Erft tm vorigen Sabrhundert finden wir die ftatuarifche Wtti-
tude gu einer eignen Runfigattung von der befannten Lady Hamil:
ton evhoben. Befaunt ift der Ausfpruch ihres enthufiasmirten Gat-
ten, dev wirflicd) mit einigem Recht verfichern fonnte, in feiner Frau
eit ganjzes Wntifenfabinet gu befiben. Es exiftirt eine von Rehberg
nachgeseichnete Sammlung dev Attituden diefer genialen Oame, die,
gulegt Profeffion von ihrer Runt macend, in vielen Hauptftidter
Europa’s den ungemeffenften Beifall errang.

Die deutfche Schaufpielerin Hindel-Sahite ithertraf jedoch bet
wwettem nod) die Leiftungen jener Lady. Sie geichnete fic) durd
mehr als ein eminentes Nachahmungstalent aus, inde fie nicht nur
die vorgitglichfter Wntifer und Gemilde der Alten wiedergad, fone
dern anc Sinniges und BVerftandenes felbftindig, fowohl in lebenden
Bilbern, al8 тега. Окей, evfand, und zwar bald im Geifte alter,
bald tt dem utoverner Kunft. Bnsbefondere leiftete fie im per Runft
ber DOrappirung Vortvreffliches. Wud) ihre Wltituden find von Pee
rour und Hitter gezeichnet und in Frankfurt a. Mt. ен ие dev-
felben auch in dem Zafehenbuch Urania CSabrqang 1812) ет
fchienent.

Die pantomimijchen HDarftellungen der berithmten pramatifden
RKinfilerin Sophie Sarsder, die wir felbft noch yu bewundern
Gelegenheit hatten, ftreiften bereits in andere Gebiete. Bei ihr
herrfcbte ber bramatifche mimifche Wusdrud vor. Obue groke Werth-
fegung auf funftvelle Drappirung und Malevifches, fuchte fie haupt-
fadlich int WUnsdrude des Wifeltes das Hoichftmbgliche gu erveicher.
Diefes Erftarven aber im hichiten Wffekt, ber immer fchon die whchft-
folgende Bewegung bedingt und anfiindigt, founten wir пе Не
т] [би und befriedigend finden, in folchen Darftellungen vevirrt
fich ое ЗИ. Wir bewunderten die Virtuofitit der Minftlerin,
fahen aber in diefen ihren Leiftungen nur cine voflendete, fich aber
auf einem falfchen Terrain befindende fchaufpielerifde Runft.

Patrit Peale, ett Herr von Secfendorf auf Meufelwis, 1820
in Umerifa geftorben, ift der eingige uns befannt geworbdene und fic
eines fitnftlerifdhen Mufes evfreuende minnlide Darftelfer wow Mett-
рен. Doc) fichier er fie mehr als erflfirende Bilder gu feinen
PVorlefungen ither DOeclamation gegeben gu haben.

Nod) in den odveifiger Sahrer fanden gu London die living
statues eifrige Berehrer. C8 befapten fich hauptlachlich die fleineren
Theater der qrofen Weltfiart damit. Sie waren fo recht aus dem
Gejchmacke der englifcen Kunfileifiungen heraus gewachfen. Um bas
miglichfte Charatteviftifche gu leiften und den Effelt auf die Spite
qu treiben, ftreiften fie nahe an Ме Ravifatur. Фе шее Marmor
wurde durch Kreideantlatich des Hletfches, burch шее Зло, шее
Papierlodenperitden und weife Getwandung nadhgeahmt.

Ginen in Diefer Weije angefividenen und befleideten Ntenfdert
in der Mahe, hinter ber Coulifje gu fehen, hat namentlid) durch die
bunfel und unheimlich aus dem weifen Rretdeanflatfd herausblicden-
Den Wugen, etwas gvanenvolles. Bon farbigem Lichte beleuchtet,
aus ber Ferne gefeher, gewinnen ее Wtarmordarftellungen aller-
pings einen pifanten Gffeft, find aber, wenn nichts ftivendes an thner
entdedt werden foll, faum einige Secunden lang gu zeigen.

