Mean vervgzeihe uns, went wir das Refume diefes Prauer}piels
vollftindiger und breiter ausgefiihrt haben, al bas Sutereffe, wel:
ches das Stitd erwerlt, gu rechtfertigen fdeint. Wber dev Lefer wird
nun auch unfere Frage gervechtfertigt finden, mit weldhem Redhte
ber Berfaffer in der Vorrede die emphatijcen Worte fdrich: ,, Der
Ronflift des Egoismus des Genies mit dem Genius der fittlicen
Gefellfdvaft ift nidt ,,fittlide Verivrung” (f. oben), fondern eine
titanenhafte Gmpirung, die fid) unter foldben Berhaliniffer felber
zerftdrt; das eigentlich tragifce Sutereffe ift babet die pfychologifcbe
Entwidelung der Charattere zu einer Kataftrophe, in dev Reiner von
ihnen ohne Sduld ift und Beder feine Lanterung erfahrt.”

Was ift an diefer Erflarung wahr und richtig, al8, bak unter
per gefammiten Gefellfchaft Reiner ohne Sehulo” iff?! ft eine
verriidte Theorie von Liebesfreiheit und eine nod) vervitdtere In-
pulgenz und Langmuth gegen folche Theorie eine titanenhafte Em-
pring und eine piircdhologifche Charatter-Cntwidelung und Qiuterung ?
Gind nicht vergleichen Phrafen Selbftbetvug und eine neue Vere
ivrung?

Gleidhwohl tritt uns aus dem Wllem eine eritfte Lehre entgegen.

Wir glauben naulich uicht gu ivren, wenn wir annehmen, der
Perfaffer habe wirflich mit ver vermeintliden Rataftrophe jeines
Dramas das Thbrichte und Unfittlicde der Theorie, als deren
Hauptrepraifentant Sulins erfdeint, Demonftriven wollen; er habe
wirflich empfunden, dak ein folcher ,,Egoismus des Genies” mit
pem Genius der, fittliden Gefellfdaft” nur in , Ronflift ge:
rathen fanne, im ewigen Wiberfpruche ftehen mitffe.

Aber Leite, von penen der Verfaffer felbft fagt: wenn man
fo lange, wie wir, in der entgegengelesten Rictung fortgegangen,
fann e8 fich Leidt erecignen, baR moan den tragifchen Ronflift um
ое Dinge willen, als Liebe und Treue find, gar nicht mebr fir
miglic) Halt , find eben deshalb dem Mtipgefchid verfallen, das nicht
mehr gu fonnen, was fie wollen. Фо Sleptizismus und die
Sophiftif, viele mephiftophelifdon Handlanger pfeudophilofophifder
Spefulation, find thres Herven Meifter geworden und Laffen fic
nicht mehr verabfchieden; fie verfiilfdjen ihm fortan arch fete beffe-
rent Gedanfen und Gefithle, verviicden ihm anch feine richtiqeren
Wege und Biele, fcieben ihm fiir Lebendige Geftalten Phantome,
fiiv urfraftige Geidenfdhaften und erhabene Gchuld gemeine Lafter
und gefchmintte Siinde, fiir dads tragifde Pathos ein blafirtes un-
ter, und zeigen ihm nicht im Spiegel der Ytatur bie Rontouren der
Rufunft, fondern in ihrem Hexenfpiegel ihre eigenen Fragen.

Wer unter foldjem Banne fteht, dem entweidhen unter den Han
pen und #106 ded beften Шен jene einfach unwandelbaren Be-
quiffe ber Tugend und des Gewiffens, und der Unterfdhied diefer
iiberirdifchen WMtitgift des Mtenfchen von den felbfigeldaffenen tritge-
rifeen Gurrogaten.  

Over hat der Berfaffer, wenns er den von ihm begeichneten
pRonflift fchildern wollte, auch nur Ginen Charatter, eine Sdee
anfzuftelfer und angzufithren vermodt, darvin ein Gegenfab gu den
„@фибущеи“ beftinde und wirkte?

Wave denn. nicht eine Bande von Spitbuben und Banditen,
pie, fammtlih gleidhmagig liber bag fiinfte und fiebente Gebot fort-
geichritien, einander gegenfeitig beraubten und umbridhten, eben fo
gut tragifd) qualifizivt, pas Walten ber ewigen Gerechtigfert gu re-
prafentiven und dem Genius dev fittlidhen Gefellfchaft fein Recht gu
verfohaffen, als diefe ,, Neue Weltsfogietat  mit ihrem genialen Che-
буи und ihren homBopathijirenden Rettungsverfuchen ?

