Hr. Dr. Eardt (uns fehr willfommener Weife) felber ausfpridt. Gewip,
aber das ift ja eben der Grund, warum man in der Regel fiir grofe
und Менее, mit einemt andern Wort monumentale Aufgaben dad
RMundbild vorgezogen hat, — unb wohl auch flinftig vorziehen wird.
Wir wollen den Streit nicht wieder aufnehinen, ob man (nit den
Tempel, fondern) Giebelgruppen monumental nennen diirfe: e8 fommt
gitlest anf eine verfdbledene Definition diefes Fremdworts hinaus;
aber bdiirfen wir Oru. Dr. Ecardt, der fo viel Gchanes iiber den grie-
chifden Giebel gu fagen gewnft, befcheidentlid) fragen, ob nicht aud)
fiir biefen Bwed die Gricchen bei grofen Dimenfionen das Mund-
bild vorgezogen haben? Gr fdeint da fo gang ausfdlieflic von Reliefs
qu fprechen; wir haben bisher die berithmteften Beifpiele ner Gattung,
$. &. die fogenannten Aegineten und des Phidias Gruppen vont
‘Parthenon fiir Rundbilder gehalten.

Gewik, vas Relief ift wefentlic fir einen beftinunten Gtand-
puntt 3 berechnen. Gon diefem aus foun feine relative Perfpeftive
ridtig, fonnen feine etwaigen Verklirzungen vem Aug: verftandlich
und woblthuend fein. Le grifer aber der Slacheninhalt eines Kunft-
werks (und jededs Gegenftandes), defto grifer wird die Entfernung
nicht nur, aus ber man ed befdanen fann, fomdern aud) die Mane
nigfaltigkeit ber Standpuntte. Sind mun die Maake eines plaftifden
Werkes fo grok, dah ein Bore oder Zuriidz, fo wie ein Seitwarts-
treten erheblide (perfpeftivifde) Gerfchiebungen der innern Verbalt-
niffe hervorbringt, fo miiffen diefe Verhaltniffe wenigftens fo einfach)
alg miglid) fein. Widrigenfalls wird fir Seden, dev fich micht im
Uugenpunk und gleichzeitig in einer beftimmten Cntfermung befindet,
bas Gange zum mehr oder weniger unverftindlichhem SGeftalteniniuel
werden. Das Eritere ift aber fiir cin Werf, das sffentlich, bas alfo
miglihft Vielen zuv Schau fein foll, eine febr miflice Forbderung.

Hiergu fommt nun nod ein Fattor, den Hr. Dr. Edardt vollftin-
pig aufer Betradht gelaffen hat *), die Beleudtung namlid) (oder
beffer gefagt: bie Bertheiling von Licht und Sdhatten, die ein pla-
ftifches Runftwerk befanntlich ansfehlieGlich von aufen her gu empfane
gen hat). G8 ift einer der fchwierigfter PBuntte fir den Bildhaner,
ihren Weehfel fitr dic Wufftelfung feined Werkes einigermafen yu be-
rechnen, Tiefen und Héihen, Sehlagfchatten und Meflere grecunigig
gegeneinander abguwagen. Weniger fcywierig, als e8 vielleicht [deint,
flix bas имо; venn ift cin Kopf, eine Geftalt regelrecht und
naturgemap gebilbet, fo werden fie fich zulekt, wie die Natur felbft,
in verfchicdener Beleuchtung gwar mehr oder weniger fdsn, aber
wenigitens immer verftdndlid) und ridjtig darftellen. Se mebr
aber ba8 Relief fic) vem Malerifden nadhert, defto wejentlicer
werden Licht und Schatten mitfprechen, defto grifere Verdnderung
in feinent Anblid werden wedfelude Beleuchtungen hervorbringen.
‘Und je gréfer und hervortretender feine Partien werden, deffo wid).
tiger werden gleichzeitig deren Schatten und Reflexe.

Mit Cinem Wort: wird fiir eine qroge, ja foloffale Aufgabe
ftatt des Rundbildes Dennoch das Relief gewahit, fo muG c8 wie
alles Grofe, wenitgftens ber Plaftit, cinfad fein. Das Ш der
Vbwe von Liyern, und daran dachte ohne Bweifel Ludwig Kaifer
pot Bug (GS. 314), als er nidt die That, fondern ben fterben-
pen Winkelried allein in die Felfer von Stangftadt eingehaner
wiinfdjte. Das fogenannte mittelalterlide Relief ift uu aber eine
mal nicht einfach, fein Charafter ift mefentlid) dad Reide, Com-
plicirte, was wit wobl nicht weiter gu beweifen braudjen, und eignet
fich fon darum nicht fity grifere Dimenfionen. Micht wir find 8
gewefen, dic bas Schlagwort ,, Bwitterwefen” in die Debatte ein-
gefiihrt, und nod) weniger michten wir, wie gefagt, die damit be-
seichnete Richtung fejledhthin von dev Kunft verworfen wiffer.