Sntereffant ИЕ e8, wie aud) diefe Runft, vom freien Hinftleri-
{hen GSrfajfen und fitnftlerifcher Wiebergabe eines plaftifehen Runft-
werfes bis git feiner materiellen Nachabmung in Stoff und Sarbe,
fortgefdritten. Die living statues dirften роли in die Verfallzett
der Runft dev Wititude gehiren. Weldhe Rolle vie Lableanr, die
{ebenden Bilder in den Hinden von Leuten, die Profeffion mit fol-
chen Schauftellungen machten, in der legten Beit fpielten, ditvfte zur
Geniige befannt fein. Wenn ich nicht gang ivre, Haber fie, von
Berlin ausgehend, im Bahre 1846 cher 1847 gu Leipgig einen har-
ten Kampf mit einer hodhldbliden Poligeibehirde beftanden, die durdh-.
aus ba Tricots verfanate, wo das funfifinnige Publifum eine fchine
	Ciniges пор бес ЗЕ пб Ме Аиий der leben-
den Darftellung flatuarifdher Attituden.
	Wer zuerft auf den Ginfall gefommen fetu mag, durch lebende
Perfonen Gemalde und Seulpturen darguftellen, das ditrfte eben fo
unbefaunt fein, af8 e8 gleichaiiltig ift. 68 hat dicfes Spiel jeden-
falls aus finftlevifchen Studien feinen Ausgang genommen. Die
lebenden Modelle, mit denen dev Ritnftler feiner Phantafie nachhilft,
um der Natur ihre Cigenheiten abgulaufdhen oder abgufehen, werden
in den LlebendDen Bildern in einer Wetfe activ, welche die Sdhspfunrg
des Miinfilers felbft ganz und volffommen wieder zu geben verfucht.
Das wirkliche Leben foll in dte Adee eines Kunftwerkes aufgehen,
gleichfam erftarren, ber Lebendige Mtenfch foll nas chine Seheinleben
gemtalter oder imarmorner Geftalten annehmen. Und wenn dev
Water dem Befchauer feines Werkes die Maleret vergefjen zu ma-
chen, und durch den todten Stoff die lebendige Natur wiedergugeber
fivebt, fo haben lebende Bilder, hat die (ebende Darftellung ftatua-
vifeher Attituden die Aufgabe, bas volle pulfixende Leben vergeffen
gu machen und gum fchinen Seheinleben eines Runftwerfes zu ет
hdhen. ALS Gugeres Mtittel gu diefem Bwede dient vor Wllen cine
malerifche finftlide Beteuchtung, rer Golbvahmen, ver fchwarze Flor,
Hinter denen das Bild oder ploftifdhe Kunftwerk nachgeahmt erfdeint.
Weldhen Kunftwerth, vom aAfthetifden Standpuntte betrachtet, der-
gleichen Schauftelfungen haben, Lajfen wir vorliufta dabingeftellt.

Die Munft der lebenden Bilder und ftatuavifehen Attitude ift
jedenfalls eine fehr alte. Bei den sffentlichen Felten der Griechen
und Romer haben dergleiden Darftellungen fcjon ihre Rolle gefpielt.
Sn den pantomimifchen Tange der Alten magen die Sableaur dhn-
lich angetwandt worden fein, wie im unferen heutigen Ballets; einige
Beit fefigehaltene Gruppirungen, Sdhlufgruppen werden ftets zum
lebenden Bilde. Bedes Berweilen 508 oramatifehen Riinfilers in
einer, etiten bedentungsvollen Montent ansdviicenden Stellung, wird
immer fchon gu einer ftatuarijcen Attitude. Bet der Vorliebe der
Griechen und Mdmer fiir die Plaftif mag aber die Kunft der Atti-
tude nidht nuv bet Sffentlidhen Feften geibt worden fein; eine Uspafia
hat 8 gewif nicht verfehmaht, ihren Berehrern bald diefe bald jene
plaftifdhe Schipfung, welde gerade die allgemeine Begeifierung er-
regte, auf das tiufchendfte mit den eignen Iebensimarmen fdbinen
Gormen vorzufithren. Belaunt tft, wie fich auch die tatholifche Rivde
Diefer natitrliden Nalerei und Blaftit bediente, um auf die Herzen
ber Glaubigen зи wirken. Gonrfirt doch heute noch mand Luftiger
Фрай von der und jener bemalten Statue, die pldglicy durdh
Giupere Zufalligteiten ein wunderbares Leben befommen. Go jener
heilige Bartholomings, der, umgeben von einer Schaar Glaubigen,
mit einemmale fitvehterlich gu fluden anfing, weil eine ither ihm
brennende Wachsferze viidfichtelos auf feine Nafe tropfte.

So find in Oberbaiern und Tirol lebende Bilder, Darftellunz
gen aus der biblifchen Gefchichte, insbefondere aus der Reidensge-
fchichte Ghrifti bis herein in unfere Tage, im Schwange gewefen.
68 Неее ПФ gu folden Schauftetlungen nicht nur die Geiftlichteit,
fondern das Boll felbft in alle Heiligen Geftalten. Und was daffelbe
in feiner frommen Ginfalt auch innerhalb diefer Sphire zu leiften
und gu tragen vermodte, das diirfte aus anfgefithrien Rrenzigungen
gu fdjlieRen fein, wo gewif derjenige, welder den Gefreuzigten oder
einen Der SGchacher gab, feine geringe Lortur auszufiehen hatte.
Wie weit die Begeifterung folder Acteurs, namentlidh bei religidfen
Pontomimen ging, ergihlen uns alte Gefdhidien, wo in der ее
ling Shvifti der Darftetler feiner Perfor in Wahrheit fic von fa
natifivten Henkerstnedhten blutig fclagen liek. Da fonnte fretlicd
	Hon deit  dinen Scheine der RKunft nicht mehr die Rede fein, hier
wurde fie Zur puren Natur.