Reine Thufehung des BWerfaffers diirfte groper fein, als die,
wenn er glaubte, fix bie Sduld feiner Perfonen Meitgefihl er-
wedt, durch ven Wusgang feines Stites evfciittert gu haben.
	  alexander vor Ullem, aud) Suliane, erregen fein Bebauern,
eher Humor, Sulius feine Furdht, fein Schaudern, hidhftens Wider-
willen, Whele — Achfelzucen!

Und diefe verkehrte Wirkung feiner Gefdhipfe verdantt iby
Schipfer nicht ettwa der Unempfinglichteit fener Mitwelt, fondern
bem pfhchologifden Fatum eines an Berfegung franfenden Geiftes,

G8 wiirde nachgerade мен gleichgiiltig exfdeinen fonnent,
ob ein verfehltes Didterprobult mehr in vie litevarifche Welt gefest
oder nicht, und das Sntereffe an ber Gache wiirde vielleidt wenig
wadhfen, midjte nun Arnold Ruge oder Wer fonft der идее
Bater fein; denn wie Viele dergleichen find nicht fchon — und wie
feicht! — vergeffen worden!

Aber wir befinden uns hierbei nicht fo féehr einem Sudivi-
риши, einer eingelnen Fehlgeburt, als vielmehr einer Schule,
einer verbretteten Wehre und Tendeng gegeniiber, und die ore
hin begeidnete Krantheit harafterifirt fic) als eine Epidemie, die
— eine Afthetifde Cholera — wie oft auch fchon als erlofdjen er-
achtet, immer nod) in gewiffen Wdeptentreifen bas Miasina орех
Phantafien und abgethaner Theorien fonfervirt und von Zeit ju
Beit, gum Schrecen der Kritif, in irgend einem Roman over Drama
wieder auftritt.

Wir werden gegen dieje aus Ronffeaufdem Bodenfay und St.
Simoniftifdhem WufguB, ans Fauftfder Weltluft und Затон ет
Weltfhinerg gufammengebrauten Welt - Erneuerungs- Clizire ftets
proteftiren.

Schade mur, bak bas Gegengift, weldjes Arnold иде in feiz
ner ,, Rene Welt  praparirt zu haben vermeint, um nichts anders
und deffer ift, al8 das Gift felber!

Quod erat demonstrandum!
	ALity tg,
	биз ОтИфатует, bisher als Ardhivdiveftor im Finany-Minifterium
thitig, ift auf fein Anfuder in bert Mubheftand verjest worden, und zwar mit
bem Titel eines Hojraths, ,,in Anevfennung imsbejondere per als ИН
erworbenen Gerbdienfte.”
	Der VBorftand oder deutidhen Lonhalle in Mannheim hat einen Breis von
250 Gulden rhein. auf nicht зи fehr gedelhnte Original-Mufie fiir vollftinbiges
Ordjefier zn Schiller’s , Sungfrau von Orleans” ansgefegt. Die Werke find
ии Laufe beé Oftobers b. J. fret der hentfden Tonhalle unter den allgemein

iblichen Formalititen eingujenden.
	За $. UW, Brockhans im Leipzig erfcjien fo eben unb ift in allen
ЗифБапьииаен зи erbalten:
	Album der nenern deutfchen Lyrih.
	Swette УиИаце. Эще Зее. SMliniatur-Ausgabe. Gebunden
(in einem Band) 2 Thlr.
	Drejes Whur bietet in gejdymadvollfter Wuswah! (aus etwa 25,000 gee
prilften Gedidten) bas Belte dev neuern deutfdert Lyrif, vorjugsweife der
nad) -Goethe jden Beit. Der Herausgeber, Dr, O. Eichert, fagt in feinem Bors
wort: ,,Oas Befte follte hier dargeboten werden, wozu dev deutide Ge-
nius wahrend der legten Decennien unfere Oidter angeregt hat; e8 follte
eine Sammlung entitehen, mit ber wir uns aud vor dem Wuslande Pann:
ten fehen Taffen.’ Die dufgere Unsftattung ift vorgiighid, ber Preis febr ивы
und diefed Wlbuim eignet fich fomit in jeder Weife befonderd xu Gefchenken.
	Verlag von Heitrid) Shindler in Berlin. — Drud von Crowibfh und Sohn in Berlin