GRPOSSEBR SPEKULANTEN Interessenten durch ihn einfach aus ihren Stellungen dringen lieflen, sondern den Bérsenkampf aufnahmen und auch ihrerseits zum Gegenangriff gegen den Eindringling vorgingen. Es ging hart auf hart. Seine Gegner, die Lon- doner Dreyfus-Gruppe und die Pariser Heinemann-Gruppe, stellten ihm Fallen, verlockten ihn zu enormen Terminkiufen, um dann geschickt eine iiberraschende Hausse anzukurbeln. Der Aderlaf, den Lowenstein bei diesem Uberfall erlitt, war fiirchterlich. Er bezahite seine Niederlage mit 600 Millio- nen, mehr, als sein Kassenbestand ausmachte. Er bekam einen Nerven- zusammenbruch. Aber er dachte nicht daran, die Waffen zu strecken, sondern eréfinete starrkipfig die Gegenoffensive und berannte die Banque de Bruxelles, die er zu erobern hoffte. Denn er brauchte plétzlich dringend Geld, Kredite. Die Hilfe des befreundeten Londoner Bankhauses Schroeder allein geniigte ihm nicht. In den Vereinigten Staaten von Amerika hoffte er grofziigigere Hilfe zu finden. Mit einem Gefolge von 30 Personen, 10 Autos, einer Flugzeugflottille trat er die Reise iiber den Ozean an (die Spesen beliefen sich auf 6 Millionen). Aber er erlebte nur bitterste Enttiuschungen. Seine Gegner hatten bereits dafiir gesorgt, daf er iiberall verschlossene Tiiren fand. Bei Morgan sowohl als auch in Kanada, wo sein Aufstieg begonnen hatte. Er kehrte nach Europa zuriick und stiirzte sich in den Kampf um die Banque de Bruxelles, deren Aktien er um jeden Preis aufkaufte. Aber auch hier erlitt er eine empfindliche Niederlage, da er im Aufsichtsrat in der Minderheit blieb. Mit seinen Weltherrschaftsplinen war es aus. Der Zahlungstermin, an dem er seine bereits einmal um 6 Monate verlingerten Kredite bei Schroeder in London abdecken mufte, riicdcte in bedrohliche Nahe. Er flog nach London, um einen neuen Zahlungsaufschub zu erlangen. Vergeblich. Auf dem Riickflug dffnete er (absichtlich oder ver- sehentlich, niemand weil es) dic Tiir des Flugzeugs und stiirzte in die Tiefe. Zeln Tage spiiter fischte man seine Leiche aus dem Meer. Die Liquidation seines Vermiégens ergab immer noch 800 Millionen Frank. Aber unendlich mehr hatte er auf dem Schlachtfeld der Bérse verloren. Camillo Castiglioni, als Sohn eines Rahbiners in Triest geboren, verdankt seinen Aufstieg zum Milliardir und vielleicht reichsten Mann des Kontinents lediglich der Kriegs- und Inflationskonjunktur. Vor dem Welikrieg ein kleiner, unscheinbarer Autoreifen-Agent, wurde er wihrend des Krieges durch Heereslieferungen in der Flugzeugindustrie zum reichen Mann. Er brachte die Semperit-Werke, bei denen er angestellt gewesen war, an sich, griindete eine Flugzeugfabrik und wurde 1917 Herr der Wiener Depositen- bank. Mit dem Zusammenbruch der Donaumonardhie begann sein Aufstieg ins Riesenhafte. Als Triestiner wurde er durch den Friedensvertrag ita- lienischer Staatsangehiriger, ein Umstand, der ihm seine zweifelhaiten Ge- schifte wesentlich erleichterte. Wie Stinnes in Deutschland, sah er die un- erschépfliche Chance der Geldentwertung voraus. Seine Methode der risiko- losen Bereicherung war hichst einfach. Er kaufte alle Sachwerte, wie Fabriken, Immobilien, Handelsgeschafte, Landgiiter, deren er habhaft werden konnte, auf, und finanzierte diese Kiufe, indem er Kronenschulden aufnahm, die er dann spiiter mit entwertetem Geld abdeckte. Zugleich hamsterte er die stabilen Devisen. So fielen ihm fast kostenlos die wertvollsten Stiicke der ésterreichiscben Industrie miihelos in den Scho. Inmitten der allgemeinen Verarmung eines ganzen Landes wurde er Milliardir. Fiir einen Pappenstiel erwarb er den riesigen Skoda-Konzern. {n kluger Berechnung machte er sich italienischen Expansionstendenzen dienstbar und bemiichtigte sich, mit Hilfe der Banca Commerciale Italiana in Mailand, Triester, Prager, Budapester und ruminischer Grofbanken. Der Machtrausch packte den Emporkémm- ling und entfachte in ihm den verzehrenden Wunsch nach industrieller Herrschait, Nachdem er auch bei den dsterreichischen Grofbanken festen Fu gefaftt hatte, gliickte ihm 1922 ein grofter Coup. Er wurde Vizeprisi- dent der Alpinen Montangesellschait, des отб еп ésterreichischen Hiitten- werkes, und damit zugleich Statthalter von Stinnes in Osteuropa. Da traf der riidksichtslos und kiihn vorwirts Stiirmende auf das erste ernsthafte Hindernis. Seine Gegner hatten sich gesammelt und