Mittelalterlide Kunftwerke im Dome su Worms.
	Зои 5$. 35, Ззобентен ет,

Зш Заме 1488 fieh Bifdhof Iohannes von Dalberg einen
Kreuzgang nebft einem Oratorium am Dome erbauen. Das Schid-
jal, welches demfelben den Untergang bereitete, war etn furdtbares.
Ws nimlich im 3. 1813 cin Theil ver frangofifcen Wrmee nach der
Yeipgiger Sehlacht feinen Ritcyug itber Worms nahin, wurde der
Krewzgang in ein Lazaveth verwandelt. Unter den Truppen twiithete
ein Typhus auf das Entfewlichfte, viele Laufende waren demfelben
[Фон уши Opfer gefallen und die Stadt felbjt bereit® vavon ange-
ftedt. Da foll Marfchall Mtarmont, um der Seuche Cinhalt gu
	thin, pent атаиифеи Defebl ervlayjen haben, den Rreuggang tr Brand
	зи Песен, ино 10 wurden it einer Macht an Laufend Hilflofe ciu
Raub dex Flammen, ja die Kranfen, die mit dem Legten Aufwande
ihrer Krifte ven Verfuch gemacht batten, fic) gu retten, ftie man
wieder in das еше ими.

Die Trimmer dicfes Baues wurden im 3. 1832 mit Wns.
пабе 068 Orvatorinmé auf den Whbrudh verfteigert, fiinf grofe
Werke per BildhauerfLunft jeroch, welche ciefen Kreujzgang
fepmitctien und bie feit der Webderbrennung deffelben dem Wetter
und affen Zufalligheiten preisgegeben waren, wurde gliiclicheriveife
gevettet und find gegeniwirtig in der Lauffapelle des Ooimes aufyeftellt.

Зе genauer wir ме Gebifde dev фу ен Runft ftudiven,
um fo auffallender mug e8 fein, dafX derfelben bis jest mur ober-
flachlic) Ermahnung gefchehen ift. Denn, felbft Nitrnberg nicht ans-
депонииен, wiifiten wir ше VBilbwerfe yu nennen, die uns etn fo
herrliches Licht itber Wefen und Geift per chriftlidien Bildhauerci,
gegenitber der griechifdjen, verbveiteter, als eben diefe Sculpturen.
— Schreitet auch vas Berfiinduifp und die Anerfenmung der chrijt-
liden RKunftprincipien purch die unfchigbaven Verdienfte unferer ge-
genwartigen Kunfigelehrten immer mehr vorwarts, fo ift das allgemeine
Bewuftfein demtoch weit davon entfernt, den hohen Werth und die
ganze Wahrhaftigheit diefer WAuffaffung ivgendwie зи begreifen. Sn
wolge unferer einfettig fHlaffifcder Bildung ift das Unerhirte geleiftet
worden, das unfer eigner Geift uns fremd gewerbden ift, bak wir
und in den Gebilden des Griechenthums, wenn aud) mr falt be-
wundernd, heimifder fithlen, al8 in denen, welche Бег Фу:
veutfde Geift geboren hat. Aa е8 даб das Unbegreifliche, dak
diefe Bahnen, anf denen dic ИЕ allein gu ihrem Hsbepuntt und
su ihrer Grfitflung gelangen fonnte, faft um diefelbe Zeit fehou durd
bie hereinbrechende fogenannte Wiedergeburt der Ritnfte elendiglich
verfbititet und vergraben worbett find*).

Scuaafe fagt mit Recht: ое @фюйфе der griechifchen Meli-
gion machte die Starfe ihrer Kunft aus. Liegt aber davin nidjt au
	gletd Das дате Vervauntuungysurtherl einer folchen PBlaftit, welche
	jefhft фене поф уе ТаЦеи Gebiloe nur nad) den Principien dex
Griechen zu meigeln verfteht und die auf diefem Wege nimmermehr
gu einer Lebensfrifchen, begeifternden Wuffaffung unferes Zeitbewupt-
feins voriwdrts 3u fobreiten vermag? — Das Andividnalitatsprinciy,
die grifite gefellfchaftlide That, welche das Shriftenthum volfbradht
hat, Das Andividualitdisprincip, welcjes jeder eingelten Perfintichfeit
einen unendlidjen Werth, eine иненьйфе Bevedhtiguug zugefteht,
jede eingelne Perfoutichtett als einen ewigen Mifrofosmus anerfennt:
dag ift Die geiftige Lriebfeder, melche die gefammte chriftliche Runft
in Bewegung feste, das ift das wefentlidjfte Unterfcheidungsmertmal
unferer Kunft bon ber heidnifden Kunft, und das ift e8, wad die
chriftlice Sculptur fogleid) bei ihrer erften Entfaltung, wenn auch

*) Der geebrie Berfalfer vergift, pak Peter Bifer an der fogenannten
Wiedergeburt der Siinfte wejentlich betheiligt ft, dof ihn alfo obtges Berdam-
Mmungaurtheil (dem wir freilich purdaus nidt beiflimmen) mittreffen twitrbe.

