welche das Werk von Lazarus gu _ewiffjet movernen richeinunger
auf dem Gebiete der Naturphilofophie einnimmt.

Befanntlih Hat eine neueve naturphilofophifche Schule es une
ternominen, die am Sehluffe des vorigen Sahrhunberts vorzugsiweife
in vem Systeme de la nature niedergelegten Natuvanfdhauungen
wieder anf die Bahn зи bringen, инф mit Hilfe der feit jener Beit
gewonnenen phyfifalifehen und chemifchen Ergebniffe gu noch fdarfer
zugefpisten Anfchauungen zufammengufaffen. Die von diefer Seite
her verfiindigte „песме Weltanfchauung” fpricht fich ther das Wefen
der Seele пе in бей aus wie diefe: ,,Der Menfchengeift
ift eit Provutt des Stoffwechfels.*) Die geiftigen Kvifte find nur
Wirkungen der ftofflichen Verdnderungen des Hirns, und der Wille
pes Menfchen iff nur der nothwendige Wusdrud einer durch dufere
Ginwirkingen bedingten ftofflichen Bewegung des Gehirns. Der
Ук fonn feinen freten Willen haben, dev fic) von diefen Gin-
britdfen (osfagen fennte. **) Nie hat e8 auf wiffenfdaftlichem Ge-
biet cin Beginnen geqeben, das in einem pragnanteren Ginne des
Worts ein felbftmbrderifdes genannt yu werden verdient. Dem
Pfydologen fann eS nicht gugemuthet werden, mit derlet Whfurditi-
ten in einen Rampf fich eingulaffen, denn feine Wiffenfehaft Hat die
entfchiedenfte Verneinung jener Richtung yu ihrer nothwendigen Vor-
ansfesung. Mur die eigenihitmlide Form, in weldher hier der
Wahnfinn zuv Erfcheinung fommt, Wnnte Gegenftand einer pfiydjo-
{ogifchen Unterfuchung werden, und e8 odiivfte als das CErgebnif
derfelben fic) herausftellen, dag in jenem fraffen Materialismus
night, wie e8 auf den erften Blick den Unfchein hat, eine Verivrung
bes Denkens, fonder des fittlicen Lebens vovliegt, von welchem
aus itberall mehr, al8 gemeinhin gugeftanden wird, das Denfen
feiten Snhalt und feinme Richtung empfaingt. Wet was wir hier
befonders hervorheben wollen, И der Hinweis auf die eigenthitm-
fiche Erfheinuig, daB im vemfelben Decennium, it welche jere
Erfheinungen hervoriveten, von der Pfychologie als Wiffenfhaft ge-
fagt werden davf, dah fie ,,aus den Rinderfahren herausgetreten fei
und fic) in bem Biinglingsalter biihenditer und gedeiflichfter Ent-
widling befinde.” Hat e8 nicht den Anfchein, als ob davin, wie
in mandhen anderen verwandten Thatfachen, ein Gefes in dem Ent-
widlungsgange bes menfdblichen Geiftes hervortrete, nach weldhem
bie polarifch entgegengefesten Strimungen und Lebensiugerungen
immer gleichzeitig offenbar merben miiffen? Dag wir an diefer
Selle geneigt find, im Hinkle aud) auf das unferer Befprechung
yorliegende Werk mit einer befondeven Genugthuung diefe Frage gu
bejahen, wird einer weiteren WUusfiihrung nicht beditrfen.

