Wenn wir im BVorhergehenden unfere Behauptung ум verthet-
bigen fuchten, dag die Plaftif bas Colorit nidjt pringipiell aus -
flieBe, fo wird im Folgenden lLeichter dargulegen fein, bag bie
Maleret feiner enthehren fdnne. Unb gwar reden wir nicht etwa
nur yon dem Reiz de8 Colorits, das befauntlich oft genug gerade
bei ben Werfen ber grofen Meifter vermift — oder vielmehr nidt
vermifit wird, mudmlic) obmwohl abwefend, nidt entbehrt. Зи
nichft wird man bas weite Gebiet der Beichnungen vom foloffalen
Rarton LiF gum wingigen Whumblattdhen auf papier pellé fdwer-
lid von der Maleret trennen fdnnen, eta wegen es ganz anbdert
Materials, wobet denu beilinfig das Paftell gleichfam Heimathlos
wide. Thite man eS aber auc, und verlangte felbft nod) bie
Sepien und getufchten Arbeiten in den Rauf, fo ift doch Felbft i
per Oele und Frescomalerei bas Camayen oder , Grau in Gran 
pom alten Gandrart fehr treffend Todtfarben genannt, mit voll-
ftindiger Berechtigteit anerfannt und ausgeiibt. Wir wollen auger
ben durchgefithrten Portratffisgen van Oyfs in Minden nur an
jenen fchinen Plafond von Cornelius ebendafelbft (im trojanifcbert
Gaal ver Glyptothef) evinnern, der in grimer Erde gemalt, die Ent
fithrung der Helena und andre Scenen jenes Kreifed darftellt. €8
ift {chwerlid) Semand по денив gu dem Ginwand, Daf diefes
Grin 3. B. ja doc) aud) Farbe fei. Gewif, aber wie bei einem
Bronzerelief, nur Cocalfarbe. Wie diefe legtere fich sur Plafti€
verhalte, werden wir fodter an geeigneter Stelle nicht ithergehen.
	Die Deckengemdlde fir das neue Sdanfpiclhaus 31
Deffau von Herm. Stilke.
	Filly Das nenerbaute Theater in Deffau Hat Herm. Stille ш
Wachsfarben zehn grofe Tafeln mit allegovifdjen weibliden Figuren
ansgefithrt, welche bevetts nady ciner Wusftellung hierfelbft in den
Abendfiunden, bei Gaslicht, an dew Ort ihrer Beftimmung abge-
gangen find. ort werden fie fic) an ber Dede bes Hanfes um
ben firahlenden Rronfeuchter reihen, die Reprafentantinnen von dem
fdhinvereinten Streben dev Kradfte, ,,aus dem fic) wirfend erft das
wahre Leben erhebt.” Denn wie auf der Welt ver Bithne alle
Riinfte zufammenwirfen, um ihrer Kinigin, der dramatifchen Poefie,
wiirdige Geburt und Leben gu verleihen, fo find in diefen Geftalten
Des Mtalers, weldhe eine walre Galerie weiblider Sdinheit bilren,
gleichfam die Himmlifden Pathinnen dargeftellt, welde, wenn fie
ihre Gaben freigebig verleihen, die Sdipferinnen der Hohften und
edelften Geniiffe werden.

Obenan Hat ver Maler die ,, Phantafie’ geftellt, die Mutter
aller Piinfte, die Empfindungen зи bilben und Bilder zu empfinden
verfteht. Gie ift hier wefentlic) als freie, feffellofe Rraft aufgefagt;
unbefleidet mit mwehendem Haar, fdwebt die fchwarziugige Geftalt
auf einem geffligelten fabelhaften Shiere einer und berithrt ihre
Harfe wie mit dithyrambifdem Griff; aber gu ihren Hiupten
fteht ein fefter Stern, gu dem fie aufblidt, gum Зееи, ba ihr
ein Gtener und ein Biel nidt fellen darf, wenn eS fid) um ein
finfilerifehes Schaffen Handeln fell. ls Stoff fiir ihre Kraft bie-
tet fich die ,,Gefdhichte” dar, Unter ihren Элен то fich die alte
Grofugel, auf welche fie mit forfdendem, ruhigem WAuge hinabblict,
un in ihrem Buche zu vevjeichnen, wie e8 ift, damit die Phantafic
paran 3eigen вице, wie ¢8 fein und nicht fein foll, Das thut
ain ausdrudévolifter unter allen Rinften die ,,Poefie.” Hier richtet
fie den Blick nach oben; ihr ftrahlendes Haupt, ihre Flitgel, weldje fie
begeiftert aufiwarts giehn, Deuter an, daf fie fic) ihres Zieles wohl
bewuft und wo die Wahrheit, pie fie und alle ihre Sehweftern
eifrig fuchen, gu finden iff. Gin Genius Halt iy die Facel und
	geeignet{te Stelle bafilr gu fein. Hier tritt aber dod) wohl der
Gedanfe einer untinftlerifden Taufchung fo fern als miglich. ene