$). Hed.
	  Пи tnt Ketme, aus 1% heraussugeftalten begaun. Die фейс
‘Plaftif mufte cine divchaus andere fein als die der Griechen. ©8
handelte fic) in crfter inie nicht dDarum, die formale, мова
litdtslefe Gcdnheit dev fSrperlifehen Erfcheimung als folche wieder-
зидебеи, fonbern den Ябурег in dem Ntomente der Entaugerung
cites innerlichen, feeltfchen Lebens, — dic reine Berfeulichfett im
vollften SelbftbewuRtfein res individuellen Lebens, Thuns und
Empfindens — darguftellen. Wir diirfen alfo wohl fagen, die chrift-
liche Runft war eine newe Kunft, die wie jede Runft mur nach vie
len Sabrhunderten те werden fonnte. Und in den Werke eines
Peter VBifcher, im den Werken, welche der Wormfer Dom aufbewahrt,
war fie ihrer Bollendung mabe.

Wohl haben e8 viele Ritnftler unferer Beit erfannt, ов die
Spbeale, weldje unfere Secle evwirmen follen, nicht mehr bei den
Grieden gefucht werden funen. Niemand erfannte dies tiefer als
Ludwig Sdhwanthaler. Wher was Bahrhunderte verfdjuldet haben,
vermag der Gingelue nicht alfogleid) wieder gut zu maden, und fo
fonnte e& felbft einem Schwanthaler nicht gelingen, mit pent unge-
tritbten QWuge der chrifilichen Kunft den Meigel gu fithven.

Sahreiten wir mumehr zur fpeciellen Betrachtung der RKunjt-
werfe unferes Domes, fo fehen wir an den Bkinden ver Tauf-
fopelle fiinf Zableauy, in дебет Gandftein gehanen, anfgeftellt,
welche fammtlid) змеи den Sahren 1485 — 1488 entftanden find
und die durdhfchuittlic) eine Breite und Hshe von 14—18 Fug
haben. Sie ftellen vie Hauptereiquiffe aus dem Leben Mtaria’s und
Зи dar, vow denen wir une det Stammbanum MNtaria’s, die
Geburt und die Grablegung Chrifti sur genauren Betrachtung
auserfehen haber.

Wiirden wir bie Art der Darftelfung itberhaupt als Hautrelief
begeichnen, fo wiirde die Vorftellung von diefen Gebilden wabhridein-
Tic) eine falfche werden. Die Hauptgeftalten im Bordergrund, gu-
шей in natiirlicher Grbfe, heben fic) vollftindig vom Steine ab
und bilben Statuen, wahvend fic ein tut Reliefftil gehaltener, voll:
ftindig perfpeltivifder Hintergrund ausbreitet, der ganz ber male
rifden Wuffaffung entipricht. Wuf diefe Art evflirt fic aud die
ее Hohe mit der Breite, welch erftere jedod) pyramidalifd, von
reichen Avabesfen umrahmt, fich gufehlicst. —

Wir finnen es uns nicjt verfagen, juerft mit ver Betrachtung
ber Grablegung Chrifti gu beginnen, einer Schipfung von er-
greifendem Wusdrude, voller eben und Wahrheit. — Mle Haupt:
figuren jehen wir Chriftus im Grabe, зи Haupten und gun Siren
den Sofeph vou Wrimathia und den Heil. Nicodemus; um den Stein-
jarg gruppiren fic) ber ieblingsjiinger bed Heilaurs, die heilige
Mutter, Maria, die Mutter Jafobs, und Maria Magdalena. —
Gaffer wir die Geftalt des Crlifers naiher ins Auge, fo rubt der
nom Tobe hingeftvedte Korper anf einem faltenreichen unter ihr
ausgebreiteten Luce. Der Kivper felbft ijt etwas mager gebalten,
jedoch ohne Uebertreibung. Die erftarrten Ziige find von fchwerem
Leiden durchfurcht, um die Lippen fchwebt ein unendlider Sehmer;,
aber ither dem Ganjgen ruht dev Ausprud der Verflarung und das
Bewufifein einer gottlicy volibrachten That.

Das Haupt des Heilands тибЕ ш den Hainden Sofephs von
Arimathia. Die ganze Geftalt ift vas fchinfte Bild eines braven
bentfden Biedermannes. Wus den Biigen БИЧ der ruhige Scher;
bes Mannes. — Die Fife des Gridjers liegen in den Handen des
heil. Nicobenus: ein achter deutfdher Riinftlerfopf, jugendlich und
bartloé, bie Stirne von fcjin gearbeiteten Loden bis auf die Sdyul-
tern umtvallt, tim Gefichte den bewaltigendften WUusdrud eines tiefen,
thranenlofen Sdbnterzes. *)

 

 
	“) Se Ofer twtr uns ber Betradhtung diefer beinen Geftalten hingeben, um
fo mehr dringt fic) und bie Ueberzengung auf, da wir bier die braven Riinft-
ler biefes Bilbwerks felbft vor uns feber, wb zwar Bater und Sobn.