Grilarung. Seremias, ein Greis von ftrengemt Character, mit bis
auf die Sechultern herabfallendem Haar, hat feinen Blick anf ein
offnes Buch gebheftet, welches ex in Handen Hilt. Wuf einem von
feinem rechten Эбли Herabhingenden Sprucbande lieft man: „О
vos omnes qui transitis per viam, attendite et videte si est
dolor sicut dolor meus.“ (Lament. Cap. 1. V. 12.) ©
alle, bie ihr Biefe Sivafe wandelt, gebt act und faut, ob wo ein
Schmerz gu finden, der meinent Schmerz gleicht. Diefe Worte find
bier auf das Leiden Chrifti angewendet. Bachavias, vom hobhen
Uiter gebiict, den Kopf nachvenflid) gefenft, itber einer Rapuge mit
einer Miike befleibet, in dev Linfen ein Tintenfak, bat foeben mit
ber Febder.folgende Worte auf vas Spruchband gefcirieben: ,Appen-
derunt mercedem meam triginta argenteos.“ (Cap. 11. V. 12.)
Sie wogen dar meinen Raufpreis, oreifig Silberlinge. Daniel,
eine Lebhaft bewegte, gegen feinen Nachbar, Sefains, gewendete Ge-
ftalt, mit dem Ausdrud des Sprechens in feinen Ziigen von ente
fchieden jiidifcem Character, Deutet mit dent Beigefinger ber Meche
ten auf die Worte des Spruchbandes in feiner Vinfen: ,,Post
hebdomades sexaginta duas occidetur Christus,“ (Cap. 9. V. 26).
Und nah 62 Wochen wird Chriftus getddtet werden. Befaias, von
fehry ernftem WUusdrucd, mit fablem, unbedecttem Ropf und langem
Bart, wendet fich, wie gubirend, gegen Daniel. Gr Halt unter dem
linfen Urm ein Buch, in der Mechten ein Sprucband mit folgen-
den Worten: ,,Sicut ovis ad occisionem, et quasi agnus eorum
tondente se obmuteseet ef non aperiet os suum.“ (Сар. 58.
У. 1.) Wie ein Lamm, das gur Sdladthank gefiihrt wird, und
wie ein Sdhaf, da8 verftummet vor feinem Scherer, und den Dtund
nicht aufthut.*) Die Ripfe diefer Statuen haben nun einen durd)-
aus portrattartigen, mehreve insbefondere einen ent{chieden nieder-
lanbdifcjen Character, und derjelbe portraitartige Character ift aud
in allen fonftigen Theilen, namentlich in den fehy individualifirten,
und bis in die fleinften Cingelheiten ausgefiihrten OHinden, in den
Gewindern yon weichen, aber breiten, und das Hofartige aus-
driidenbden Falten, endlich in allem “Beiwerf, 3. B. den Biichern,
mit einer feltenen Meifterfchaft burdhgefiihrt. Der realiftifdhe Cine
drucdk muff aber durch die urfpriingliche, durchgingige Bentalung des
Steins mit den verfdhiedenften Farben noch ungleidh ftdrfer gewefen,
al8 jebt, wo fic) nur wenige Ueberrefte jener Farben erhalten haben.
An den Capittlen von fedhs SGaulen, welche diefe Statuen trennen,
befinden fic) eben fo viele Engel, deren ausgebreitete Fliigel fic in
fiveng architectonifder Weife Treujen. Sie fprechen gleich fehr dure
bie edlen SZiige, wie durch) den Ausdrud tiefer Trauer an. Sener,
im Gingelnen nachgeriefenen [ymbolifchen Beziehungen entfprad
aud) Der Gedanfe, diefes ganze Denfmal in einem Brunnen gu 612
vichien. Wie ndmlic) der letbliche Ourft taglic) aus jenem Brunnen
geftillt wurde, fo follte diefes mit dem geiftigen Durft durch ber
UAnblié des gefreuzigten Heilandes, al dem Brunnen des Lebens
gefchehen. Diefes Foftbare DOenfmal wird ourch eine bereits 1638
erbaute, von Caulen getragene und febr wohl heleuchtete Ruppel
gegen die Unbilden der Witterung gefchiigt.

Augerdem fommt das vormalige Portal der Rirde, jest der
eingige iibrige Theil derfelben, in Betvadht. Cs bildet nun die Rie
wand eines einfacjen, davor ausgefiihrten Raums. Зи der Mitte
de8 Portals befindet fic) auf einem Kragftein die Statue der Maria
mit dem Kinde. Der Umftand, daw fie, obgleich eitte gute, fleifige
Urbeit, wefentlid) in den gewdhnlicen Formen gothifcher Sculpturen
de8 14. Jahrhunderts gehalten ift, АВЕ Hrn. von Saint-Menin den
fehy vichtigen Schlug machen, dak fie gwar unter der Uufficht, aber
nicht von der Hand von Claes Sluter ansgefiihrt worden. Bur
	*) BWiewohl 51ее Зенит офех инифех зе find, haber fle dod
nad) ben Ueberreften nit villiger Sicherheit feftgeftelt werden ESuner.
	Kunfiform dafiix, bag pas Bild erft etwa ши 1500 ausgefithrt
tworden ift.

