Die Giule ift ber Criger des Gebalfes. Warum депиаЕ an
ihrer Stelle der abgefdalte Baumftamm, per abgefantete Pfeifer
nicht? Warum fteigt fie in fehwwellend verjlingter Ginie auf, sieht fie
ihre Rraft in den Kanelluren nach innen gufommen, prangt fie fic)
im Kapital widerftrebend dem Drucke des Gebiltes entgegen? Weil
fie dem Auge im Scheine des Lebens gegentiberfiehen, der eigen-
thiimlidhe Bwect ihres Dafeins fich in ihrer Form ausfpredhen foll.

Der Bogen wlbt fic) von Pfeifer gu Pfeiler. Der Conftruc-
tion iff mit ben einfachen Maffen von PFeiler und Bogen Geniige
gethan, dem Hinftlerifden Lebensgefebe nicht. Der Bogen theilt fich,
fiuft fic) ab, gliedert fich in vorquellendDe Rundftabe, in eingezogene
Kehlungen, ver Wrt, dak die Gefewe des belebten Umnfchwunges, dev
elaftifdhen Kraft, weldhe der Schwere per von dem Bogen getrage:
nen Maner entgegenftrebt, jum wirlfamen formalen Wrsorucde gelan-
gen. Und wie der Bogen fo gliedert fic) dev Pfeiler, mit Cdfaut-
chen und Gingiehungen srwifden diefen, in denen anfftrebende Krafte
fic) aus feiner Maffe abldfen oder iby einprigen, eine Borberettung
zu den umfchwingenden Gliedern bes Bogens Und wo фе ие
Турина Фе Lesteren anhebt, legt fic) ein Gefims tiber den Pjeiler
hin, beibe Beweguugen, die in dem Pfeifer und die im dem Bogen
zur Anfchauung gebrachten, fonbernd und gugleich vermittelnd, einent
nicht minder eloftifden Bwifdengelente vergleichbar. Was ше die
Conftruction von all diefer Formen urd ihren Gefegen? fie fdhiebt
den Bogen aus ihren Keilftetnen gufammen, und die Gliederung des
Bogens (auft unbekiimmert iiber die Keilfteine und die Fugen gtvi-
fehen ibuen hin.

Dann breitet pas Gewslbe fic) ither ven Ytauut. Geine
Kappen fpannen fic) swifchen Gurten, weldje gegliedert find wie dev
Bogen und gleidhgettig in ihren Formen ber Gyannung ver Kap-
pen begeguen. Und wo die Gurte unterwarts auf gemeinfame
Punkte zufammentaufen, find fiigende , Oienfte” beveit, Gurtivager,
{ehlanfe. Gaulenbindel, mehr oder weniger gufammen je nad) der
Robl der Gurten, die an den Wanben oder den Pfeifer emporftet-
	gen, ihren Dienft gu vervichten. Und die Meajfe des Pyeilers, о
fo vielfeitige Gebensgwece nach allen Seiten und Richtungen hin gu
erfiifler find, wird vbllig wiederum змх gegliederten Rundfiule,
ringsum mit jenen foblanten Gdhaften befetst, dte je nach ihrem bee
fonderen Bwedle mehr oder weniger fraftig find und gwifden denen
fanelfurenartige Ginfehlungen die Gefammtfraft bes Pfeilers, auf
раб fie nicht ing Uchermaf per Form oder ins Formlofe verfliefe,
abermals feft gegen fein Suneres Hin gufammenziehen.

Sch bin ins Schwaken gefommen. Ueber dic Ниуе фен
Dinge LaBt fich fchwer fprechen: — eS it beffer, du geht felbft zu
pen Runftwerfen der Wrdhiteltur und giebft dic) mit unbefangenen
Sinnen bem Gindruce bes Lebens hin, das in ihnen waltet. Фи
wirft ¢8 empfinden, was e8 ijt, das ihnen den Schein bes Lebens,
eines Lebens veinfter Potenz gewahri. Ou wirft fehen, taf ein
Orqauismus da ift, auf velfen Kraft ее thre Crijtenz berubt.
	YY.

Sh habe nod ein Paar Worte hingugufiigen. ener ideate
ebensfdein, jener Organisms in den Formen ift e8 allerdings,
was die Urdhitettur gur Kunft macht. Es handelt fid) aber nod
win vielerlei andre Dinge, und wollte id) abermals fdrwaten, fo
fdunten e8 leicht Ubhandlungen werden. ES fommt fehr auf das
Bie an, deffen Bedingniffe gulekt fo verfdhiedenartig find, wie die
Gefchidhte der Architektur uns eingelne Meeiftertoerfe nambaft macht.
Da fommt ver MHythmus der Raume, der MWlaffer, der Зее Ш
BVetradt. Da waltet das ansfdhlieBlic) ardhitettonifde Gejeg in
entidiedener Gtrenge vor, tritt eine freier plaftifdye Behandlung im
Ginne der bildnerifden RKunft, tritt pie Huge und nicht gu verach-
tende Berechuung einer Wirfung im malerifden Sinne ein. Da
	eS ein Gefchaft auf der VBirfe, — ihr eigen gugefdnitienes Kleid
trugen und uns der frembe Schnitt fo gar midjt figen will, Das
Pelte ift noch, раб jene Zeiten nicht mehr mitgufprechen haben. Sie
wilrden uns mit verwunderten Augen anfchauen.

ii.

