156
Grund liegt tiefer, denn bas Sinken der Wrehiteftur und die Ver-
weltlichung ber Glasmaleret find coordinirte, nicst fubordinirte Gr
fdheinungent. Dads Austlingen dev mittelalterlidy) ivealen Stimmnmg,
bas immer entfdhiedeneve Sireben nad Realitet, der immer mach-
tiger fid) regende Ginn fiir naturgemafe Weltwirklidfeit, oa8 war
pie bewegende Urfache fitr alle gleichzeitigen Erfdeinungen im Leber
de8 Geiftes, befonders in der Runjt. Daher entfaltete fid) der Pri-
patbau gu iippiger Blithe, daher verntichterte die firdlicke Wrehitet-
tur, baher twelfte bdte alte grokartige Sresfomraleret рабш und an
ihrer Stelle fchoffet die vorher unterdritdten PBflangchen der Tafel-
und nachher der Rabinetsmaleret auf. Wllerdings gingen aus der
neuen Geiftesrichtung wiederum fiinftlerifhe SGchipfungen fervor,
die man frither nie geabnt hatte, und die Den Hiftorifer vor fenti-
mentalent Ragen ther den Untergang einer einfad) grofen Beit zu
bewahren vermigen: aber die Glasmaleret hatte darum nicht minder
ihre Rolle ausgefpielt und fie, die einft in vollen Leuchtenden Farber
die Fenfter erfiillt und die erhabenften Geftalten heiliger Tradition
wie im verflirenden Lichiglanze ben Augen wvorgefiihrt hatte, fiedhte
in fpdrlicher Unwendung, fticweife eingefebt, mit matten, gebroche-
nen Sarben langfam hin und hatte gulegt feine wiirdigeren Dienfte,
alg burch die Darftellung patrizifher Wappenfchilde der Heinen Pri-
vateitelfeit gu frdhnen. Das waren ihre Lesten Biige!
Dann ging fie unter, vollftandig erlifdjend, ja fo vollftandig
im niichternen rationaliftijden Lichte des vorigen Sabrhunderts сте
bleidhend, dak man gulegt bas Geheimnif? ihrer Technik fogar ver-
loven hatte. Crt der neneren Zeit war e8 vorbehalten, fie anf’s
Neue зи entdbeden, wie wir penn iiberhaupt was irgend das antife
Heidenthum, was das fchwarmerifch romantifde Meittelalter gefchaffer,
nachgubilden trefflid) gelernt haben. Wher im Befig griperer Ntittel,
umfaffenderer Erfahrung und Renntniffe, verfallen wir taglic) der
Gefahr, die alten Vorbilver itberbieten, fie auf ihrem eignen Boden
fhlagen gu wollen. Dies hat in ber Glasmalerei zu Neuerungen
gefiihrt, auf welche bie moderne Lechutt ftolz ift, ftolg fein darf, die
aber dennocy fiir ein dem wahren Wefen des Styls entfprechender
Sortfchritt nidt gehalten werden finnen. Dies ift wieder der Puntt,
auf welchen der Verf. guriicfommt, wie er von ihm ausgegangen ift.
Gr ftellt itbergeugend dar, dak die Glagsmalerei nimmermehr die
Aufgabe haben finne, Kirchenfenfter mit fcheinbaren Oelgemalden зи
fitllen, рав fie an foldhem Ort lediglic) auf firenge Ginfitgung und
Unterordunung unter die architeftonifchen Gefege angewiefer fei. So-
dann ВЕ er fich ausfiihelicher darauf eit, in welder Weife im
porliegenden Falle das Meiinfter gu Bafel mit Glasgemalden yu ver-
fehen fet, und was er hier beibringt, ИЕ Wiles fo verftindig etwo-
gen, mit fo umfichtiger Beachtung der wefentliden Momente, die
hier gux Erwagung tommen, dak wir witnfdben, feine Worte madgen
an entjdjetbender Stelle einen guten Ort gefunden haben und fer-
nerhin in weiteven Rveifen durd) die angiehende und feffelnde Gewalt
geiftvoller Darftellung die rictige Crfenninif verbreiten helfer.
9, Lib ke,
Zritunm gy.
fiir diefen Bwee gelinfig waren, und weift daranf hin, da ter
wie in allem bildnerifdjen Schaffen, 3. GB. im Fresfenfchmuc der
Winde, in den Sfulpturen per Portale und Facaden bas Miittel-
alter gern einen feften Cyflus von Darftellungen als Erlinterung
per -chriftlicyen Lehre angumvenden Небе. Wie dann ferner bie Fen-
fier nur einen Theil der an Wanden fowohl wie an Gewalben oder
Феи durchgingig gehandhabten Polychromie ausmachten, und erft
Durch diefe Totalitat der farbigen Erjcheinung die tunderbare Har-
monie des Snnert vamaliger Gotteshaufer erreicht wurde, ift nicht
minder anfchaulich dargeftellt. Die Eigenheiten des technifchen Ber-
fabrens, itber die und fowobhl eine Unterfuchung der Ueberrefte, alg
aud) der Traktat des Theophilus Auffchlug evtheilt, find mit Sorge
falt befchrieben; namentlich ift hier feftgubalten, рав jene frithere
Glasinaleret eine Ntaleret mit Glas, nicht auf Glas war, denn
fix lesteren Bwe hatte man nur, um feinere Schattentine etwa
aufyufegen, al8 cinzige Schmelsfarbe das Schwargloth. Endlich fchil-
Dert der Gerf. and) die Gindriidle, welche das Weittelalter felbft aus
feinen Glasfenftern ‘empfing, inbem er in einer Rethe von fdhrift-
Lichen Zeugniffen der Dichter mie der Chroniften uns die Empfin-
pung und Anfchauung der Beit davitber flar wie im Spiegel zeigt.