YW. Ditrer. Das todte Haupt Johannes deS Tartfers von
fleinen Engelden umgeben und beweint (Nr. 218). Gin fehr fiei-
figes, in den Kipfchen gefiihltes Bild eines niederlandifden Meifters,
etiva bon 1520 bis 1530 gemalt.

Soadhim Uptewael. Эх diefen bin ich geneigt, das Bildnif
einer Dame ntit den Attributen der Venus yu halten (Mtr. 240),
deffen Benennung, San vant Hemeffen, mit Recht im Catalog felbft
begweifelt wird. €8 findet fich hier mindeftens die Art der Farbung
und ber Berfdmelzung jenes Meifters.

Das fogenannte Bildnif Carls des Riihnen (My. 385), ein
еше fpates und mtittelmaBiges Machwerk, erwibne ic) hier пит,
unt gu bemerfen, ba dajfelbe mit den wahren Biigen diefes Herrn
noch Ddeffeit gleichgeitigen Portratten, deren ficherftes die von ihm их
Githne wegen fener Graufamfeit gegen die Liltticher in die dovtige
Gathedrale geftiftete, und noc) in dem Schak derfelben aufbewahrie,
filberne Statuette fein diirfte, anc) nicht die geringfte Webhnlichfeit
hat. Und doch habe ich verfdhiedene Wiederholungen diefes Bildes
immer mit devfelben irrigen Benennung angetroffen.

Philippe de Champaigne Die DOarftellung Chrifti im
Tempel. Cin fleipiges Bild aus feiner fpateren, minder guten
Beit.

Sacques vou Artois. Anfiddt in dem Walbe von Soig-
nied im Hennegar (Nr. 201). Auf einemt Wege Biiger, links
eine Gernjicht. Cin grofed, poetifces und fleifiges Bild des
Meifters.
	Denfmaler Der зотшаПаен Яат анте.
	Diefe Denkmaler befinden fic) jebt im dem BegivE einer Wu-
ftalt fiir Geiftestrante, wogu der Plag der Karthauje benugt wor-
den ift.

Bei weitem das Bedeutendfte ift ver fogenannte, in dem Gar-
ten jener Anftalt gelegene, Brunnen des Mtofes (Puits de Moise).
Im Bahr 1396 lieB der Herzog Philipp dev Riihne durch denfelber
Claes Sluter auf einem miachtigen Pfeifer, ber in der Mitte
eines Brunnens von etwa 22 Fuh im Ourchmeffer, welcher fich im
Centrum des Kreugzganges befand, emporftieg, viefes Oenfmal aus-
fithren, weldched, fowohl als Beifpiel der Hohen WAusbhilung der
niederlindifden Gculptur in der vealiftijden Michinng auch bei
fireng fivehlicjen Wnfgaben, als dev finnreichen religisjfen Gymbolit
pes Nlittelalters won der grépten Bedeutung ift. Ueber dem Pie-
Deftal dtefes Pfeilers erhob fich urfpritnglich ein Hohes Crucifir, an
veffen Supe fich Maria und andere heilige Frauen befanden. Wile
viefe Statuen find leider in der Revolution gerftdrt worden. Als
VBorlaiufer und Trager des nenen Bundes, als Vertlindiger des
VGerfshrungstodes Chriftt, Hat nun aber der Kitnftler ОБСЕ finnveidh
an dent fechsfeitigen Piedeftal folgende, gliclicherweife noch erhal-
tene, rveichlid) Iebensgrofe Statuen ansgefiihrt. Dtofes, welder dem
Dental feinen heutigen Nomen gegebe, eine fehr fraftige, auf-
warts blidende Geftalt, mit Gefichisziigen von fehr entfchiedenem
Character und michtigem, gefpaltenem Bart, welder bis auf den
@iirtel herabreidt. Зи der Redhten Halt ex dte Gefewtafel, in dev
Linken ein Spruchband mit den Worten: Immolabit agnum mul-
titudo filiorum Israel ad vesperam (Exod, ©. 12. V. 6.) ». §.
pas Bolk der Kinder Israel wird um odie Wbendzeit ein Lamm
opfern. Diefe Worte werden Hier als prophetifeh auf den Opfertod
Ghrifti begogen. Der Konig David von fdjlanferer Geftalt, und
det Wusprud der Wiirde und Milde, neben ihm eine Harfe. Wuf
einem Gprudband in feiner Ginken die Worte: F,Foderunt manus
meas et pedes meos.“ Pi. 21. V. 17., р. В. Gie werden meine
Hinde und Fike durchbohren. Die Beziehung bedarf Hier feiner