ferner fagen, dap, fo trefflich die Gruppen gufantmencomponirt find,
fich die Gingelnen nicht genug von einander ablifen, eher gufammen-
fleben; alfein man muf geftehn, dag man dergleiden Dinge, derglet
chen al8 gerade ourchgelaffenen Sinfe, aud) oft in den Werken der
alten Meifter antriffi, die wir bewundern, und fie find nicht int
Stande, die Unerfernung wejentlich gu fdmadlern, welche wir dent
Geifte des Mitnftlers und feiner darftellenden Fertigfeit gu зобеи
haben.

Aber nod viel mehr haben wir Bravour bes Diachwerks gu
bewundern an 3. © Comte’s Bild: , Karl IX . Der Rinfiler
hat biefen brutalen, faltfdfauen und leidenfehafilicben Siriten in dem
Argenblié dargeftellt, wo er in Gegenwart der Herzdqge von Anjou
und Nevers, pes Chancelier Viragin, Wlhert de Gondy, von feiner
unnatiirlichen Mutter iibervedet wird, feine Cinwilligung zur Parifer
Bluthochzeit zu geben. Katharina von Medici hatte {оп die Nacht
gubor mit ihrem Anhange die Vertilgung dev proteftantifden Haup-
ter befchloffen; e& feblte nur nod) die Zuftimmung des haltlofen und
heftigen fWniglicken Gohnes, ber fo eben noc) gefchworen hatte, die
Verwundung Coligny’s aus den Fenfteru bes @ ое von Seiten
eines Wteuchelmirders der Guifen auf’s Furehtbarfte gu vachen. Oa
figt ex nun wanfelmithig und brittend, bas eine Bein von fich geftredt,
anf dad andere den rechten Эбли ftiigend, wahrend der Linke eben fo lei-
denfchaftlich und heftig von ben Handen der Katharina gepadt wird, wie
ihr Wort die Seele des fohwantenden Gohnes zu umfiriden bemibt
ift, um ify das fivehterlide Wort gu entringen: , Gut, dann follen
fie aber Wile fterben, damit Retner iibrig bleibe, der uns anflagen
und beunrubigen finne!  Das Bild feffelt gunichft durch die Mei-
fterhaftigteit ber Technif. Die Scene geht in einem mit gewirtter
Teppidhen ansgefdhlagenem Gemache bes Kinigs vor. Cin offenftee
hendes Fenfter, weldjes die [dpweren fetdenen Borhange guviicddrangt,
Lat auf den Gommertag drougen und in der Ferne anf etaen ehriviirdigen
Thurm blicen, vielleicht derfelbe, deffen Glocken purd) die Verfiindigung
der Blutfenteng entweiht werden follen, welche man eben gu erwirfen fudht.
Has hereinftrdmende Tageslicht ift in feiner Wirfung anf die Ge-
genftinde im Zimmer mit einer fo feinen Berechnung behandelt, dak
man fagen michte, e8 ift dev Gehalt und die Tragweite eines jeder
Atoms erwogert. Wie eS in ber Genfiernifche und anf dem dort
befindlichen Pliifdhfeffel Viegt, wie e& die Umvriffe des am Fenfter gue
nic{t ftehenden Cavaliers ftreift, wie с8 liber die Marmorfliefer
gleitet, im den Ornamenten der gefdnikten Siuhllehne der Firftin
fpielt, auf den rothen Cardinalrod fallt und fic) in die dunflerert
Gartien dev Zimmertiefe verliert, ift eben fo frappant zur Erfdeinung
gebradht, als dte Gegenftiinde, die Stoffe der Reider, die Gobelins,
bie Plifaftiihle u. f. w. durch Naturwahrheit ibervafden. Die
brennenden, fehreienden Farben, dem damtaligen Koftitm eigen, find
mit Rihuheit nidt vermieden, aber mit Gefchicd gur Harmonie des
Ganzen gefiihrt, die ganze Lofalitit hat eine begaubernde perfpecti-
wife Tiefe und alle Luft, die fie faffen fann, ift richtig oom dem
Maler mit hinein gemalt. Wir Lunen uns lebhaft vorftellen, wie
die Riinftler vor diefemt tvefflid) ausgefiihrter ии in diefer Begie-
Hung gewif Lehrreicjen Bilde gern verweilen, milffen aber dod) gee
ftehen, dag wir flir dem geiftigen Inhalt deffelben exft von der teche
nifden Seite, erft gdgernd und doch micht gang getonnen werden
инет. G8 ift allerdings ше geringe Wufgabe, uns durch der
WAnsdru€ weniger Kopfe, das gamze Grauen und Entfegen mitguthet-
fen, welded dicfer folgenfchwere Moment in der Borftellung eine
FBBt. Selbft bet dev gtidlichften Lsfung piefes Vorinurfs wiirde
man, fo glauben wir, dem Muge durch die innere Vergegenwartiguag
per ganze Sadlage gu Hiilfe fommen miiffen, um gu fehen und gu
empfinden, роб 08 fid) hier um da8 Leber vieler Tanfende handelt,
‘welche ber Hevrfhfucht einer Sra geopfert werden follen. Wie gut
‘pie Haltung und der Geftus viefer Grau aud erfaft Ш, Пе
	Die akademifhe Kunftaustellung in Berlin.
	зи der Ueberfdau dev Ritnfiler, die wir in ber фойдей Уиие
mer gegeben haben, gruppirten wir fie nach den Sdulen und
wollen auch diefe Sintheilung bet der niheren Befprechung feft-
alten.

