Gleichwohl verfucht 68 hier unb ba cin беиетех und feinedsiwegs
immer ohne Gliid. Go fennen wir manche nenere Compojition vom
Goethe jden ,Bifcher” ;dergleidhen ift dann eben mehr im modernen Geifte
gemacht, unddaf fitv unfern individuelfen mufifalifden Stim der Zelterfce
Зее doc) nod) hiher fteht, ift eine Gache fitv fic). Lrogdem
milffen wir augbritdlid) erwahnen, dag wir nicht al8 Grofvater
redent, der an alten Kangen hangt, vielmehr noch lange fein halbes
Soabrvhundert denfer fennen und in mufifalifcher Beziehung weder
exflufin-faffifey noc) itberfaupt a8 Sachmenfd aufgewachfen find.
Wir fohretben lediglic) aus der Erinnerung der Dinge, vie uns bee
gleitet haben und find iiberzengt, dag cin Senner ber mufitalifcden
Literatur nod) mit unendlich mehr Beifpielen sur Hand fein wiirde.
Redenfalls wird fic) ergeben, dag Githe und Shiller fich durchaus
nicht gu beflagen haben. G8 migen nod) fit fte Mendelsfohn,
Robert Shumann und von der Gegenwartigen owe, Robert Franz ane
gefithrt werden. Flir Géthe’s und einiger Anderer lhrifche Gachen
giebt der Berf. die Fille von Kompofitionen felber ju. Und рее
nod erfennt ev die eitle Plage der Mtufifer tiber den Mangel an
Text an. Wir meinen, fo wie. Heine von groRen und fleinen.
Geiftern durch und durch fomponirt ift, Greiftgrath feinen Ldwen
gefunden hat, Ubland in jeder Kneipbuche fteht, Ronradin
Kreuser’s nicht zu gedenfen, der ihn fiir dew Galon fomponirie,
Wilhelm Miller fich Sehubert’s und Bollner’s rithmen barf; fo
wie wir binter einer Ausgabe von Robert Reinic eine Ungahl von
Componiften feiner Lieder angefiihrt finden, gewshnlich threr mehrere
jut einem und demfelben, fo wie der fdywermiithige Lena, der hei-
tere Hoffmann von Fallersleben, der itberall willfommene Geibel,
Tur; jeder Dichter, dev feinen Gers gu mtacen und an das Her}
per Nation ju treten verftand, aud) feinen Troubadour gefunden
hat, fo gut wird auch jeder honnette Dichter ferner fomponivt wer-  
pen. Uber je weniger Kraft und Originalitit ei Komponift hat,
defto mehr wird er nach neuen, noc) nicht fomponivten Gaden
fuchen und itber deren Ntangel flagen. Sm andern Falle dagegen
wird er fic) vor ber Fille des Reichthums nicht gu Laffer miffer.

ЗИ або die Rlage iber den Meangel an fomponirbaren Sachen
паф unferer Meinung fiir eine unberedhtigte und gang miiffige 3u
halten, fo exiftirt aud) um fo weniger die Nothwendighcit, eigends
Lieder fiir pen Bwed der mufifalifdyen Kompofition зи рен.

Gefest e8 wire fo, wie fieht e6 nun um dte vom Gerf. аи
geftellten Regeln aus? Er will gumidft, ав die finnlide Seite
per Poefie in dér Compofitionsdictung hervorivete und daher den
poetifden Gedanten in foldye Worte gekleidet haben, welde fdjon
fiir fic) den grifimbglidhften Wohllaut darbieten. Um die Widhtig-
fett Der Wohllautsregeln (VGermeidung gewiffer und Haufung ande-
rer Gofale 2c.) gu erhihen, fest der BVerf. die Mtiglichfeit des von
jedem Iyrifdhen Dichter zur Erfheinung gu bringenden Wohllauts
ber rhythmifden Bewegung, iberhaupt das aflerdings exiftirende,
aber auch fcjon fiir die Poefie auf iprem eignen Gebiete exiftivende
Gewicht der finnlicen Seite tyres Materials rillfiirlid) tief Hevab.
Gr Halt das Erperiment, nad) weldem ein reizendes Tonjpiel ohne
fiinftlerifohe Sree dem Laien wie etn wirtlides Tonftiteé flingen
fann, bet der Dichtfunft fiir unmiglich, mu® alfo niemals den
Scher, erlebt haben, der eine rhythmifd) geordnete Reihe- von
Wirtern, mit Ausdruct vorgetragen, dem oberflichlich Hinhsrenden
fo fingen [aBt, af8 ware etwas dabinter.

