Lifne ап Иерей  Фешен. Garftens fetnerfeits twar befanntlid
auf Vafenbiloer und ihre Bewunderer nicht fonderlich gu fprechen;
mur an den edelfier und vollendetfter Sdipfungen, die uns 508
Alterthum hinterlaffen, an ihren Statuen wollte er lernen und fic
begeiftern, und von ihnen fommt denn auch jene plaftifde Rundung,
pie fetnen Geftalten auch int leidjteften Umvrig eigen gu fein pflegt.
Diefes Plaftifce, wir mbdhten fagen diefer Realismus im edelfien
Ginn, blieh ihm ebenfalls tren, wenn ev aus dem antifenr Gebiet in’s
Phantaftifce, von Gstterm gu Damonen hiniiberfeweifte. Und ev
hat das Lebtere mehr als einmal gethan.

Wie der derbe Wusdrud unfres Bolles von grofen und un-
wahrideinliden Dingen Ciwie vor Alters yon umber gefdleuderten
Selfen und verwegnen Briicenbauten) wohl heute nod) vermuthet,
e8 mige ,,mit dem Teufel gugegangen fein’, fo fSnnte man, ware
anders in fo bobher und ernfter Gace dad niedve Wort erlaubt,
aud) bei der Wiebdergeburt der deutfchen KRunft in mehr als Cinem
Ginne von cinem dergleichen damonifden Beiftande fprechen. 68
toar ein Gturz der , bdfen Engel,  der vem modernen Hellenen
pom cimbrifcen Cherfones*) die Berliner Afademie eridffuete, und
wenn auch diiftve Gewslfe gleich einer Rache des beleidigten Di-
mons jenem Gonnenblic erfter WUerfermung folgen follten, wird
doc Niemand die Wichtigheit des Lewtern fiir den Miinfiler, wie fir
pie gefammte Runft leuguen finnen. Beiltiufig, wo mag das merf-
wilrdiqe Blatt geblieben fein? Die genannte Wfademie befist
e8 nicht.

— Bwar nicht an den Wohnort dev bofen Geifter, aber wenig-
ftend auf den Weg dabhin fithren uns die berithutten Compofitionen,
pie nach Luciands Ergihlung den geftorbnen Wiiftling Meqapenthes,
bier von den Wbgefandten des Seelenfithrers Hermes wieder einge-
faugen, dort auf Charon Raden zur Sicherheit an den Meaft ge-
fdulirt zeigen (die Llebtere en Gouache im Befig ver Berliner Wta-
Demie), und ob gwar, dem Stoff gemag, bas antife Clement vor-
herrfcht, die gaffenden und alla mora fpielenden Rahuinfalfen wie
billig mehr von heidutfcher Leichtfertighett zeigen, als von den Schredien
einer folchen Fabhrt, dennoch fpridjt ung, fei e8 aus ihren mustel-
voller Geftalten, fei es aus der bes greifer Fabrmanns oder aus dem
Colorit des Ganjzen noch eit anderer Geift an, der weniger an
Griedhen und Rdmer, al8 an die beiden grépten Florentiner, den
Dichter wie den Bildner erinnert. Godann aber verfegt uns eine
andre, minder gefarnte Darftellung (leider anfcheinend ved Riinftlers
eingige aus diefem Kreis) wirflich in die chriftlide Unterwelt nicht
nur, foudern aud) in die Schilberung ihres grépten Dichters. Wir
erbliden da8 Gdlangenthal der Diebe (Inferno C. XXV), den
prauenden Centauren, auf deffex Gchultern der feuerfpeiende Orache
fich eingefrallt hat, die nacten Berdaminten in den Ringeln des
Hollifhen Gewiirms, und unmebelt von feinem giftigen Haucd; wir
fehen die beiden Wanderer bang vow dev Felfewbritde in die grauen-
volle Tiefe hina fpahen**). Billig guvitefgetreten ift hier das antife
Glement, aber dafite tritt machtiger, als fonft je bei Carftens, ein
malerifdes hervor, im Gegenfas faft aller andern modernen Dar-
teller, die fic) mit den gewaltigen Bildern de8 Inferno mer in
Unviffen abfinder.