Den Anfang dev neuen Epoche in der Kunft des Glasmalens
Hejeichnen gwet wichtige Erfindungen: exfilic) des fogenannten Ueber-
fangglafes, welches in get Schidhten aufeinanbder gefdmolzen farb-
Lofes Glas mit farbigem verbaud; fodann die Erfindung, auger dem
Sehwarzloth auc) andere SdHmelsfarben mit dem Pinfel auf das
Glas зи tragen und durch Einbrennen oder WAnfchmelzen gu befefti-
gen. Damit war die Misglidjfeit einer ausgedehnten Walerei auf
Glas gegeben, denn man brauchte nur nach Belieben das farbige
Ueberfangglas weggufchleifen und die hellgewordene Stelle auf der
Riidfeite mit anderen Farbentdnen зи bedecen oder fie Hell ftehen
gu faffer. ls gweiter, nicht minder widhtiger Umftand fam nun
die Losreifung der Glasmaleret aus ven Handen der Geiftliden und
ihr Uebergang зи den Gaien hingu. Durch alle diefe inneren und
duferen GBerhiltniffe wurde fie beweglider, fiihner, aber амф ии»
rubiger. Denn nun fegte fie, gumal da die mit der neu erfundenen
Helnaleret in fo glanzender Wirllichfeit ourchgefithrien Tafelbiloer
als verlocende Borbilder ihr vorgufchweben anfingen, fich ganz an-
dere, neue Biele, die fie immer mehr gu drvamatifden Rompofitionen
mannigfac) bewegter Handlung, gu realiftifcer Auffaffung der Men-
foengeftalt innerhalb xeich abgetinter Landfchaftlider Hintergriinde
Hinviffen. Was gulegt in diefer Weife geleifiet wurde, erregt Bee
wunderung vermige ber fo hoch gefteigerten Beherrjdung der ret-
chen Wittel, aber e8 mifcht fid) in dies Gefiihl gugleid) die
Wahrnehmung von der ftyliftifdyen Cntartung diefes Kunfigweiges.
Denn Entartung ift wberall da eingetreten, wo eine Linftlerifde Tedh-
nif Bwede verfolgt, gu deren Erreichung fie Da8 eigene Wefen ver-
Lengnen und frembde Uri nachahimen mug. Dies trat nun bet dev
@lasmaleret ein: fie hirte auf firchlich-monumental gu fein und
wurde Rabinetsmalerei.
Wenn wun der Verf., der dies Wes mit feinem Verftandnif
an einer Meihe gefchict in einander verwebter Veifpiele far macht,
pie Behauptung aufftellt (S. 80), dak die Baufunft felbft in threm
Verfall vie Hauptfdhuld viejer Entfremdung der Glasmaleret getra-}
gen, fo fcheint uns diefe Wuffaffung pen Gegenftand nicht in’s
SaHwarze zu treffen. Nicht die firchlidke Bautunft des funfzehnten
Sahrh. gwang die Glasmaleret, eine andere Geftalt angunehmen.
Nod) Laute man ja im Norden itherall gothifche Gotteshiufer, noch
gob man ihnen die hohen, weiten Glasfenfter, die einen bunten
Schmuck mehr al8 je gu fordern beredtigt waren, und wenn and
fonft in der Kompofition und der feineren Ourchbiloung der WArdhi-
teftur grbfere Michternheit um fic ОУ, То Бане dies dte Stellung
und Bedeutung der Glasmoaleret nicht gu erfchitttern. vermodt. Der
Ee Herlin, Wir haben neulidh nit ohne Vergnitgen die Anerfernung
gelefen, bie man der beutfdhen Kunftgelhidtidretbung in Golland zollt. Wir
fEniten e8 uns hente nicht verfager, ein fehr heiteves Зенд der Anerfennung
bent{djer Runft von englifdjer Seite mitzutheiler, namentlic) ba e8 einen fehr
glitdlidjen Contraft bietet gu einent abgeldmadten Urtifel im Dtorning Wdvertijer,
welder bie Unkiufe des Directors her Mationals Galerie mit Heftigheit angveift
und dabet nidt verfeblt, gegen der unlangft angeftellten beut{dhen Reije-Bevoll-
miditigten, dei treffliden Mitndler, ansgufallen. —
Su der Patlamentsfisung vom 31. Mary ndmligh witnidht Gerry Bowyer
einige Uuskunft ber die Wnwendung einer Gumime von 4000 & file ,,veridies