Goll e8 nod) erlaubt fein itber ben Litel gu reben, fo modchtert
wit ber im Romane burd) Barbara ausgefprodjenen Behauptung
nicht beitveten, ba er uniiberfegbar fet. Uns bditntt: ,, Xoel bindet ’
bedt vollfommen bem frangofifden Sprud. Aber auch bas ,, Talent
bindet”, und 8 miifte miglic) fein, dak mat einen Roman von dem
wadern Orn. Verf. empfinge, der, ftrenger Runfiform geniigend,
nidit minder alle Cigenfdyaften бане, welche feine Bitcher fo angie-
und utterhaltend maden.
	Agnes Pernaucr.
	Bm Roman ift dtejer Conflict юши vorhanden, ben der ииде
Grof Hermann Cicengriin ift das letbhaftige Chenbild feines wadern,
friftigen, fic) immerbdar jung filhlenden Lebemannes von Bater, die
Hlafirtheit, in welde er gerath, ift eine voriibergehenbde, und fobald
fie voriiberging, ift fein Zweifel vorhanden, wer von beiden, Bater
oder Gohu, Mathilde heimfithren werde; mabrend ihrer Andauer
barf man e8 nicht fity unmiglid) falter, dak der Sohn fic) mit
Mathilbens Mutter, einer jung geblicbenen, lebhaften und intriguans
ten Weltdame, und dex Vater mit der Todhter vermahlt.  Gleid)-
wohl ift Cichengritn Vater auch eine Beitlang der Anbeter der Ba-
ronin Mutter. Diefe aber liebte dent jungen Grafen, fo dah Vater
unb Gohn die junge Baronin, und Mutter und Tochter den jungen
Grafen geliebt haben. Diefe vier Menfchen werden nun von den
fich freugenden Neigungen gu-einander Hin und Hergeworfer, bis die
beiden jungen зих Vereiniquug fommen und die Majoratsherrjcdhaft
pon Cichenau antreten, indeR die beiden alten: fie cin vielbewegtes,
ja abentenerliches, ex ein thatiges und avbeitvolles eben auf ftiflen
Заре зи beendigen befchlieBen. Wie gefagt bat diefe Ber= und
ину mit ber, Devife des Haufes Cichengritn unb bes ог
mans, wenig ober nidts gu thun. Bhr find vielmehr die beiden
erfter Bande gewidmet. Wir erfahren darin die Gefchichte der
Tante Barbara, in deren Leben diefer Wabhlfpruc) wirklich eine be-
Heutende Rolle fpielt, fo wie fich auch Gelegenheit genug giebt, dad
hema itber den wabhren und falfehe Adel abgubandeln. Dabei
fanu nicht geliuguet werden, dag in biefes, gemiffermafen fitr fic
abgefdhloffene Bild die шум der Gefdichte im dvitten Bande
mit Herein retden. 3. B. fiefert dev fic) dort in Gefundheit und
Kraft entfaltende edle Charafter des Grafen Hermann die Gewihr
fiiv bie burch fpdtere Blajirtheit uidht зи vernidjtende Unverwitftlid)-
feit deS quien Rerns in ihm; Trogdem aber, dak died ber Fall ift,
hatte ber Dichter feine Unnwandlung in den herglofen falten Egoiften,
der mit Welt und Leben ginglidh fertig iff, nicht fo radifol geidpnen
follen. Wir vermuthen, bak hier pliglich per Luftfpieldjavatter anf
tritt, Der in ber Entfcdhiedenheit, womit er fic) in der angegebenen
Weife auslegt, bet uns den Glauben an die Unwiderruflichfeit diefer
Unwandlung ins Sdhlimme erjeugt. Wir Laugnen nicht, rag dte
Spannung dadurc) vermehrt wird, fo wie der Dichter iberhaupt
berfteht, ben Vefer in Spannung зи erhalten; aber wir ftehen aud)
nicht an zu behaupten, dag das Schaufpiel von organifch vov unfern
Augen fich entwidelnder Wandlunger doch auf vie Dauner feffeluder
ift, al8 diefe effectvoller Spannunger, welche immer eber auf dic
DBiihne gehiren. Wuf diefe Weife ift hier mehr Talent auf diejeni-
gen Partieer des Romans verwandt, wo eS fic) um Schilderungen
des Seins, als wo eB fich unt die des Werdens handelt. Zuftande
in allen ihren Bezichungen ausjyumater, fertige Chavraftere in allen
ihren cinzeluent Aiigen dargulegen, davin ift Meifterhaftes geleiftet. So
ift 3. GB. die alte Cante Barbara еше БЕ gelungene und {ебу
anjiehende Figur. Sie wird aber auch. durd) die iby gewidmete
Sorgfalt de$ BVerf. in dew evften beiden Banden faft zur Hauptper-
fou. Gerfohiedene andere Geftalten und Greigniffe werden herein-
gezogent und Ledtglich dagu verwandt, diefen Prachtchavafter tn feinent
vollen Glanze зи zeigen, fo wie fie aud) die Haupttragerin fein mus
der abgehandelten Maxime itber dic anftaudsenden fogialer Frager,
welche in ihrer Crévtering eine fey gefunde Ntoral enthalter..

