DH DARATIONEHN
	il
				Referent im [nstitut fdr Konjunkturforschung, Berlin
	der Handelsbilanz um die erwiihnten 2°/, Milliardén RM um 1940 herum
immerhin ein Akiivsaldo der Handelsbilanz, ein Ausfuhriiberschuf, von
etwa 17/. Milliarde RM erreichbar sein wird. Damit kénnten zwar die
Zinszahlungen Deutschlands an das Ausland, nicht aber auch die Repara-
tionsleistungen bestritten werden. Selbst wenn man annimmt, dal auch die
Kinnahmen Deutschlands aus der Schiffahrt, dem Fremdenverkehr usw. sich
bis 1940 mehr als verdoppeln werden, kommt man doch nur auf etwa
2 Milliarden RM .,Einnahmen“ Deutschlands vom Ausland.

Stellen wir diesem Betrag nun endlich die wichtigsten ,,Ausgaben“ Deutsch-
lands gegenitber, so sehen wir, daB die Zinsen, die Deutschland fiir seine
kurz- und langfristigen Kredite авт ап das Ausland zalilen mul,
1 /, Milliarden RM ausmachen, und da selbst nach Abzug der Zinsen, die
wir fiir deutsche Anlagen im Ausland erhalten, sich immerhin ein Betrag
ergibt, der iiber 800 Mill. RM betragt. Dann aber kommen vor allen
Dingen die Reparationsleistungen. Nichts veranschaulicht die Schwierigkeiten
Deutschlands zur Begleichung der Reparationsleistungen neben den Zins-
verpflichtungen an das Ausland deutlicher als ein Vergleich der Entwicklung
det Warenhandelsbilanz mit den Zins- und Reparationszahlungen.
	Wichtige Zahlungsbilanz-Posten (Angaben in Mill. RM)
	Finnahmen:
Ausfuhriiberschuf (ohne Repara-
tionssachlieferungen .

Ausgaben:
Einfuhriiberschuf .
Uberschu8& der Zinszahlungen an
das Ausland iiber die Zinsein-
nahmen Deutschlands
Reparationsleistungen (ohne Re-
parationssachlieferungen)

1926

162

173

1927

3539

345

1005

1928

1948

1336

1929

863

800

1682

1950

848

825

987
	Jahrelang hat Deutschland die Reparationen nicht aus dem Austfuhriiberschul,
sondern mit Hilfe aufgenommener Auslandskredite gezablt. Ein Loch wurde
also durch ©ffnen eines anderen Loches zugestopft. Insgesamt waren bis
Ende 1930 rund 7 Milliarden RM in Form auslindischer Anleihen und rund
11 Milliarden RM in Form kurzfristiger Kredite nach Deutschland geflossen,
so daf also die deutschen Auslandsschulden bis Ende 1930 auf 18 Milliarden
RM angewachsen waren. Jahrelang hat das Ausland bereitwilligst kurz-
fristige Kredite nach Deutschland gegeben, ja, sie uns zum Teil geradezu
aufgedriingt. Dabei lag der Zinsfuft fiir diese kurzfristigen Auslandskredite
wesentlich unter dem Satz, der fiir langfristige Kredite bewilligt werden
muGte. Mit diesen kurzfristigen, vom Ausland erhaltenen Krediten ist
Deutschland seinen Verpflichtungen fiir Zinszahlungen und Reparations-
leistungen nachgekommen. Linen Teil dieser Auslandskredite hat es aber
auch zum Ausbau seiner Anlagen benutzt, sich also des kurzfristigen Kredits
zu Aufgaben bedient, zu denen an sich langlristiger Amortisationskredit be-
notigt wurde. Solange die Auslandskredite reichlich flossen, wurden
Stérungen des deutschen Wirischaftslebens hierdurch nicht verursacht.

Wie gro® aber die Gefal einer solchen kurzfristigen Auslandsverschuldung
und besonders der Verwendung kurztristiger Kredite zu langfristigen In-
vestitionen ist, haben die jiingsten Ereignisse nur allzu deutlich vor Augen
eeliihit. Im Zasammenhang ‘mit der Zahlungsunfiihigkeit der Osterreichischen
Kreditanstali wuchs das Miftrauen der Gliubigerlinder auch gegen Deutsch-
land. Die Folge war, da® zuniichst der Zufluf neuer Kredite nach Deutsch-
land stockte, dann aber seit Mai das Ausland zu betrichtlichen Kreditriick-
forderungen schritt und — teilweise geschiirt durch politische Agitationen —
die Gliubiger Deutschlands von einer wahren Panik erfaftt wurden. Nach
der Zahlungseinstellung der Darmstiidter und Nationalbank haben sich die
Verhiilinisse dann besonders zugespitzt und den deutschen Banken, deren
kurzfristige Auslandskredite zu Jahresbeginn etwa 8,2 МИНагаев ВМ aus-
machten, Kreditabziige in Héhe von 2—3 Milliarden ВМ gebracht. Hinzu
kam ein Wiederansteigen der Kapitalflucht aus Deutschland, ein Hamstern
auslindischer Noten durch weite Bevélkerungskreise und schlieflich aus
Furcht vor weiteren KassenschlieBungen selbst ein Hamstern deutscher
	Zahlungsmittel. (SchluGi aur seite 184.)
	4aLmmer mehr bricht sich die Erkenntnis Bahn, dak Zins-
zahlungen, Tributleistungen und Schuldenabdeckungen eines
Landes letzten Endes nur mit Hilfe eines Waren - Ausfuhr-
tiberschusses erfiullt werden kénnen, Vereeblich haben einsichtsvolle und