Ware e8 ver vichtige Nagel, du Hitteft ihn beinahe auf den
Ropf getroffer.

Woz die unerquidliche Borgewirthfdaft! Seien wir wir jelbft!
Зацени wir nach unferm Bediirfrif, nach unfern Elimatifchen Wnfor-
perungent, nad) unfern Neaterialien, nad) der Gitlle der Combinatio-
nen, welche die Mtechanif unferer Zeit uns darbietet!

Wabhrhaftig, — Freund: dem BWuge, dem itherhaupt das Sehen
nod ein Bediirfuif ift, wird wieder wohl, wenn es jene Welt er-
borgter und angelernter Formen verlaffen, wenn e8 auf baulichen
Anlagen ausruhen barf, welche dem Grundfage, den du fo eben
aufgeftelit, ihre Grfcheinung verdanfen. Ich meine vor Wllem die
grofen Sabrifgebaude, alle jene Unlagen, weldje fir die Erfiillung
per materiellen Bwece errichtet find, denen unfere Zeit mit fo tiber-
gewaltigen Rraftaufwande nachjagt. Зи diefen Werfen iff Bwee,
Kroft, Haver Sinn, Unmittelbarteit, ift Naivetit, ИЕ еше Зо von
Natur. Sie find ganz, was fie fein wollen; Spiel, Schein, Triu-
men gilt bet then nicht. Nur freilid) haben fie mit der Kunft wee
nig oder vielmehy nichts gemein.

G8 gieht neben ben finftlerifden Baumeiftern, die hellenifd,
тиф, romanifce, gothifc u. f. w. bauen, ancy folche, die dies
Princip der veinen Conftruction auf ihr Banner jdretben. 39
midhte fie die Rattonaliften unter den GBautiinftlern unferer Zeit
nennen. Sie find wohl zu beachien; fie erreidyen wiel, — aber gerade
fo viel, als der Rationalismus verftattet. Bhre Werke haben die
Verdienfte, die ich div fo eben aufgegahlt, aber leider feine weiteren;
fie wirfer, oft wentgftens, mit Macht auf рен УИ Фен Фит, обет
nicht auf den geiftigen; fie bleiben ftarr und falt wie die Conftrue:
tion, wie bte Weechanif, — fie haben fetnen warmen Lebensathent.
Und gieh Wet: die Neeifter felbft find geswungen, diefen Mtanget
eingugeftehen; fle empfinden e8, da die Conftruction fein Leben
Той, daB e8 dazu nod) andver Dinge bedarf. Sie fdjleichen gang
ие det Copiften nach, holen fich hier ober dort ein Schmud-
ftiict, irgend einen WUrehitefturtheil, wie ihn die Borzeit {chon guredht
gemeifelt hatte, und hangen ihn ihren Conftructionen an, fdjieben
ihn ihren conftructiven Combinationen ein, fe nachdem es ihre Laune
соех die ihuent gewordene Borfchrift erheifcht. Wo fie Ritnftler fein
wollen, find fie Borger wie bie Uebrigen.

Wir miiffen e8 faGon beim Borgen bewenden laffen!
		Du faffeft mich beim Wort: — ,,Sie empfinden e&, dap die
GConfiruction fein eberr fcjafft;” — bu fragt, was es denn fei, dad
pag Leben fcbaffe.

Das ift eine Frage fir die Maturphilofophen, die aber meines
Wiffens ebenfo wie die Kunftphilofophen die Wntwort fduldig ge-
blicben find. 8 ift nicht meines Wmtes, mich itber diefe erent
werthen Genoffenfdaften зи erheben.

Aber was ift tberhaupt Leben” in der Urdhiteltur? Das Baue
wert ift och feine Pflanje, fein Gijch, fein Thier; e8 nimmt feine
Nahrung, wichft nicht, verdorrt nicht!

Gs theilt diefe Nicht-Cigenfdjaften eben mit allen ibvigen Ge-
оси dev Runft. Stein, Farbe, Leinwand, oder wovans fie fonft
beftehen, find todte Stoffe; fie haben nuv den Sdein des Rebens,
— die Philofophen fagen: die Idee effelben. Aber inden fie es
nur mit dent Sdheine oder nur mit dev Idee zu thun haben, pragt
fid) in ihren Formen, unbehindert vom Stoffe, ein Bild der reinen
Gefeze des Lebens aus.