 
	*) Wenigftens verftehen wir ihm nicht gang, wenn ev ,DaB Sauberiprel ves
91048“, ja weiterhin das Lidht felbft von ber Plaftit ansgufdlieBen fdjeint,
	Go midjte denn als тех чийце ‘Bunt, wo wir nicht um ein
Mehr oder Weniger, foudern pringipiell mit Hrn. Dr. Edardt differiren,
pas fogenaunte mittelalterliche Relief oder vielmehr deffen Wn-
menbdbarfeit auf den vorliegenden Stoff iibrig bleiben. Das
theoretifde Suterveffe rechtfertigt uns vielleicht, wenn wir diefe Frage
10% einmal anfnehinen, obwohl injwifden das Preisgeridt fie Та
tify entfehiedent hat. Borber aber miiffen wir nod) cin Fleines Mtip-
verftindnif aus dem Wege raumen, das im Gifer ded Gefedhts un-
ferm verehrten Widerpart begeguet 11.

Wir Hobe имийф feine Gylbe gegen pas FelSrelief im
WUligemeinen, gefchweige denn gegen Den Luzerner Lowen und feinen
grofen Mteifter im Befondern gefagt. Wnbdererfeits haben mir auch
тем imittelalterlichen oder vielmehy malerifeyen Relief gang ausdriict-
lid (SG. 252 unten) fein hiftorvifdes und afthetifdyes Recht fir ge-
wiffe Brwede gewahrt. Aber eben dies malerifde Relief mit
feinem Sigurenreichthum und feiner Linearperfpeltive febien мир   фе
uns noch weber fiy bie Felswand, noch fiir die von ihr geferderten
Dimenfionen paffend, — was wir denn vielleidht etwas zu — рен
(im ithertvagenen Ginne de Wortes) auspriidten. Der geehrte
Gegner wird baher feinen Stolz, , mit Thorwaldfen fo folofjal gu
irren (©. 332) wohl aufgeben und fich eventuell mit feinen itbri-
gen Autorititen begniigen miiffen*). Hier aber, fiirdhten wir, hat
ev einmal ganz allein geirrt.

Hr. Dr. Edardt Hat in feinen neulidhen Betrachtungen man-
herlei Shines und Wahres ither das Relief im Wllgemeinen аи
gefithrt, was wir beveittwilligft unterfchreiben. tur fei e8 uns ge-
ftattet, etwas abweichende SdhluGfolgerungen paraus gu giehen. Wenn
man, obwohl mit einigem Widerftreben, jugiebt, dak die Darftellung
eines Hintergrundes ein Uebergriff ins Reid) ver Dealerei, vie Flidhe
des Reliefs nur , cine tragende Wand  fei (S. 333 oben), fo hat
man und fiir das Pringip fdon fo viel eingeraumt, al8 wir ivgend
perlangen. Dagegen miifjen wir усе einlegen gegen vie Behaup-
tungeit, die (ebendafelbjt) fowohl die Hand{ung, als die Gruppe
pom Rundbiloe mehr oder weniger ausgufdliefen, und bem Relief
affein gu vinbdiciven fobeinen. Lacfoon und der farnefifde Stier find
unfered Wiffens ftets gu den erfter Meeifterwerfen ber Plaftif ge-
gxHlt worden, und hoffentlich hinlanaglice Beifpiele non Beidem, von
Handlung und Gruppe. Daf eine Handlung ,,cinen beftimmten
Standpuntt des Befchauers fordere” ijt ung ebenfalls Чи жет ЗИ
gemeinheit etwas gang Mewes: e8 diirfte decd) wohl moch auf die
Art ver Handlung anfommen. Oak eS aber endlich ,,haplic) ware,
die perfpeftivifd) verfleinerten Figuren beim Umgehen einer Gruppe
пи Hintergrunde (?) anguireffen,  ift gwar ganz unbeftreitbar, fann
aber doch, mit fchuldiger WAdhtung gu fagen, Hrn. Dr. Edarbt nur aus
Nebereilung entfallen fein. Wer in aller Welt hat penn chon bei
einer plaftifcben Gruppe die (relativ) weiter zuriidtvetenden Siquren
per Perfpeftive wegen Eleiner gebilbet, oder wo ware die Noth-
wendigheit baju? Ote Antiope ver farnefifchen Gruppe mag fiir
uns anttporten.

Das Relief allerdings ,, will nicht umgangen, fondern aus ei-
nett vom Ritnftler vorgefdriebenen Standpuntte betrachtet fein,” wie
	(S. 314 in der Unmerfung). Э Шей Ielpelt vor dem Helder von Sempad, aber
fo ifolixt ftehen bod, Gottlob, Beifpiele heroifder Selbftaufopferung in der Ge-
fdhidte nist, wenn aud) die Nebenumfhinde fic) nidjt wiebderholen. Man fann
gulest bod) nidjta Hsheres einfegen, al8 das Leben, und bas mu§ im Felbe
Seber, ber ein Mann heifer will, Aber mit jedes Todesopfer rettet ein
Baterland, und nicht jedes findet feinen Gefdhidhtidireiber und Sanger,

*) Was Meifter Raulbad betrifft, fdeint Hr. Dr. Edardt ein wenig gu ver-
geffen, ba er felbft nur gur Halfte mit ihm einverftanden ift (vergl. Kaul-
bags eventuellen Borfcdjlag, S. 322 Anmerfung, mit ber Vebauptung, dah ,,der
flerbende Wintlelried gefdhidtlid) und phyfifd) unmiglid) if”, S. 314), ein Ge:
191%, was ihm nod bei anbern Autorititen begegnet. Wir find rwoll entfdjul-
Digt, went eB wis mtn ebenfo gebt. :