Nun ift e8 aber jedes Dichters, befonders des Lhrifers, felbft-
verftindlide Sade, auf den Wobhllaut feiner Sprache ganz befon-
bers yu achten, und cd ift befannt, welde fleipige Зее 3. %. це
rade Heine bet feinen anfcheinend mit Vernadlaffigung der Wobhl-
lautsregeln Hingetworfenen Berfen angewendet hat. Man fann fic
wohl, wie Riidert, pen Scherg machen und ein Gedicht ohne т
fcreiben, aber bas Wohllautsleid eigenfinniger Componiften зи
	an ihrer verwunderungsiwiirdigen Unfenninif dev neveren Literatur;
e8 ift und begegnet, auf ganglice Unbefanntfdhaft mit einem Dichter
gu ftofen, ber, fcpon weil er fo oft fomponirt worben, Hitte als
Sundgrube befannt fein miiffen. Wn jene Klage veiht fich oft die
giveite, dag alles Gute fchon fomponirt fei, und eder will gern
einen Text fitr fich allein.

Hier find nun fitnfig Veder — allerdings Krumen fiir die
Sdhaar der Bettler! — weldje nicht blok new find, fondern etgends
Conzerttotlette gemacht haben. Als ,, reine” Gedichte betradytet —-
um einen Ausrrud bes Verfaffers yu gebraucjen —- Иен die
Rieder, ofne durch ihren dichterifden Werth eine Hhervorragende
Stelle eingunehmen und, wie ed bei der im Vorwort ausgefprocjenen
Befcheidenheit ves BVerfajfers fcheint, einnehmen зи wollen, doch
zum Theil anmuthende lyrifee Ergiiffe genannt- werden. Zwei von
pen Gedidten find von Pauline Schanz, von denen das eine, ,,die
Sehneeflode” gu den beften der Eammiung gebirt.

Die allerdings ridjtige Unfit, da ein gedanfen- und wort:
reiches Gedidt die Wabhr{cheinlichfeit guter Romponivbarkeit gegen
fic) hat, darf nicht, was freilid) oft gefchieht, den Sdlug ergeugen,
pag wenig fagende oder gar glatte Dichtungen als Texte griferen
Werth haben als jene. Sie haben itberhaupt fetnen. Lhrifche Tiefe
und Gediegenheit ded Snhalts find niemals Feinde der mufitalifcen
Verwendbarfeit. Bu wnferer Freunde erfennt ver Berf. das an. Er
begniigt fich aber nicht damit. Bielmehr fucht er in einem Bors
wort bie Regeln gu fiziven, mach denen Ltederterte gemacht werden
шие. Auf dtefe Uuseinanderfesungen mige uns erlaubt fein,
ein wentg naher eingugehn.

Wenn wir dabei die Anficht voranftellen, dak man iiberhaupt
еше (hrifcyen Gedichte zum Bwed der Compofition auf Vorrath
machen foll, fo fcjeint freilid) ein foldjes Gingehen auf die vorge-
tragene Lehre miiffig; pennoc) aber fennte ja die Entmiclung iibergeu-
gende Puntte Ни’ uns haben. Wir finden auc) wirklicy Regeln an-
gefithrt, die fic) ein [prifder Dichter darf gefagt fein Laffen; aber
fie gelten ifm al8 буфет Dichter, nicht al8 Gompofitionslieder-
Dichter. Das Wahre aber, das der Berfaffer vortragt, verfteht fid
von felbft.

Wie derjelbe tiberhaupt von der von uns fitr falfd gebaltenen
Anficht ansgeht, als miigten fiir die Compofition befondere Gedichte
gefdrieben werden, fo ift aud) die etuleitende Bemerkung unvidhtig,
welde ihm diefe Mothwendigheit bezeugen Helfen foll. Gr fragt,
»warum die Componiften fo felten die Dichtungen Schillers und
anberer Glaffifer wahlen, ba fie doch gweifellos auf einer hihern
Stufe der Vollendung fiehen, als mancher Ciedertext, der, obwobl
jon oftmals fomponirt, boc) immer wieder anf’s Neue zur mufi-
falifden Bearbeitung angieht.” — Der Verfaffer ignorirvt hier g&nj-
lid, dag nicht blo® fein Lied von Goethe und Schiller exiftiren
plirfte, pas nicht vielfach componirt worden, fondern daf fogar die
Vingeren Balladen ver Meifter alle und gum Theil gang herrlid)
in Wufik gefest find. Gelbft vie ,Theilung der Erde” Бар Зее
fich nicht entgehen laffen, von dem befanntlic) Goethe faft gang
purccomponirt ift und — jum griften Theil — wie etngig fcpsn!
Wir erinnern ferner an die Compofitionen von Andreas Romberg,
pon dem wir aud) Sdjillers ,, Glode” haben. Bumfteg componirte
Biirgers ,,Geonore” gang durch. Auch Mozart hat Sdhillerfdje Gee
pichte in Mtufil gefegt!, Beethoven fehr viele. Und trogdem, dah
unfere beiden grofen Dichter von den Beitgenoffen mufifalifd) wie-
pergegeben wurden, fo hat fie doch der itberveidhe Frang Schubert,
fie vor Allen wieder vorgenommien, und ihre flaffifhen Gachen
find 8, denen ‘er feinen Melodienteppich unterbreitete. Daf fic
pie heutigen Gomponifter befinnen, nad) Schubert nod einen Goethe-
fchen Text angurithren, ift uns begreiflich, wer vermichte 3. B. den
_, Mtufenfohn” gu evreiden? Aber ift bas die Schuld ver Dichter?