holten zum Sdilag gegen den Parvenii aus. Er verlor die Aktienmehrheit der Wiener Depo- sitenbank, die er fiir seine Konzernpolitik hatte ausbauen wollen, und wurde aus der Bank hinausgedringt. Nach dieser Niederlage suchte er Ersatz im Erwerb eines Aktienpaketes der angesehenen Wiener Union- bank, das ihn zum Herrn dieser bedeutenden Bank machte. Aber auch diese Position vermochte er nicht lange zu behaupten. Schon im folgenden Jahre unterlag er im Kampf um die Aktienmajoritit und mufte seinem AUFSTIEG UND FALL eute, zur Zeit der Weltwirtschaits- krise, da dic Weltbérsen Kirch- héfen gleichen, auf denen die Spe- kulanten ihre letzten Hoffnungen zu Grabe tragzen, und die Aktienkurse in den Ab- erund getaumelt sind, ist es gewilt nicht ohne Reiz, sich der Spieler mit Milliarden zu erinnern, die vor noch gar nicht allzu langer Zeit die Weliborsen mit ihren gigan- tischen Transaktionen in Atem_hielten. Lowenstein, Castiglioni, Oustric, um die drei Prominentesten unter innen zu nen- nen, glaubten die Welt erobern zu kénnen, wenn sie Berge von Aktienpaketen in ihren Tresors auftiirmten und Milliarden er- rafften. Sie stiegen aus dem Dunkel em- por, leuchtende Meteore am internationalen Finanzhimmel, zu immer héheren Héhen, solange das Gliick ihnen lichelte. Da sie aber Vabanque-Spieler waren, muften sie scheitern, wenn Fortuna ihnen die kalte Schulter zeigte. [hy Sturz war tief und zer- schmetternd, und ihre Milliarden verwehten wie Flugsand. Alfred Liéwenstein war der Sohn eines kleinen jiidischen Wechselagenten in Briissel. Als sein Vater starb, hinterlief er ihm einen Wanfen Schulden. ].6wenstein assoziierte Alfred Liwenstein 7, der kiihne Borsenstratege, dessen Laul- bahn sein Absturz aus dem Flugzeug ins Meer beendete. Camillo Castiglioni, der ,Stinnes Osterreichs*, dem die Fran- kenspekulation zum Unheil wurde. Haufen Schulden. sich mit dem Bérsenmakler Stallaert und machte bald so gute Geschiifte, da er die Schulden seines Vaters restlos tilgen konnie. fo А Was ihn reizte, war das Spiel der Speku- <> } lation, das andauernde Auf und Ab der “2 > Bérsenkurse. Hier witterte sein Instinkt >, den grofen Erfolg. Im Jahre 1906 bot sich A ihm die ersehnte Gelegenheit zu dem ersten grofen Geschiit, das ihn mit einem Schlage ‘ reich machen sollte. E s gelang ihm, hundert- ‘аазепа ОБйвайопеп Чег kanadischen Ge- г sellschaft Rio Light and Power auf dem A eee aver dessen Macht belgischen und franzésischen Markt unter- Ног die Wirtschaftskrise zu Fall kam. © zubringen. Die erfolgreiche Spekulation mit diesen Papieren machte ihn zum Millionar. Der erste Schritt war getan. Er wurde katholisch, heiratete die Tochter eines Advokaten des kéniglichen Hofes, bezog ein fiirstliches Palais, hatte enge Fiih- lung mit der Groflinanz, wurde bei Hofe emmpfangen und zum Baron geadelt. An den Aktien-Transaktionen mit der Brazil Railway, die ihn mit dem Pariser Geldmarkt in enge Verbindung brachte, verdiente er neue Millionen. Das dritte groRe Geschift war die Lancierung der Aktien des Hafens von Para. Diese drei Geschifte brachten ihm zusammen 60 Millionen ein und machten ihn zu einem Geldmagnaten von internationalem Rang, mit dem das Welt- kapital hinfort rechnen muftte. Seine Geschiifte waren international und umspannten den Erdball. Sein [Erfolg berauschte ihn, und das Bérsenspiel, bei dem es um Millionen Gewinn oder Verlust ging, peitschte seine Nerven zu immer grandioseren Pliinen an. Sie zielten darauf hin, die finanzielle Weltherrschaft zu erringen. Nach dem Weltkriege glaubte er, den richtigen Weg gefunden zu haben. Die Wegweiser hieflen: Kunstseide und [lektrizitit. Wer diese beiden Industrien beherrschte, dem multe die Welt tributpflichtig werden. Im Jahre 1925 stiirate der belgische I° rank ins Bodenlose. Léwen- stein, der damals etwa 2 Milliarden besaf’, bot der belgischen Regierung zu Stabilisierungszwecken 50 Millionen Dollar an. Aber die Regierung dachie nicht daran, diesem Abenteurer dafiir die belgischen Eisenbahnen auszu- liefern, und lehnte ab. Von diesem Augenblick an war jedoch sein Name in aller Welt bekannt. Er machte sich jetzt daran, einen Weltelektro-Trust ха schaffen und simtliche Kunstseidefabriken unter einen Hut zu bringen. Bei seinen Angriffen auf die Aktienberge der Kunstseide- und Elektrizitiits- Industrie stieB er indes bald auf starke Gegner, die sich nicht wie schwiichere