ift e8 aber unmiglich, dag der wahre Hiftorienmaler auch muv еше
Gewandfalte, gefdweige denn einen Kopf und Rarer genveartig
corrigiven fann nod) will, weniger aber wird ein Profefjov, der
Genremaler ift, diefe Correctur im hiftorifhen Styl geben tinue,
und fo erhalten denn beidbe Schitler nicht bas, wads fie eigentlids
fly iby Fach gebrauchen, fondern ein Gemifc), wovaus eben jene
genannten unglitdfichen Bwittergattungen hervorgehu miiffen.  Siiv
das Genre ift diefes moc) nicht fo fchanlich wie fiir die Hiftorie,
pent jones auc) dadurdh feinen eigenthitmlidjen Charatter einbiift,
jo finft e& doch nicht tiefer Herab, al8 e8 an fich fteht, und fant
Hichftens LCangweilig oder imintereffant werden, indem ed dem зи
feinem Befer fo unentbehrlicjen Humor verliert. Die Hiftorienmale-
rei aber mu nothwendig dird) folde Vermifchung mit ntedern Ele-
menten ihren hohen Standpuntt fowehl in den Augen des Schitlers,
al an fic) felbjt verlievet, da auch die griften Ritnftler bei deren
Ausibung fich immer ber ihren gewshnlichen geiftigen Horizont
hinausfhwingen miiffen.

Wenn diefes nun fdon an fich eine folde Wnfpannung offer
Geiftesfrafte erfordert, da felbft Cornelius, deffen MReicdhthum ai
Speen und Kraft zu ihrer Geftaltung mich immer an Siegsfried’s
Tarnfappe, bie 12 Mannestraft gab, evinnert, mir vor Aahren fagte,
„кит Letdet auch beim Sdaffen”, went ferner auch ver ausgebildetite
Hiftorienmaler unfrer Beit fic) den hohen Styl diejes Fads nur
durd fortwihrendes Ringen gegen Genre und Modernitat bewahren
fann, um wie viel jcwerer mu eS dain dem Schiiler werden, fich
davon freigubalten, menn nicht fetu ganjer Studiengang von dem
Moment an, wo er fid fitr diefes Fach entfdieden hat,
ausfdhlieplich und auf das Bejtimmtette die ftrenge Richtung einhalt,
unb wenn die bet weitem gripte Deebrgahl feiner Mitfchiiler und
per ih umgebenden WArbeiten dem Genre angehiven. Diefes prangt
{ich aber veshalb fo leicht cin, weil man dabei ganz behaglicd) und
bequem in feiner WUlltagsftimmung bleiben fanu, und felbft mandmatl
nod binabfteigen darf, und diefe Bequemlichfeit, verbinden mit
jenen, den unreifer Schitler fo leicht beftechenden Farbenfpielen,
Lichteffetten und ,Ratiilichfeiten” machen den gemeinfamen Unterricht
und das nebewt einander Stubdiren fo gefabrlid, ba, wie jedermant
weif, das Hinabfteigenr und Sidhgehnlaffen unvergleichlich leidter ijt,
als fich anfgufdmingen. @Wuferdem trigt ote Hier getadelte Cinvich-
tung noch die Hauptidhuld an dem Ginten und der VBerfehrtheit des
al{gemeinen Gefchnads und Urtheils, mit denen e8 fo weit gefom-
inen ift, daf man 3. B. bei biblifcher Gegenftinben denfelben maz
levifden Effect verlangt, der beim Genre ganz am Blog ift ud des-
halb Viele, jene unter dem Namen von WAbrahant, Safob u. f. w.
gemalien Beduinenhiuptlinge von Horace Vernet jelbft бег den
Иен, anfprudjélofen und in fetner WUrt fo unvergleidlichen Over-
beck ftelfen.

Aus emt Gefagten wird der Lefer erfennen, dak ich den Sdea-
fismus beim alademifden Unterricht eigentlich veshalb fo ausfdiltef-
lich bevitclfichtige, weil nach meiner Ueberzeugung fammtlide Genve-
facher auf Wademieen durchaus nidGt am rechten Plaw find, einmal
wegen des Hier gefchilderten nachtheiligen Ginfluffes auf die Hifto-
vienmaleret, ban aber aud) ihrer felbft halber, da fie am beften in
per ftillen, gemiithlichen Werkftatt ped ecingeluen Rehrers, entfernt
pon allem sffentlichen groper Kunfttreiben, gebdeifen; denn bein
Genre gilt noch mehr, tie bei dev Hiftorienmalerei, der fdon cr-
wihnte alte Erfabrungsfak, dah nicht allein pie geiftige Iidjtung,
fonderit auch die Guferlice Lebensweife und Umgebung des Riinft-
ler8 auf feine Uvbeit einwirfen, und ich bin tiberzengt, dak die alten
Niederlinder Has unvergleidlich Naive, Wahre und Anjpruchelofe,
gugleid) aber auch dic grofte Mtannigfaltigheit und gingliche Xbwe-
fenheit alles Ukodemifchen, furg alle die Cigenfchaften, welche fie fo
febr iiber unfre jesigen Genremaler evbeben, grofen Theils ihrem