Sn ver Grwagung, da von dem ,, Veben der Seele” gee
genwirtig nuv ver erfte Band vorliegt, bletht uns gum Schluffe
toch iibrig, den Plan, nach weldhem das begonnene Werk angelegt
ift, in fetnen Grundlinien angudenten. Gelbftredend fann daritber
itr der Verfaffer fidhere Uusfunft geben. у 108 (©. 74): „68
foll die Pfydologie, die Erfceinungen und Gefebe des Seelenlebens
ни Erfenninif und zum Berftandnif bringen. Dies wird gefdehen,
indent ftatt einer abftvacten Darftellung allgemeiner pfychologifder
Theoricen, fiatt dev Aufyihlung der allgemeinen Gefewe, je eine ein-
zelne Hichiung bes fonfreten getitigen Cebens, in denen offenbar nicht
ein, fondern mehrere Bringipien zur Erideinung und Anwendung
fommen, zum Gegenftand einer abgefonderten Betrachtung gemacht,
in die bavin waltenden pfychifchen Elemente jerlegt, und auf die be=
tveffenden Gefese und Pringipien guriictgefiihrt wird, Wenn gleicje
Pringipien in verfchiedenen Gebieten wicderfehren, wobet ihre Befpre-
ching an dev einen oder der andern Stelle abgefiirst wird, fo wird
pas ict ben Fehler einer Wiederholung, foudern pen Bortheil einer
	*) Die Natur oon We und Miller Yahrgang 1854. S. 69. —
##) Ehenbafelb(t Mr. 17.
	geldieht eben burd die Bovausfebung: wer fein Leben um der Ehre
willen preis gibt, hat fie gewif nidt verlegt; dabdurd aljo wird dev
Bweifel an feiner Ehre, den ber Berldumber evvegt, aufgehober, und wer dev
Tod nicht exfolgt, ift die Ghre daduvd) dernod gevetiet. Hier Eehrt fic) das Ber-
Hainig gegen das altgermanifdje geradegu um: nidt blos wenn und weil einer
hem апреги 2а8 Leben mimmt, fonder weil ev felbft fiir bie Chre in den Tod
gebi, jeigt ex feine Chrenhaftigtet.

Sft dies die Hddhfie, fittlidfie und fo gu fagen ehreubaftefte Dentung des
Duell, fo ИВА Пе dod) immer nod gu der Frage: woher fomumt e8 aber, Рав
ein Mtenidh, unt die Chre gre retten, das Leben wagt? das eigene und das an-
рае? Weld einen Werth legt er ber gevetteten Chre bei, wenn ev felbft gu
Grinbde geht, oder fie mit bent Blute des Wndern. evfanft it? woher, wnt es
soieberunt fury gufartmen gu faffer und alle fritheren Fragen mit etrgubegreifen,
wober bie Gleidfiellung von Thre und Leben?

Nur int unferer oben gegebenen ErHdrung ber Ehve finden wir eine Wnt-
yoort, welde ben Duellanten nit al wabhnfinnig erfdjeinen ligt. Ehre it die
Erweiterung dev eigenen Griftenz in Andern; wo mun die Chriiebe und das
Shrgefiihl im Hvehften Grad vorhanden iff, da wird die geiftige Crifien; tim Wn-
bern al8 dte eigene gevadesn aufgefafit, wenigftens iby jehr gleichgeftellt, wie dies
namentlicy bet jenen dret Stdnden der Fall ift, im denen jeder Cingele nicht in
fic) allein, fondern vorwiegend in dex Gefammtbeit fein geiftiges Dafein finvet.
Die Herausforderung hat hiernad den pfycjologifden Grund: der GBeleidigte will
nicht in bent Geifte be3 Anbdern al ein Crutedrigter (Verleumbdeter, Befdhimpiter)
exiftiren; dafg der Andere niedriger von ine benlt, als ev ift ober п ПЕ (орет
28 сх hem Geift des Standes mach fein joll), will er nidjt evtragen; ev mag
nicht leben, fo lange ev weiff, da} er ermiebrigt lebt, fet dies aud) muy mit einem
Theil feines Selbft, d. h. tn wie ferw ev in dem Geifte des Andern lebt. Def
halb aur will ev im Rambf dex Andern vernichten oder feldft vernidtet werden;
in beihen Kallen befreit ex fich von fener Cruiedrigung,

Bt uns vemnad ver Verfud) gelungen, nachgutweifer, wie das Duell in
unfern Zeiten und unter Gerniinftigen Ибо nur migliah ift, fo wolle man
ihn dod nicht etwa al einen yur Gertheidng des Duels anjehen, als 06 wir
parunt daffelbe als berniluftiq ober fittlich betradhteten.