golbe und farbenfchimmernden Upoftel des KI{ner Doms 3. 53. {Фе
бен Том durch ihren Standpuntt fede andre Wbfidt aus, alg bie,
bas Heiligthum in Rontraft und Harmonie mit feiner Urchiteftur
gu Тен. ene figurenreichen Wltarfdreine andrer gothifchen
Rirden nicht minder. Schon die Vergoldung, wie fie hier meiftens
angewendet worden, ift eit Element jener idealen Firbung, von dev
wir oben fpracen, — und oft von wunderbarer Wirhing. — Wie
peverfeits bei den Wachsfiguren, um doch auch von diefer Ungliid-
feligen gu fpredjen, liegt nach unferm Gefiihl bas Widerliche feined-
wegs in der Farbe alfein, wie man getshnlich annimmt. Gondern
змей und hauptfidhlich an demr Mtangel geiftiger Gelebung, pie
allein су ein Gebild gum Kunftwerk macht, demfelben Mtangel, der
auch bem (farblofen) Lidhtbilbe fo viel Unbheimlides geben fon,
in sweiter Rethe aber auch gum guten Theil in dem halbourchfchei-
nenden, gleidfam franthaften Wefen des Materials, das dent wirt-
Пен ЭН viel zu nahe, und dod) von feiner elaftifdjen бе
fo weit entfernt ift. ©8 giebt Зебенье, von denen man mit einer
Art Schauder fagen hirt, da¥ fie wie Wadhsbhilder ausfehen, was
nicht etwa blof die Farbe meint. Der Ploftit ift aber die Vextur
ihres Materials bei weitem wichtiger, я шой дебри и Wu-
оз бое G8 ift Hier vielleidt der Ort, einen etwas feltfam
flingenden Grund yu jener modernen Wbneigung gegen Poltychromie
naczutragen, namlic) die fchon frither erwahnte Unfdhaming, die bet
рег ЗОНЕ дах зы ausfelieBlid) an das Material von Paros und
Carrara denft. Aft denn aber, vow pen Meetallen abgefehen, das
Holz, ift der gebrannte Thon ein fo unwitrdiges Material, ‘bag
die Kunft fie nicht ebenfalls befeelen oiirfte? Und wenn wir jenes
fchimmernde Wei ungern von frembder Buthat getribt fehen, ift
denn damit aud) dtefes ungletcdh gedderte Braun, diefes bleide Gelb
und Biegelroth, fo fchin fte guweilen wirten finnen, ebenfalls ohne
Weiteres al& unberiihrbar hingeftellt? Es find nimlid) gerade die
Biden genannten Stoffe, die vorgugsweife glitdlid) ber farbigen
Seulptur bes Mtittelalters gedient haben, und fiir fie mbchten wiv
уе Эван der Polydyromie am Tiebfter fefigehalten wiffen.

Фен wir auf die Gefahe eines mitleidigen Lachetns Hier
nod eines andern Materials gedenfen, das recht eigentlid) gur
Polychromie, ja zur wirtlichen Verbindung von Plaftit und Ntaleret,
wenn auc in untergeordneter Sphare, erfunden fdeint? Wir mei-
nen das GBorzellan. Wobr ift’ s, die hihern Uufgaben dev Kunff,
nicht die menumentalen allein, fiegen feiner gerbredhlider, raunlicd)
befdriintten Gzifteng fern. Wher ift e8 denn nicht and) ein ме
rifher Beruf, gu fehmiteen und gi diene, fei e6 der Pracdht oder
fei 08 der Unnehmilichfeit ded Lebens? Wir wollen nidt undanfbar
fein: was den Alten dex gebrannte Chou ifrer vielbewunderten Ba-
fen, ja oft genug dag edle Erg war, ift ung mut einmal der Stoff,
pen deutfder Sleif dem fernen Often nacherfirnden, und haben
wir ihn nicht wie jene fiinftlerifd) geadelt, ifs unfre Saulo mehr
als die feine. Wir fiihven ihn aber hier nicht an, weil e8 unier
dem Glanze der Puderzeit gleichfam die jiingfte Blithe der Polh-
chromie getvagen, — wovon noch mand altes Haus, nicht blo des
иен, and) des Gdelmannes und Biirgers gierlichft anmuthige
Beweife aufzeigt — fonder befonders darum, weil uns fein blan-
¥e8 Weih ber Farbe nicht nur gu dulden, fonder auch gu forbern
fceint, fobald die Geftalt in feinen Kreis tritt. 8 ijt mm ие
mal nidt Dtarmor, ev will und foll e8 nicht fein. Wer, beilaufig
gefagt, das Rleine vom Reinlichen gu amterfdjeiden wei, wird oft in
Diefen zartgefirbten Duodez-Gattern und Genien, Schaferinnen und
Seladons jehumal weniger Puppenhaftigteit finden, als in феи
grofen Narmorwwerfen perfelben Zeit, deren gleifende Politur oft
geradezt dem (ungemalten) Porgellan nachgebildet fcheint.