Damit fagen wir denn aud, Рав eS uns nicht von Haufe al  
Tadel gilt, eine neue verfucht gu haben. Die Wufgabe fonnte nicht
fo [ockend und reicbhaltig fein, wenn fie nicht eta allgemein menfdh-
liches Sutereffe, wenn fie nicht, beffer gefagt, ihr gutes Theil ewi-
ger Poefie enthielte, wenn fic) nicht auch im Leben die Gace tan-
fendfad), ja fiir jeden bedentenden Menfdjen wenigftens fpmbolifd
wiederholte. Heimath und Ferne! — wer entgteht fid) jemals villig
ihrer jauberifdjen Wechfelwirfung! Wer hatte fich nicht einmal beim
fernen Pofthoruflang auf gut-Cichendorffifch hinaus gefehnt: niet)
nur in die Helle Dondnadht, fondern aud) in eine unbefannte Meife-
Gerne; wer nicht beim Wbendgelaut frember Gloden zurii¢ in dte
fangentbehrte Heimath? Niemand, denfen wir, dem fic) wenigitens
ein Dichter gum Lefer wiinfchen wiirde.

Wenn e8 uns vemnach mehr auf die Wahl der Bilder ane
fommten wird, mit denen fold’ wohlbefannter Rahmen fic) new aus-
fillt, fo diivfen wir diesmal ihren Stoff im aflgemeinen febr glitd-
ИФ gewihlt finden. (68 Ш eine jener wunberlicven Ueberganga-
pertoden, fo sorzugsweife gteiqnet fiir die Bmede und Mtittel des
Romans, — e6 find die italifden Handel der ,, heiligen Liga”, ме  
wir mit dem fdplefifden Sungherrn Bernhard von Linden durehleben;
das Leste Wufleuchten des Ritterthums und das blutige Morgenroth
mobdernen riegerwefens, driiben Gafton be Foix und Pierre ou]!
Serrail, hitben die ,,Gewalthaufen” der veutfden Laudsknedhte; hier
der homevifdye Cingelfampf vor der Reihe, dort dte funftgeredhte
MArtillerie eines WAlphons von Ferrara. Cigenthiimlidfte Gegenfage,
nicht allein im duferlichen Thun, auc) in innerlicher Art und Gee
finnung, deutiche Trene, wie — deutfdye Gefinnungslofigteit, franzofifcher
Edelmuth, wie frangififdhe Grutalitdt Bor allem aber bietet fiir
fo farbenveichen Hintergrumd der adelige Abenteurer damaliger Beit,

Gleidgiiltig, uuterm Doppeladler fedtend,
Wie unter’m Ldwen und ben Liften,

   
 
 
 
 
  
  
 
 
 
  
  
	balo als Hauptmann аи ре Spike feiner Schaar, bald in einer
anbdern neber dent Bauernfohn pen Spiek tragend, halb fahrender
Paladin, halb gedungner SGoldinedt, ohne Befig al8 fein Sawert
und feinen Urm, aber mit ihuen iiberall von Ménigen und Repub-
Tifen gewiinfcbt und geworben, — er bietet, fagen wir, eine pradht-
volle Hauptfigur, die vor dem echten preux chevalier bes Ntittel-
alter bie genannten Contrafte vielleidht als ebenfo viel poetifce
Borzlige oder boc) Reigmittel voraus hat.