 

 
	tiberschusses erliilli werden kénnen. Vergeblich haben einsichtsvolle und
vorausschauende Minner Deutschlands. jahrelang um die Verbreitung dieser
Erkenninis gekimpft. Dabei mute dieser Kampf nicht nur gegen die
Empfanger der deutschen Reparationszahlungen, sondern auch gegen einen
Teil unserer eigenen Volksgenossen gefiihrt werden. Nur allzuoft haben
selbst veraniwortliche Manner in Deutschland die Reparationszahlungen fiir
vollig durchfiihrbar erklirt. Bis vor kurzem hatte infolge des fortgesetzten
Finstrémens von Auslandskrediten die breite Offenilichkeit nicht erkannt,
wie unrecht diese Stimmen hatten. Denn jahrelang war durch den Zuflul
kurz- und langfristiger Auslandskredite die wahre Lage Deutschlands ver-
schleiert geblieben.

Durch die dem Priisidenten Hoover zu verdankende Linfiihrung des
Reparations-Feierjahrs ist Deutschland zunichst von dem gréften Druck
der Reparationslast befreit. Dennoch bleibt das Damoklesschwert der
Reparationen iiber uns schweben, und mit aller Deutlichkeit muf hervor-
gehoben werden, daft trotz des Feierjahrs die grundsatzlichen Fragen der
Reparationen nach wie vor weiterbestehen und wir keineswegs den Fehler
begehen diirfen, das Aufgeschoben fiir ein Aufgehoben zu erachten. Wir
еп uns auch nicht durch den im ersten Halbjahr 1931 erzielien, ver-
hiltnismiftig hohen Ausfuhritberschu® (700 Mill. RM) in der grundsatzlichen
Stellungnahme zur Bewerkstelligung der Reparationslasten tauschen lassen. Das
starke Daniederliegen des Inlandsmarktes hat der deutschen Industrie einen
ungeheueren Zwang zum Export auferlegt, einem Export um jeden Preis.
Wir miissen aber weiter schauen und uns von den Eindriicken der gegen-
wiirtigen, in solchen Ausmafen noch nie gekannten Wirtschaltskrise frei machen.
Eine iiberzeugende Berechnung, welche Hichststeigerung fiir den deutschen
Export im Laufe des nichsten Jahrzehnts méglich sein wird, hat der Pri-
sident des Statistischen Reichsamts, Professor Dr. Wagemann, in seinem
kiirzlich erschienenen und besonders auch im Ausland vielbeachteten Werk
»otrukiur und Rhythmus der Weltwirtschaft  gegeben. Schaliet man von
den 12 Milliarden RM, die den Wert der deutschen Ausfuhr darstellen, die
Posten aus, die volkswirtschaftlich nur Durchiuhr sind (Textilrohstoffe),
und beachtet man, da die Ausfuhr von Kohle und Koks infolge der
starken internationalen Konkurrenz in den niichsten Jahren nicht mehr aus-
dehnungsfiihig sein wird, so kommt man, wenn wir von den Verhiltnissen
des Jahres 1928 ausgehen, zu einem Betrag von rund 9 Milliarden RM, der
die Fertigwarenausfulr Deutschlands reprasentiert. Rund zwei Drittel dieser
Fertigwarenausfuhr gehen nach europiaischen Liindern, d. h. also Lindern,
die sich zunehmend aus ihren eigenen Industrien versorgen, und nach denen
daher die deutsche Fertigwarenausfuhr nur sehr langsam wird steigen koénnen.
Allein aus diesem iiberragenden Anteil Europas an der deuischen Fertig-
	warenausfuhr geht hervor, da@ selbst eine erhebliche Steigerung des I.xports
nach den iiberseeischen Liindern im Rahmen des gesamten Auftenhandels
nicht sehr stark ins Gewicht fallen kann. Die Evfahrung der letzten 30 Jahre
lehrt, Ча der Steigerung der Verbrauchsgiiterausfuhr verhiltnismafig enge
Grenzen gezogen sind. Eine starke [Ixportsteigerung miiftte daher, wie
Wagemann in dem erwiihnten Werk sehr eingehend ausfiihrt, in erster
Linie von der Produktivgiiterausfuhr getragen werden. Unter der Voraus-
setzung, daft die Produktivgiiterausfuhr im niichsten Jahrzehnt im gleichen
Tempo wie in den letzten Jahren erhéht wird, wiirde man auf eine
Steigerung der Gesamtausfuhr um etwa 6 Milliarden RM kommen, also
einen Exportwert, der um das Jahr 1940 etwa 18 Milliarden RM Бе-
tragen wiirde. Nun muf man aber bedenken, dal eine Steigerung der Aus-
fuhr um diesen Betrag zwangsweise auch eine Zunahme der Rohstoffeinfuhr
bedingt, und zwar miifte diese 1940 um rund 3‘/, Milliarden RM gréfer
sein als im Durchschnitt der letzten Jahre. Bei Erhéhung der Ausfuhy um
6 Milliarden RM und der Einfuhr um 3 /, Milliarde RM wiirde also die
deutsche Handelsbilanz nach einem Jahrzebnt um 2*/, Milliarde RM akti-
viert worden sein. Beriicksichtigt man nun, da der deutsche Auftenhandel
im Durchsdiniit der Jahre 1926—1930 eine Gesamtpassivitiit von 5 Milliar-
den RM aufwies, d. h., daf& der Finfuhriiberschu® im Jahresdurchschnitt sich
auf rund 1 Milliarde RM stellte, so zeigt sich, da bei einer Verbesserung