DPDeutfhen Runtblattes.
	Honnerftag, den 12. Ssuni.
	“snbalt: Don Pedro Calderon de la Bares. UW. — Зи.
			иен. Зи ЦЕ 298 ftilljchweigende allgemeine Urtheil veriniipft,
DaB nur Diejenigen Stitde, welche wir von ber Bithne herab nicht
vollftindig begreifer, und die wir deshalb vorher oder nachher ge-
drudt nachlefen mitffen, als vollftinbdige und volfgiiltige oramatifde
Werke gu betvachten feien. Wie ganz anders das fpanifee Publi-
funt 3ur Zeit der Blithe ihrer dramatifden Poefie die Sache аи»
gelehen, apt fic) aus der einfachen, feftftehenben Thatfache entnel-
men, ba Calderon bet feinen Lebgetten fein cinziges von Тешеи
(etwa 120) eigentlichen Schaufpielen (mit Ausnahme der Gacra-
mentalen) hat bruden Laffer, *) alfo mmf weber ev felbft nod) bas
Publifum irgend bas Bediirfni® nad dem dauernden Bejig und dev
ait twiederbolenden Lectiire feiner Dramen entpfunden haben. 68 сх
giebt fich Hievaus bis zur GSvideng, daB die dvamatifde Runjt etu-
zig und allein auf der Biihue ihr abgefehloffenes und in fic) be-
qniigtes Leben Пе. Dem gemaR migen feine Zufchauer auch
gugefehen und gugehirt, fie migen filichtiger, aber auch frifeher und
fraftiger genoffen haben; und dem gemaf hat Calderon gearbeitet,
fo ba fich mance Gigenthiimlichfeit fener pdramatifehen Schipfun-
gen jehon hieraus allein hinlanglich evflaren (Gt Зин ift 8,
wie gefagt, die plaftijde vder malerifde Wirkung jeder eingelnen
Scene, bas Craveifende jedes eingzeluen Theiles der Handlung,
worauf feine Whficht gevichtet ift; Gemitth und Aug’ und Obv in
jedem DMtoment gleich) febr zu feffeln und gu befriedigen, war eine
nothwendige Wufgabe. Wufer der dramatifcen Geftaltung des Su-
halts, der Wuspragung und Wiordnung her Scenen fommen baher
nod) gwet andere Mitel hingu, unt diefen Bie gu erfiillen. Bor
Allem ver Reichthum und die Mannigfoltigheit ber Deforation, der
Glanz und Bauber der Ntafchinerie, Weit iiber die Grengzen une
fever gegenwirtigen Schaufpielbithnen, felbft itber unferen ausgeseich-
neiften Opernpomp ragen pie Gorfehrungen der fpanifcden Scene
	herper: inp feltfamerweije wird ber grépte YWufwand der auperlich-
	Пий фен Hilfsmittel gerade da gemadt, wo der Dichter fein Suz
nerfied yu offenbaren fowohl Gelegenheit als Neigung hatte, nimlid)
in den geiftliden Spieler. €8 handelte fid) alfo immer darum,
nicht fowohl einen dauernd tiefen, al8 einen angenblidlic ftarfen
Reig und Etndrud hervorgubringen.

Nur andenten wollen wir, dak vom hier aus einen Bli anf
Shatefpeare und feine weniger flaffifd) als (andlich einface Bithne
3 werfen, den Palaft Buen retiro mit bem Theater in black friars
zufammenguftcllen, Elemente einer erfolgreichen Vergleidhung ergeber,

Das gweite der fcenifchen Зефий guv Sette gehende Mitte,
	=) Was von ]ешен Фен gedrudt ах, амен пих ион е Зичи.
ler beforgt, welde im Theater nacjdreiben teen, um diefe geftohlenen Ropieu
an Gchaufptelbanden in den Heinen Stidten gu verfaufen, Diefe oramatifdje
Rontvebande war ibrigens von einer fo fcdjledten Sorte, dag Calderon Sebanp-
tet, mandje feiner Gtitde, die ihm [pater gu Gefidht geformmen, Мини wieder:
erfannt gu Вабен.
12
	Don Pedro Calderon de [а Parca.
Tl.
	Berehrier Freund! Nachdem ich Oir ишафй den Standpuntt
gexeigt, von welche ich die Salderonfche Mtufe gu betvadhten gee
neigt bin, um fowohl dem abfolut afthetifcen, wie dem bhijtorifcden
Pringip ber Mriti€ gu geniigen, und meine Wnficht ither pas Wefen
biefer Boefie in dem erften Briefe wo nicht ausgefproden, fo doch
ficher gu entitehmen tft, fomme ich heute fogleich auf die niher be-
ftimmte Betractung Calderon’s al8 Dramaturgen. Beh will mich
gern bentithen, die Cigenthiimlichfeit beffelben miglichft wunmittelbar
und von ben Hiftovifern unabhingig yu zeidnen; allein man fonn
Hentgutage nicht iiber biefelbe nachdenfen, обие 208 die Frage ihre
Angiehungstraft ansitht: woher e8 fommen mag, daf diefe dramatifche
Poefie von den Cinen ther alles Mtaah erhoben, neben Shatfefpeare,
wenn 116 gar ither Denfelben geftellt, von den Wndern, зм denen
die groke Mebrgahl unfered gebildeten Publifums z8hlt, mindeftens
mit Gleichgitltigheit angefehen wird?

Gehen wir auch hier wiederum von dem aus, was fich gu-
ndchft und unmittelbar bem SZufchauer darbietet: von der dufieren
Erfceinung und allen finuliden Clementen pes DOramas. Hier
geigt fich Caloervon als ein dramatifes Genie erften Ranges, er ift
Dramatifer durd) und durch. Wile feine Sticke, (amb feine
liebften,, die religidfen, am meiften,) find draftifeh, voller Leben, un-
mittelbar auf die Handlung, auf die Bhatfache und beren dufer-
Tiche Grjcheinung bevechnet; faft jede Gcene und nos vielmebr
bie Folge derfelben, vie Anordnung ift bavauf angelegt, eit twenn
auch nicht immer natitrliches, fo doch glangendes, reiches imbd mane
nigfaltiges Bild des Lebens gur Erjcheinung gu bringen.

Has Motin und den Erfolg diefer auf unfehlbare und unmit-
telbarjte Wirkung zielenden dramatifden Richtung begreifen wir erft
dann vollfommen, wenn wir auf das Verhiltnif des zufdanenden
Publifums zum Drama achten; dies war nimlid bei den Spaniern
jener Zeit ein Durchaus anderes, al8 e8 bei uns und in unferen
Tagen ift.

Grade heraus gefagt, ift fiir uns, wenigftens fir die meiften
Gebildeten unter uns, die Bithne faum etwas anderes, al eine
blofe Ergingung des literarifden Genuffes an oramatifcer
Poefie. Bon der erften Wuffiihrung des Fauft in Berlin беде
pie Rabel in einem ihrer Briefe mit einem gewiffen Subel ither die
aligemeine Theiluahme, „раб an 800 Perfonen im Theater gewefen
waren und febr viele von ihnen hitten pas Bud) in der Hand ge-
Вам und den gebdrudten Text cifrig mit der Darftelhing ver-
glidben. ” Diefe griindlice Unart hat nun freilich nachgelaffen, aber
noc ift die leivige Gewohnheit nicht verbannt, ein flaffifches Stiid,
pas man am Abend fehen will, am Page erft noch einmal ит