Auf die Gefahy hin fiiv unpatriotifeh gehalten gu werden, be-
ginnen wir mit den wenigen einjelnen Auslindern, unter denen wir
jedoch aud) Landsleute antreffen. Go haben wir gleid) Rudolph
Henneberg зи jenen gerechnet, weil diefer Minftler, anfangs mit
wiffenfchaftlichen Studien befchiftigt, erft fpater das Wtalgerath zur
Hand genommen und fic) dann fogleic) nach Paris begeben hat.
Wir hegegnen auch in feinem Debiit: ,,dte wilde Sagd,  nad Biir-
gers Ballade: ,,der wilde Qager,  allen WAnjeichen eines eifrigen
Studiums, fowohl der alten Meeifter, namentlic) der Venetianer, als
aud Anklainge aus ver Sdhule der Menern, wie Delacroiy, Couture
u. f. w., aber e8 find auch nur Schulanflinge, feine geiftlofen Nach-
abhmungen, und fie begiehn fich nur auf die tedhnifche Ourchfithrung, nicht
auf die Conception und Compofition, welde burcaus auf eignen
Beinen fteht und einen Zug und ein Feuer entwicelt, weldes
unwillfihrlid) mit fortreift. Зи Biirgers Ballade Heit с8 be-
fanntlich:

 

Das Wild duct fis in’s Aehrenfeld,
Und hojfft da fidern Wufenthalt.
Sieh dal ein armer Landmann ftellt
Sigh dar in flaglider Geftalt.
»Srbarmen, lieber Herr, Erbarmen!
BVerfdhont den fauren Sdweif des Wrinen! ”
Dann fommen die Ermahnungen des weiken Ritters zur Rech-

ten; ev aber [apt fic) vom Зи: umgarnen und fcbwang
Sich iibern Hagen rafd voran,
Und hinterher bet Knoll und Klang,
Der. Trof mit Hund und Rof und Mann;
Und Hund und Dtann und Roh zerftampfte
Die Halmen, daff der Ader damrpfte.

Der Kinjtler hat fic den Stoff nun nicht von der Hand des
Dichters geben laffen, ja er ift iberhaupt auf den eigentliden In-
halt der Sage nicht eingegangen. Der Snhalt ded Bilbes befehrintt
fic auf die Darftellung der ungeskhmien, diabolifden Qagdwuth.
Buf einer friegartig (anglicyen Tafel branf’t auf wilben Pferden ein
noch wilberes Sagdgeleit von Ntannern und Frauen, in mittelalterlider
Tradht, von Creibern und Hunden daher. BWoran zur Linken des
Wildgrafen ein mephiftophelifder Meiter, der in’ Horn fiwGt und
eine rothe Hahnenfeder iraat, hinterher der wilde Trupp, dte Heb-
уе фен Фиша. Gin Greis mit feiner Genfe ift unter das
Pferd des Grafen geftiirzt. Halh wie gum Sduge, halb Erbarmen
flehend, beugt fic) mit audsgeftrediten Wrmen fetne Sochter ber ihn.
Ueber Den Hag iff dev Hirvfeh in’s reifende Kornfeld gefprungen, in
febr richtig evfafter Bewegung fest ihm fdon ein Hund durd den
olivftigen Заии nach und der ganze Trof wird im ndehften Augen-
БИ daffelbe thin. Die rafcheften Reiter find fcbon Darin. G8 ift
in dér ganzen Entfaltung des Buged etwas Furibundes, als wenn
wirklich fchon die Holle Losgelaffen wire. Bom weifen Ritter iff
nichts su jet, aus ben roher und бен Gefichtern ТафЕ еше Не
fernalifdhe Zerftirungsgier, felbft aus det blanen Augen eines blon-
den robufien Franenzimmers.  Gedimpft wird ме freilich etwas
paburch, dak Biele dex Gefellfchaft fich gu dem 2ufchauer wenden,
wie unt fich gu zeigen, funftveiterhaft, welder theatralifce Bug auch
einem neben feine Bferde Laufenden Rnappen beitwohnt, ber die Beine
weiter auswirft, al8 e8 im rafden Laufe miglich ift, wodurd) feine
Halt fich mindert. Die Gewalt, mit der die Sago, faft geifterhaft,
obwohl mit aller Mealitat, dahinfauft, hat aud) dent Maler eine na-
durgemage Anorduung ves Terrains ganz vergeffe Laffer; man ах