G8 frigt fic) namlich: iff die Glace bes Reliefs nur eine tragende
Wand ober gehirt fie mit gur fiinfilerifden Darftellung wie die
Glace ves Gemildes? Bch miehte diefe Frage nicht gu та Ве
antworten, wm nicht durch eine voreifige Theorie mit bedentenden
Kunfterfheinungen in Widerfpruch zu Фонииеи; vod) will id) gefte-
het, dag mix die evfte Wnficht die vichtigere fcheint. Damit fteht
aber nicht nur bas neuere Relief, fondern oft auch das antife im
Gegenfag. Auch dies zeigt oft einen architeftonifden und landfdjaft-
liken Hintergrund; Luft und Waffer wird angedeutet, fliegende und
fallende Rirper werden ohne Bedenlen nachgebildet. Die altchrift-
like, romanifche, germanifcde und moderne Blaftif hat in der Form
bes ,,malerifdhen” Reliefs folde Meifterwerke gefchaffen, wie felbft
vie Gegner ftaunend gugeben, dak eine einfichtsvolle WUefthetit Flug
thut, fich das Brotofol offen gu behalten, wm nidt ein Mal jtiiv-
mifch gu einer Revifion ihrer Anfichten — ver Schulafthetif robe
died — gegtpungen зи werden. Gie mag atoar wiinfchen, dak die
Яйийе ftveng in ihren Grengen bleiben; aber will fie, wenn eine
Beit ober ein Riinfiler gerade in einer Mtifchung gweier Formen die
Gorm findet, in der fie орех ег ош ЭК gu leiften vermag, fol-
chen Erfcheinungen gegeniiber in VBerlegenheit gerathen, nicht wiffend,
ob fie das regelwidrige Werk verdammen oder an ihren ftarren Lehr-
fagen Gndern foll? Man nennt das malevifche Relief ein Zwitter-
wefert. Weldhe Mieifterwerfe — Dante’s gittliche Nomsdie, Sahil-
lev’3 Tell, Githe’s Fauft — find auf Abnlidem, fiir den Stiimper
freilich gefihrlichen Gebiete fdwanfender Runftformen gefcaffen
worden. Quod non licet bovi, licet Jovi! Das Chriftenthum *)
hat bas Relief bevorzugt, der neue Geift in dicfem feinen Ansdrud
gefunden. Sollen wir, angenommen, das Relief wire wirflid) nicht
КОПИ, um eines ehrfakes willen, unfere felbftandige Richtung
unterdritden und uns gu fremben Formen swingen? Was Wunsorud
unfers Tiefften, b. b. ves Он in uns wird, ift fein. Die
Art ber Form ift Dann Nebenface. Uebrigens wird jeder Gewinn,
auch in ber Runft, mit einent Verlufte erfauft. Oas Chriftenthum
brachte einen neuen, grogen Snbalt; twas hatte e8 anf ПФ, wenn
bie alten Gcliuche viffen? Wuch im Ringen der Gegenwart dufert
fic) nicht Willfir, fondern ein weltgefchichtlicher Geift, verfelbe,
ber das qviediifche Soeal gefchaffen hat.

So weit unfere Debaite. Bch fechlug das Relief vor dem
Gemiilde vor, weil e8 mit der Natur zu einem Gangen verwidft,
unter Gottes freiem Himmel unter die Hut des ganzen Bolkes ge-
ftellt tft, dem nach hiftorifer Geftaltung ringenden Beitgeifte ent-
fprechend unferem Dentmalwefen eine neue Riditung веб, шей es
endlich die der Schweiz eigenthiimliche, daber nationale Denfmal-
form werden fSnnte. Dak eS einen Meifter wolle, geftaud ich;
Stitmper und Wefthetifer der bleicen Fureht werden vor ihm gittern.

Die geqnerifche Seite wufte nichts gu erwidern, fonder gab
jentes Biichlein heraus; al ob ein ASrvthum, giveimal gebructt, eine
Wahrheit wiirde! Bch mies die Wrt diefes Miachwerfes nach und
bemerfte, ров die Bertheidiger des Meliefs bem Cntfdeide, wie er
aud) foller mag, mit dem Bewuptfein entgegenfehen fdnnen, der
Schweiz ein epochemadendes Werk verjdafft haben zu wollen. Zum
Belege diente noch eine Briefftelle des Hrn. Prof. Dr. Springer:
,Gte haben fiir Sebermann, der ein gefundes Wuge und einen wn-
	*) Die Maleret ift eben die Kunft des Chriftenthums, wie die Plaftif ме
beS Witerthums. Carriere (,,Meligivjfe Meben eines deutidhen Philofophen”)
fagt: ,, Die antifen Gemalde find antifen Meliefs gu vergleichen in bem Beftres
ben, bie runde volle Geftalt Har und ebenmifig und alle Geftalten in einfader
Gerbindung, in gletdhem Ldht hervortreten gu laffens bie chriftliche Plaftif fithrt
burd den Gemilthsausdrud, durd) bie Gehnfudjt ber Seele und die Beziehung
3 Anderen ihre Bilberwerke herans ans bert Genitgen ber eigenen Welt, aus
bem Berufet auf fic) felbft, aus em Gleidhgemidt pes Leibes uh des Geiftes
und wagt im Relief bie ,perfpeltivifm@e Gruppirung.”
	mit fihnem Getjte und mit edtem Sinne fiir dite Gdsnbheit einer
Gorm ertweitert, eine nene Bahn einfdhlagt — und dort ein enge
Hergiger Kunfttheoretifer, der vor jeder Meueruny gittert, weil er fonft
das fleine Wtabitiblein feines Urtheils verliert, — ich werbde mid
Feinen Wugenblic bejinnen, mit wem ich gehe: mit dem Kiinftler.
Der Streit erledigt fidy am eheften, wenn wir anf den Grund der
Brage gehen: ,, Was ift und will bas Melief?” Beh gebe das Fol-
gende nicht ohne reifliches Erinagen, aber trogdent nur unmafgeblid
und mit- augdritdlicem Borbehalte befferer Erfeuninif und Be-
Tebrung. м

