige Sdjieblchartenrige.

Gm votderften Graben 5ех Феи Нет fuchen
die feldrauh gewordenen Musketiere, auf Holg-
Rloben und- Sorniftern fangs ber Lehmmand
hockend vbder halbwegs ausgeftredkt, ein bigdyen
Rube. Hinter ihnen liegt die harte Schangarbeit
und unaufhirlide Spanning der dunklen Stun-
den. Am rechten Sliigel hat auger dem Би
jungen eutnant und ben Wachtpofien nur Ciner
die Augen auf, ein hiinenhafter Gefreiter mit
ritlidem Gelbbart und angegrautem Sehlafen-
haar, der feine Gliedmaben nicjt ohne Mtithe auf
die Grabenenge einrichtet.

Wie der Himmelsglang fid) jah iber ihn ее
giebt, bebt er mit einem Ruck das Gefidht. Die
ebenmabig gebrungenen 3iige fivaffen fich noch,
die Durchaiehernarbe fcheint ficy tiefer in dte linke
Wange 3u kerben. Starr haftet fein Blick an
bem unergriinbdlich befdyauliden Mondantlik. Den
Helm nimmt er ab, als fei ihm trog der siihle
gu heif im Gchddel, und lehnt den Hinterkopf
mit dem halblang nachgewachfenen Blondhaar an
die kalte Wand. Mach einer Weile, als die
	Сеогр РЁей + (хе аПеп ш Еап4егп)
	einander fehimmern — etn ddmoncdhes Webftiick
— — bas ganze Mannegleben bis hieher liegt
504 dagwifchen?!... Wie bas alles fo kam!
Schickjal? Sehuld? Oder beides?

On einer bitterfiigen Berwunderung blickt er
auf bie griinen Sugendtage guriick: ift s miglith,
hat er felbft einmal foviel Romantik im Leib
gehabt? Gin hartes Ctcheln vergieht ihm rafch
wieber die Mundwinkel: ,... Hm — felbft das
hatte bei mir fcjon fein verdammt gefundes Sch
bewuftfein! Geborenes SFriedensgeit-Gndividuum
— Gerfehwommen in was Allgemeines hineitige-
{hwairmt haben wir fein nicht, mein Teuerfter!*

Ubfichtlich vermeilt er dennoc) bei den heiteren
Bildern. Wunderfcjine Beit war s 504 ....
Mian war gwangig alt, war aus gutem Haus,
hatte einen guten Bater, der keinen fejlecjten
Werhfel fchickte. Die Poefie bes Dafeins hatte
noch ibre gediegene Grundlage! Und die Mtenfchen
waren alle поф {fo merkwiirbdig lieb зи einem.
Bon den Madden und fungen Damen garnicdt
au rede — auc) die dlteren Herrfehaften, ме
Miiitter mannbarer Ciehter — ja, namentlich die!
Obwohl man no ein grasgriines Фешае шаг...

Sas denn?!” unterbridjt er, Doctor juris
Peter Manfen, der Mann von demndchft viergig
Sahren, im Schiigengraben. „ЭВЩ 1 mich ent
laften, ehrfame Hausmiitter anklagen? Sindijdy!
Hat mir docy ein Wordsvergniigen gemacht, die
Ehe-Neke hiibfd) nah gu fehen — und erjt redyt
nicht hineingutappen ! 

Und die rheinifee Bollmondnacht, ja das war
wohl ein Gipfel der Vraufegeit: Don Juans Ber-
kiindung — vor dem langen Spiel mit dem
fchlimmen Sdlug ein Catyr-Borfpielden. „30
was — Dummejungenftreich fcylidjimeg! Wher —
id) will dody die heitern Tage auferftehen [аЙеп
und die ,mondbeglinate Baubernadyt !  .

Gm Mai nuk fie gemefen fein, Ende Mai,
bie Rheinfahrt ber Rorps mit Rorps-Sdhmeftern
und obligaten Schweftermiittern. Das Laub war
nod) ellgriin in den alten Bonner Allen und
ben Bucjenwildern bes Giebengebirgs. Und
Waldmeifterbowle war der Crank des Tages;
feyon auf dem ftromauf fabrenden Extradampfer
	Mondfeheibe fachte aus dem Gefichtsfeld des
Grabens зи еиЙфиебеи beginnt, reckt fich der
Mann ihr nak — um feinen Mund guckt es
wie Hohn — und fieht auf...
wDlenfcy! Manfen!“ Пей geddmpft der
Ceutnant und gieht ibn nieder, ehe er iiber bie
Deckung ragt. ,Gieht der Herr Doktor nicht:
ber Bollmond ift aufgefahren?! Feftbeleucjtung
fiir die ScharfidymeiBer gegeniiber! Зе fich’s
wie bei Morgenfonne am Sejeibenftand! 
Peter Manjen murmelt etwas Cntfchuldigen-
bes: nervile Scylaflofigheit — und die Landfchaft
niiiffe ficy jest fei hiibfcy ausnehmen... Wit
einem erftaunten Рафеш, ВорНфйНешь wendet
ber Letiinant fein Wugenmerk wieder feinem ver-
ftopften Deckelpfeifchen gu. Wanfen figt ftill und
{chlieBt die Wugen. Doc) bald Hffnen fie fie) und
richten fic) aufs neue fiarr, wie aus feindfeligem
Frog, in das feltjam mild und ftarke Lidjt hinauf...
adie erfte Vollmonbdnadjt wieder!  fagt etwas
in ibm —- Jo deutlich, als mabten’s die fcjlafenden
Rameraden Hiren. Gr fucht es ficy ins Harm-
fofe gu ergingen: ,,Die erfte, ja, feit icy im feld-
grauen Rock fiecke... Die erfie wenigltens, die
mich in unbefchaftigtem 3uftand erwifdjt!  Dabei
aber mu er fich’s doch geltehen, dak er recht gut
weib, was die heimlicje Stimme wirklic) meint:
»Die erfte Bollmondnacht, feit du dem Mondichein
aus bem Weg gehft — feit damals, im Зи!“
Gr will die Gedanken weggerren von der
fchwiilen Sulinacht — und dem eifigen Schauder, der
in iby war. Wuf Stunden ift s doch feon gegliickt,
im aufregendften Sriegserleben, im {trammiten,
niichternften Dienft, der fo {chin mide macht...
Че ег fein Erinnern gewaltfam guritchdrangt,
in noch friihere, friedfamere Seiten, fiiblt Peter
Manfjen etwas Gonderbares mit fich gefcehen.
Wus dem Gaus und Braus der erjten Cemefter
feuchtet’s herauf — oder aus dem iiberhellen Nacht
himmel herunter: „Випа — Luna mit filbernem
Gein...  ... eine andere Mlondnadht, eine ver-
gauberte Sriihfontmernacht am Rhein. Wus dem
Gedadjtnis iff fle ibm nie geglitten, aber nun fiebt
	er fie auf einmal dicht bet ber Stulinadht, der. furdte
	baren, von heuer: fieht Беше Кафе дапз т