Hier ftofen wir nun auf einen Hauptpuntt, worin wir die
Ausfithrung ves vorliegenden Romans nicht auf der Hohe feines
Stoffes finden. Weber der junge ,,premier amoureux“, Bernhard
bd. Linden, noch der eigentlide ,,premiér role“ (wenn wir diefe frem-
den Bezeidhnungen entlehnen ditrfen), Fabian von Sehlabrendorf,
bev ,,fdpine” oder ,,ftarfe Gachfe , entfpredyen inveichend jenem
qlangendent, went immerhin nicht gang ungweidentigen Biloe, bad
wir uns von Shresgletden machen diivfen. itr dei суси ое
wir e8 eher noch gelten {alfen, dag er iit feiner deutfden Sugend
und Oyper-Unfaduld fo fehr an Fouque’s Ott von Trautwang, und.
an dhulice unbverwitftlid) biedre und engelfromme Ddeutfdje Ritter-
jiinglinge ber Blumenhagen und Tromfiy evinnert; aber ganz be-
forders fdeint uns aud) Schlabrendorf auf eine Weife ideal gehal-
ten, die ber Wirking bes Ganjzen Gintrag thut. Nicht ale wire
eine fo veine MRitterlidhfeit fojon jener Beit unmiglic) gewefen; das
wiirde die hiftorifde Geftalt Bayards widerlegen. Wher nicht fo-
wohl das hiftovifde, al8 das Afthetifche Bnteveffe leivet durch
bert ganglichen Neangel an jenen Schatten, die wiv doch bet einent fo
wildbewegten, abenteuerlichen Leben unwillfiirlid) vorausfesen, und
bie unter einer gefdhidten Hand immer noch ein edles und vitterli-
ches Bild iibrig (affen, ja durch ven Contraft Heben fonnten.
	  Уш meiften Hat uns in diefer Hinfidt bie Weife unbefric-
digt gelaffen, wie wir am Sdhluf iiber Sdhlaberndorfs friihere Ver-
fchuldung gegen Bernhards Mutter und Schwefter aufgetlart werden,
— jene Verfdhuldung, die dod) mehr oder weniger die Harptfpan-
nung des Buches ausmacht. Sie (uft eigentlich auf ein Носта
ftindnif Heraus. Fabian Halt (wie e8 fdeint in halbem и)
die verlarvte Wanda (die er wider Willen Liebt) fiir ihre Todhter
Ghriftine (mit dev ev verlobt iff), und entveift ifr in gartliber Um-
armung eine Ring, mit dem er am andern Ntorgen die wirflide
Ghriftine net. Gie erfennt den Ring ihrer — Mutter und
fejreibt dem Treulos - Geglaubten ab. Wie die Mutter зы der
Verlaroung, wie fie an den Ort jenes Borfalls font, ift uns
untlay geblieben, — und damit auch, ob fie innerlich vielleidht
fchuldiger gewefen, alS ber arme ,,fchdne Gachfe , ben fein
MiPgriff ans dev Heimath und endlich bei Ravenna in bie feind-
lichen Gpeeve treibt. Wir geftchen, daf wir, ohne ixgend eine Vor-
liebe fiir thatftchlidjen oder movalifcjen Ehebruch, die Verfduldung
etwas tragifder, der allerdings tragifden WWfung entfprechender ge-
winfeht atten. Ebenfo miifte jener Hijtovifde Zweifampf im
Beginn der genannten Sdjlacht (denn in der That evlegte dort eit
Sabian von Sdlaberndorf feinen fpanifdhen Gegner) mehr aus dem
Sunern des Helden entwickelt, er miifte vielleidht felbft vurdh per-
fSnliche Begichungen gu dem Geguer iiber den Gharafter eines vit
terlichen Goliathjtreichs emporaehoben werden.
	Unbdrerfeits iff, wenn wir unfern Blick von dem Helden auf die
Situationen ridten, der wabhrhaft hiftorifeh-tragifcde Conflitt, ver am
Borabend der Gehlacht die deutfden SGéloner gwifden Treue und
Lrene, swifchen dem Hetmruf ihres Kaifers und ber Verpflichtung
deS frintifdhen Soldes fcwanten lapt, mehr rein thatfachlid) erzihtt,
al8 wirklich poetifeh entwicelt. Wir glauben, Sdlaberndorf mufte,
nebft feinem Sreund Jakob von Ems, zum Trager diefes Conflitts,
iby Too in dev Schlaht mufte gur tragifden Siihne hres Unge-
horfams gegen Raifer und Reich geadelt werden, beide muften den
Zod — nicht fuchen, aber als nothwendige Folge empfinden und
bdulden. Dann wiirder wir aud) ten BVeijay ,hiftorifeh anf vem
Ritel des vorliegenden Romanes gerechtfertigt Hatten, und mit Freude
begviifen.

Wie der legtere jegt vor uns liegt, Hat ev eben nur in dem
oftgebrauchten Stun auf jenen Titel Anrecht, dag ev uns Erlebniffe
fingivter Perfonen auf gefchichtlidem Hintergrund vorfithrt, — denn
зи folchen rechnen wir jegt ben ,,ftarfen Gachfen” ebenfalls, tro der
Namensvetterfdaft mit jenem ritterlicen ,,Fechter von Mavena”.
Wir wollen nicht leuguen, jene Erlebnijfe find mit Gefchic erfunden
und erzablt; fie lefen fic) ganz angenehin und mit Butereffe. Die
haudelnden Berfonen entbehren nicht einer einfachen und folgeridti-
gen Zeidnung, wenn aud, wie бета, gum Theil der voller
lebenstrijtigen Farbe; dent braven alten ,Haugwig” fehlt auch die
legtere nicht. Die Schilderungen, fowohl Ме бубен, als gan;
befouders die militairifden (die Exftiivmung von Brescia, vie Sehlacht
bon Ravenna), machen fowohl dem Poeten als dem Kriegsmann,
bie das pfeudonyme Bifir verbirgt, alle Ehre. Wndverfeits witnfd-
ten wir die Schidfale unfrer Bresciancr Befanntfdhaften nach jenen
Sturm etwas Liirzer erzihlt, da uns in der That dod) nur bie Ret-
tung dex fdinen Fiorina intereffiren fan, — und daw der Sunker
bon Linden das widhtige Gefprad) gwifden dem ,,Sachfen” and ei-
nem Benetianer Abgefandten gwifchen ben Weinreben belaufden
mug, berithrt uns gu empfindlid) in einer afthetifcjen Sdiofyntrafie,
als dag wir e8 ohne einen Feiner Stoffeufzer: Et tu Brute, yor-
liberlaffen Гори.
	Verlag von Heinrid) Schindler in Berlin. — Фуше оси @ошИ вау Зои шт Зее.