Mur die wirklide Leerheit bes Lebens an Thatet und Boeen, wb eine ging-
fiche Vewufilofigheit Wher deffeu Beruf unb Bedeutung macht, da e8 bet fo vielen
an bem Bwirnsfaden vein conventioneller Ehrbeqriffe hangt, der in jebem WAugen-
Hii der Pargen[deeve eines Chenbiirtigen von gleident Kaliber pretsgegeben ift.
Gin Duell aber wegen grober und gemeiner SchimpfwSrter follte im unfern Zei-
феи пару nicht mehr vorfommten; denn wer fie gebraudt, follte eben befhats
fohon nicht als ebenbitrtig, vielmehy troy fedhazehn Whnen als ein Chriofer gelten,
hon weldem man feine Satisfattion fordert, wie dent anc) die englifde Suftiz,
offenbar aus feinent ander Grunde, Schimpfwsrter uidt al8 Snjurien betvadytet.
  Mbgefehen von allen jenen Quelle, welche aus nichtiger Perjdnlidhfeit, dte
im eigentlihen Ginne ehr-, weil finns und berglos ift, ober aus nidtigen und
Heinlidhen, nur hiftorifd anerfannten Gritnden hervorgehen, die in jedent Vetvadht
3 widerfinnig und unfittlic) evfdeinen, fam man das Duell felbft unter рабу»
haften Ehreuminnern (die mit Redht von angen feinen Mtafel dulben wollen, wo
fie innen feinen haben), wegen einer ans Srvthunt oder in ber Hike ое Зее»
{hhaft gugefilgten wirlliden Beleibigung, dennod) vor bem Midhterftuhle per Ber-
nunft und Stitlihfett midjt freifpreden. Smmerhin bleibt ¢8 ett unverantwort-
Vid) Noertriebener Egoismus, bas Leben des Ander gang gu gerfibren, weil ein
Theil von mix in ihm — in feinen Gedanken — erniedvigt ift; мир ей сиё
fernt, рав die gleidgettige eigene Lebensgefihrdung gur Ent{dulbigung dienen
finne, liegt vielmehr bierin nicht blok eine Verdoppelung ber Sduld, fondern
ein unvergeiflicher und wnfittlider, fa, was bas Widhtigfte ift, ein unehren-
hafter Mangel an Selbfiftindigheit, wenn man, unt tn dem Gedanten des Wn-
bern nidjt niedriger gu fein, fein Leben gang aufgeben mag. Der wahrbafte
Ninth unb die wahrhaftige Chre muk fig darin hewahren, daf fle nurd) fic) felt
fieht und nicht von jedem Cingelnen abhingig ift; nur ete Armer foun und arf
nidts von feinem Befike verlieren; nicht die dngftlicje Michtung auf ungefidrten
Genuf und alfjeitigen Empfang, fonbern das ernfie Streben mach fietigem Ere
werb und Berdienft ber Ehre tft die adte Feuerprobe derfelben. ЗН шеи або
pie Selbftehre unerfdhilttert, aud) die Chre bei Andern im Wligemeinen feft be-
guiinbet iff, ber mirh eine Verleyung devjelben durch einen Cimgelnen gwar nidjt
ти evtragen, aber boc) durch rubigere witb fittlidjere Mittel gu heilen fardhen.

Sn ver Muhe und Marheit diefer Darlegung liegt eine itber-
zeugende Kraft, die nur von vbllig gedantenlojer Stumpyheit oder
port tauber Letdenfdhaftlichfeit guvitefycwiefen werden foun. — Ber-
mag 03 Der Lefer, vow dem Butereffe, das diefe Betrachiungen ber
ein eizelnes pfichologifehes Phinomen ihut eingeflopt haben, fich
dem Suhalte unfercs Buches im WUilgemeinen wieder zuzuwenden, fo
wollen wir feine Wufmerffamfeit nocd auf ote Stelling binvichten,