Cine wundervolle Federjeiduung im Befits des Moniglicen
RKupferftidheabinets yu Berlin, apt uns duferlich auf antifes Gebiet
guvitdfehren ***). Wir fehen des Styx tvanrige Gewaffer, und des
Danaus zablreidhe CFodpterfdaft beim bhoffrungslofen Werk, die einer
	*) „Ех Chersoneso cimbrico” bejetdnet ich Carftens unter etnigen feiner
Blatter,
**) Kufcewmeyh hat das Blatt geftoder.
ES) Bielledht fcheint dies Folgende midht fireng gu имени Зета зи geboren.
Aber wi nahinen 6 auf, weil man niemals bie Qualen der Holle moderner
int Seften Sinn, innerlider nimlich und ме indtvidueller dargeftellt hat.
	in dngftlicher Haft, die anbdern tn ftumpfer VBergweiflung fich Ге
pend init den unbarimbergig fprubdefnden Urnen; — in dev einfadchften
Hanbdlung dev reise und lebensvollfte Wechfel ber ESrperliden Be-
wegung, im genteinfamen Leid den reichfter Stufengang der getfti-
gen! Зи der Ferne leiden Tantal und Sifyphus, fliegt Hermes
mit weit ausholendem Gdtterferitt einem nevanfommenden Getfter-
gewolt voran. Was aber bedeutet der gefliigelte Greis, mit einem
Schlangenreif gefrint, der iiber den Waffertragerinnen fo energifd)
Den Schaft einer Hippe tiber’s Rute bricht? AUutif ift er ficher nicht,
aber dafitr jagt er uns um fo Ddeutlicber, dab den Riinfiler fetu
alter Griedje, foudern, wenn er nicht felber evfand, ein deutfcher
Lanursmann, ein geiftesverwandter Zeitgenok, mit einem Worte —
Shiller begeifterte. ,, Gruppe aus dem Tartarus” heiwt des Lets-
tern Gedicht, und enbdet mit den folgenden Beilen:

Fragen fic) einander augfitich leife,

Ob nod nicht Vollendung fei? —

Ewigkeit fawingt ber ifnen Rveife

Grist bie Senfe des Gaturns entzwei. *)

©8 war uns eine eigenthiimliche Freunde, al wir die beiden
grofen Ddeutfhen Geifter — wenigftens im Hades gufammentreffer
faben, und wir hoffe auf einen und det andern Lefer, ber diefe
Sreude verftehen fann.

Endlid) aber Apt uns nun eine andre meviwiirdige Zeicnung
von Garftens Hand unimittelbar an ben Dichter deS Fault, ja an
Diefen felbft und den Gefahrten, den er ,, ict entbehren fann , here
antretert. Unb damnit wir nicht gweifeltt, ob wir nur Geftalten dev
Bollsfage, oder cb wir wirklich die Githe’fden vor uns haben **),
umigiebt fie die Hexenfiiche mit allem den efern wohlbefannten Ap-
parat, fchaut ber Doktor ftaunend in den magifden Spiegel, felt
felbft die zerbrochne Krone nicht, die ber Meeerfater wieder zufammen-
geflict haben méchte.

Wunderlich genng fteht vem flaffifchen Genius des Zeidiners
Das mittelalterliche Reid, und faft nur in den nadien Damonen,
pie im Hintergrund  Фтефено und affend aus dem dampfenden Reffel
fteigen, erfcheint er ganz wie wir ifn fonft fennen. Go fieht fein
Sauft, obwohl trefflich tim Charafter bes Stubengelehrten, mit Stod
und Pelghandfahuh poth beiuah gar зи wagners und philiftermagig
brein. Wrephifto aber bietet noch nicht entfernt Den fcharfen, ver-
porrt italienifden Typus, den wir Gpateren von feinen Darftellern
gewohut find. Wit ver gedrungenen Figur, bem finftern Gefidt
und breitem bufchigen Bart, felbft der baufchigen foldatifcen Cracht
erfcheint er vielmehr (fonderbar genug) faft in bderjenigen Geftalt,
unter der untfre Gilhnen den Gefler, unfre Maler den wilben Sager
borzufiihren pflegen. Sa andrer Untgebung, ohne Huf und Hahnen-
feder wiirden wir fo wenig, als bie Here des Gedichis, ihn evfaunt
haben.

M18 habe aber der ErzfdhalE (denn gleichwohl tft er’s) mit feiner
exten mobernen Darftellung ein wenig, wie ev pflegt, fein Spiel
treiben wollen, tritt uns plsglich bei naherer Betvachtung ein hifto-
cifces Bedenfen verwirrend in pe Weg ***). Ging der , Mtorgenftern
	*) Das Gedicht ift 1782 gejdrieben, die Zeidnung tragt fein Datum, dod
igeint uns thre fpdtere Entfiehung nidt gu begweifeln. Seiler hatte andernfatle
bie Danaiden mindeftens ermabhnt.

**) PWeniger Gewidt, als Undre gethan, michten wir fitr dviefe Frage аш
ben Pferdefufy lege, det Mepbifto bat und nit haben follte (vergl. inten).
Wud ine Gedicht fan ev thn befanntlich ,, nicht miffer,” und cahivt ihn mm,
wir wiffen nidjt rect wie, durch ,,falidie Waben;” aber davon abgejehen, {фей
uns der bilbende Ritufiler yollfonrmen beredtigt, died Uttribut beltebig aufguneb-
men ober weggulaffern, gumal in einem — Bleiftiftentwrrf.

#) Bergleidhe: ,,Zeidnunger von Asmus Jacob Carftens in bev Grofher-
jogtiden Runfifammiung yx Weimar, in MUmriffen geftoden und heransgegebert
von W. Miller (Weimar), VIL. Heft, und die beigegedbenen Srlanterungen vow
Chr. Schuchardt.