Mus diefer Bemerfungen erhellt, oder wir milifter e8 noch bee
fonders hinjufiiger, bak, was aud) immer an dem Budhe Гебен
MAG, Ut eS gu ctnemt abgerundeten Kunftwerfe zu mtachen, e8 dod)
aud alle Borzitge befitst, Die der vielgewandte Verf. feinen Biidern
gu vericijen weif: Matitrlidfeit und Frifdhe der Darftellung, Hue
Mov und unverwiifilide Gefundfeit der Lebensanfasammy und, was
bas Befte ift, bei aller Wirklidhkeit fo viel Poefte: das DHaupterfer-
beritifs cines quien Romans. ‘
	Gediht von Katharina Dtezy. — Berlin, 1857. Verlag ра Я. ©.
Ober-Hofbuddrucderei (It. Deer).
	Gin Stoff, ber von je her um feites comantifdet und tragi-
{chen Gehaltes willen lebhafte Sympathien erregt hat, und Бабех
aud) vielfadh, gumal pramatijd), bearbeitet worden ift, обие daw ev
bis jest einem fiegreidhen Mreifter. in die Hinde gefallen wave, tritt
ung bier wieberum, und givar in eluent epifden Gedicht Рег торе»
nen Urt entgegen. Wir fewen die Gefchichte felbft, die Hier ше
wejentlide Erweiterung oder Verainderung erlitten hat, af8 befanut
porans, und wollen mur Ще ither die vorliegende Behandlung
derfelben fagen.

Buvorderft ift nicht. zu verlennen, dag die Verfalferin eine nicht
geringe Birtuofitdt im poetifden Uusorud, in Darftellung und Sdil-
perung, einen Lebhafter Ginn fiir bas eben der Seele wie der Nae
tur, feufdhe Gefinnung und bliihende Phantafie befundet; dap die
баба Нот und deutlich fortfdreitet, ohne frembartige Cine
mifdungen ober ftirende Gewaltfantciten, und dak die wenigen
Berfonen, Die uns vorgefiihrt werden, ohne innere Widerfpritche зи
	entfalten, anfdaulidy an uns vovitbergehu. Diefe VBorglige имен
unter Unftinden viel bedeuter; aber ed imu’ immerhin noch Bieles
hingufommen, wenn ein Gedicht uns in fetter Gangheit befricdigen
foll. Daf aud) dies gefdehen fei, finnen wir dev vorlieqendett
Dichtung nit nadrithmen. Gaon die Virtuofitit im Wusdrud,
Serer wir oben erindhuten, bat itberhaupt etwas Zweideutiges, zum
mindefter Gefihrlidses, gumal in unferer eit, wo, wie mar treffend
‘gefagt hat, fdjon die Sprache flix uns dichtet; fie avtet Leidt in
fchwiilftige Mtalerei aus, findet fich ally gern mit ber Phrafe ab,
wird in nachlaffiger, gedanfenlofer Sertigheit unflar und inforreft,
und damit unfcbin. Dies alfed liegt freilic) mod) nidt in der Na-
tur der Birtuofittt, die an und fity fic) fogar etwas Nothwendiges
ift; aber e8 Hangt fich ifr oft als Haplide Entartung an, und da8
ift bet dev. BVerfafferin nur gu fehy ber Fall. Sei e8, dak uns ,in
engelgletcher Schinheitsfiiile pes WeibeS garte Blumenhille” vorge-
fungen wird (wo Binnenhitlle des Weibes Leib bezeidhuet), oder dak
wir Hiren miiffen, wie der Stlirme Brand” Perlen an’s Ufer
wirft, wie der fchwargumbiifterte Held die Hohe Stirvne Har wie
fen” foll, und ,,feine Gruft ein herber Streit ourdjftreidt”, ja wie
heim glangoollen Turnier Dennody „сш dilftres Wel rings um die
reidhen Fahne gu бани Тени“; fo witrden wir nicht begreifer,
wie alle folde Unverfitindlicfeiten entftehen und gefdhricben werbdet
forte, went wir nicht faben, ав ие НЕ der unerbittlidhe Жени es
	fo gewollt Hat, Das Fann aber die Rriti€ eben nicht Беби щен;
vielmehy ficht fie fic) gegzwungen, det Schiden dicfer fogenannter
Birtuofitit weiter nachzugehen. Der vorliegenden Dichtung hat die-
felbe burch ihre Unnatur iberaus gefdadet. Hitbfdje, finnige Ge-
Danfen gehen nur gu oft in Sdwulft oder Phrafe unter; Reminis-
conjen und verbrandite Bilder bringen ПФ Lajtig im gewanbdte und
lebhafte Schilerungen ein, und vor einer gewwiffen Noerfdwanglider
Nebulifti’ verfohwimmt alfe Energie and Klarhett ver Zeichnung in
pei bebeutendften Scenen. Wir ftehen freilich cinemt weibliden SGan-