 
	sag Stubium der fritheren flaffifchen Perioden verdollfommuetes  
	Phantafie-Sdeal, weil fie faft nie die Gegenwart, fondern vorgzugs-
weife vergangene und gufiinftige Zeiten, Ereigniffe, Thaten und Per-
{sulichfeiten oder Фуше und Wllegorien gu geben hat, wobet dag
tree Nadjbilden der Geftaltung der Gegenwart ein Anachronismus
und eine Unwabrhett ware.
	Die Wufgabe des Genre Фадедеи, weldjes vornamlic) tm oer
SHilderung der Gegenwart befteht, nuldet gar fein Phantafie-Sveal,
fondern fordert ausdriidlich das Wiedergeben der Де щен Geftaltung,
fet e& ans dem Gedtichtnif oder nach fichtharem Borbild. Jene giebt
ferner nur foldhe Geelenguftinde, Perfiulicjteiten und Thatjachen,
welde in Begiehung gum grofen Gangen des Menfchengefchlecdts
und feiner Gefdhichte беби, инф лоб fie um fo vollfommener geben,
je mehr fie das Ausfprechen ihrer Bedeutung und ihres inner Bue
fammenganges als ive hidhfte Uufgabe betradhtet, wodurd) von felbft
Grofartigfeit, Gedanfentiefe und hoher Styl bedingt werden.

Was foll aber vie Genremaleret mit diefen Cigenfdhaften, was
mit Shwung und Begeifterung, was mit Hoheit, die fic) in dev
Milbe und Liebe wie in блий und Strenge, im fpielenden Kinde
wie im denfenden Greife bei achter Hiftorienmaleret zeigen mug,
aufangen? fie wiivde geradewegs dadurd) vernichtet, und e& ware
Hhultd, al8 wollte man ven Text: „5! du lieber WAuguftin’, ober
Blithe Liebes Veilchen” ourd) Mozarts Pofaunenatforde beim rz
{deinen de fteinertten Gaftes wiedergeben, denn ihre Aufgabe ift die
SHitderung des fleinen Familienlebens mit feinen gemithliden Ver-
Haltniffer, die ftille Hauslichfeit mit ihrer behaglichen Umgebung,
bad Naive, Luftige und Traurige ded Boles bet feinen Freuden und
Geiden, furz die treue oder Humoriftifde und fathrifde Darftellung
pes Whitagslebens.
	Was aber foll, frage id) wieder, die Hiftorienmaleret mit Be-
haglichteit, Uiltiglichfeit u. f. w. beginnen? fie faun fie nicht geben,
ohne felbft gum Genre gu werden. Beigt fic) mum in geiftiger Ge-
иебииа ет fo unverfihnlicber Gegenfag gwifdjen beiden Gattungen,
fo wird diefer folgerecht nicht minder grof im Mealen und Yeachen
iberhaupt fein. G8 ift fcpon bemerft worden, daw der Bdealismus
feine Geftaltung aus dem Umvrif entwicelt, der Noturalismus da-
gegen die feinige aus Licht, Schatten und Farbe; ebenfo vevhialt es
fic) mit der Hiftorienmalerei dem Genre gegenitber. ene darf gar
nicht, was man fo nennt, mit Farben malen, d. h. das Mealen
und alles Dtachen mur als Mtittel gu hiherem wed betrachtend,
mu fie fic) mdglichft auf die grofen Grundfarben befdjrinten, mite
frog ihrer hohen Wusfiihrung die Wltdeutfchen, aber auch die Sta-
liener und felbft die Benetianer e8 machter. (Denn dad еще,
weldjes die friiher evwahnten Cfleftifer bet diejen fiir urfpriinglides
Farbenfpiel halten, ift Folge dev vtelfachen Verinderungen, welden
fie dur Sang, BVertwafden, Retoudjiren und Nachdunteln oder
Berblajfen ver Farben und Birniffe unterworfen waren.) Beim
Genre dagegen fommen Galle vor, wo das Mealen und Maden их
Hauptfade wird, und 8 hat itherhaupt die Wufgabe, jene fchinen
Heinen Sarbenfpiele und Gffelte, weldje die fidthare Natur fo
reizend imachen, wiedergugeben, b. 5. mit Farbe gu malen.
	Gin in diefer Wrt gemaltes hiftovifches Gemilde wird genre-
avtig, wihrend cin Genrebild in erfterer Art anggefiihrt, aufhsrt eis
folded yu fein, und darum doch nicht gum hiftorifchen Bilde wird.
Man diivfte nun wohl mit Recht erwarten, dag bet fo groper Ver-
fchiedenheit die Unterridtaweife und der Studiengang folgeredt von
Anfang an eben fo verfehieden fein witrden; dem ift aber nicht fo,
bent der angehende Genremaler und der werdende Hiftorienmatler
befuchen einen und denfelben Zeicjen-, Gyps- und Wftfaal, miiffen
diefelben Gegenftinde anf diefelbe Weife geidynen und malen, und
werden tabei von Бен вен Vehrern oder Grofefforen corrigirt. Nun