Das Rundbild ift ohne Zweifel mehr auf die Darftellung von
Buftinden al Handlungen angewiefen; an den Sdhwerpuntt gebun-
ben, finbet 8 in ihn feine Grenge. Die Geftalt in einem Mugen-
blide der Ruhe fann umgangent vow allen Seiten fohsn fein; das
Gleidhe findet nicht immer bei der Darftellung einer Handlung ftatt.
Diefe fordert einen beftimmten Standpuntt des Befehaucrs; daher
В [фот die freie Gruppe gern in eine Nifdhe, gleichfaim in den
Roahinen eines Theaters. Wir ftehen hier beim Uebergange des
Rundbildes in bas Wandbild oder Nelief. Dak erfteres en
fieigenden Boden fcwer veranfcbaulicen finnte und bei groperen
Gruppirungen зи unerfehwingliden Roften fiihrte, dak e8 Haflich
ще, bie perfpeltivifd verfleinerten Figuren beint Umgehen einer
Gruppe im Hintergrunde angutreffen, fei nebenbei bemerft. Das
Runvbild ift vie bevorgugte Darfiellung oer vollen menfdlicen Ge-
fralt of8 folder, ohne das Bauberfpiel bes Vichtes und der Farbe
und auf etnent finfilichen bauartigen Boden.

Las Relief ift nun die guv DOarftellung ber Gruppe als fol
cher berufene Runftform. G8 will nicht umgangent, fondern ans ei
nem bom RMinftler vorgefehriebenen Gefichtspuntte betracstet werden.
Su dent Wnsnahinsfalle, oak eine eingelne Geftalt in einer gewiffer
Siellung nur von Ciner Sette betvachtet (hin ift, ober diefe Stel-
Tung ein fitr die freiftchende Statue gu Ни Spiel mit dem Ge-
феве de8 Gleichgewidhts erbheifdte, bildet bas Relief wohl auch eine
einjelne Geftalt. Um feines Vorzuges willen, Darftellung der Gruppe
gu fein, verjictet e8 реш Rundbilbe gegeniiber auf die Schbuheit
per vollen Geftalt, der Malerei gegentiber auf Licht, Farbe und uft-
зерне. Bon der Linienperfpeftive pagegen fann der tattvolle
Kiinftler einen wobhlberechueten und dann aud wobhlberedtigten Ge-
brauc machen. *) Das Relief gewinnt nicht nur an Breite, wie
Vifcher ment, fondern auch an Viefe; jene wie diefe ift bedingt:
jene Durch die Cinheit der Rompofition, diefe burch ein weifes Miah
des Riinftlers. Nad Boll und Linie (aft fich dieje Tiefe nidt bee
ftimmen, wohl aber liegt thr rechtes Mak fcon in den durd) ben
Stoff gegebenen Grenjen einer jeden richtig gewahlten Gruppe, зи
deren Haupterforderniffen lLeidhte Ueberfdhaubarfeit und Gammiung
des Ganjzen um einen Meittelpuntt gehiren. Go weit fann das
Relief gehen, ohne im Mindefien mit Recht eines Hiniibergreifens
in das Reich der Mealeret angeflagt werden gu finnen. Dies tvitt
jedenfalls erft dann ein, wenn mehr als Cine Erhebungsflache, mit-
hin eine Ziefe, in der die Luftperfpettive bereits von entfdetdender
Wirkung ift, angewendet und ein Hintergrund dargeftellt wird.
	- *) Sch exinnere an Carviere’s jingfte Aeugerungen (,, Briefe iiber die ВИ:
bende Kunft’) im Movgenblatte. ,Wenn cine Gruppe in bewegter Kompofition
einen Dramatifden Moment veranfdaulidht, unb im biefer eine Sauptfiguy
energifch herbortritt und in ber Mitte bes Gangen fic) in der Vorderanfict bie-
tet, wihrend ihr enigegenwirfende oder nadfolgende Figuren im Profil dafteber,
jo wiirde id) jener eine etwas ftirtere Ausladung geftatten, und e8 founten dann
in fommetrifdjer Weife aud mehrere Profile fo nebeneinanderftehen, dak von dem
exflen gang entfalteten die folgenden gur Halfte gebedtt wilrden ии flader ge
Hatten wren.” Der Wefthetifer fceint hier an ein Winkelvied-Meltef gedacht au
haben und heruft fic) ben Runftphiliftern gegeniiber gerade auf bie Grieden und
ben Wiederernenerer des reinen Relielsityis, Thorwaldien.