G8 fehlt alfo dem Ganjen bei allem dargelegten Gefdhid an
Erfindung und —.-trog ber vier Bande — an BPBroductivitit.
	Giinther von Sdwarzburg.
. Hiftorifeher, Roman in 2 Banden von Levin Schiicking.
Brag und Leipzig, Verlag von S. L. Kober, 1857.
	He8 Titelhelden Erivahlung zum rdmifden Kinig, feine Kro-
nenfehbe mit Warf ГУ. und befonders: fein vorzeitiger Tod durd)
	  Gift, deffen vie Gane ben Srankfurter Arzt Freyoant befdulorgte,
	bilden den Stoff des vorliegenden Romans, der uns мера зи
feinent Bortheil an gute Gliere Weufter, an den peutfden Dumas
feiner Beit, Spindler, ja fogar am den Ultmeifter Scott ине
inert. Sn des Tegtern breiter Fresfo-Manier ift namtentlic) ег „вес
burger Karl  nicht iibel gefehilderts an hiftorifdem und Coftiim-Detail
fehlt e8 fo wenig, als an dramatijd) tithner, oft alfgublihner Ver-
widling, und in dem тов Sehlachivitt des gifttranken Schwarz:
burgers fiegt felbft ein waderes Stic Ballodenpoefie, wie fie der
beriihimte Sdotte nicht felten guy romantific:u Krinung feiner Werke
angewenbdet fat.

Bei alledem fcheint eS net Berfajfer nicht vollig gelungen,
eine gewiffe Magerfeit des Stoffes gu iiherminden, die zum Theil
in bem gwar biedern und Hebenswwiirdigen, aber nicht befonders ine
tereffanten Gharafter de6 Helden, gum Theil in der rafcen und
unbefriedigenden Gntwidlung fetner (hifterifdjen) Gefchicte liegen
nag. Gin ganz paffives Moment, das Ber, iftetwerden, НЕ литое
	meidlich in den Bordergrund, und wenn man ed aud recht wohl
gugeben fann, ba die Sdhuld des Mtordes won dent cigentlichen
Angetlagten Freydant fowohl, als von den. politifden Sntereffenten,
Raifer Karl und feinem Kangler Dietrih Kagelwit, mdglicft ab und
auf ein Baar untergeordnete Sitnder gensifjt werde, fo find bod
pie Leglern ihrerfeits nicht benentend geimtg, ut wfer Sutereffe an
That und Фе зи бен. Dak Freyranks Tochter eine Nei
qung fix Giinther empfindet, pag der Levieve auf beilautig Hidpft
abenthenerlide Urt in den Verdacht fommt, fie ihrem Vater сие
fithrt qu haben, und diefem dadurd) Unto zur Rade nicht forobl,
als Gelegenheit fic) verdachtig zu madjen giebt, ift afferdings доз
swedinifig erfunden, uns bis gr dev That felbjft in Spannung ju
erhalten; be8 Urgztes Bob, der jchuldlos mit fetnem Batienten der
gleichen Lite gum Opfer fallt und obendvein nod per Nadhwelt
fhuldig gelten muf, hat fogar etwas Tragi{des, das einer viel grb-
fern Wirkung, als der hier angeftrebten, fahig wire. Mur ift dae
iit ba® Antereffe ded Buds vollftindig — leider aber nod lange
pas Buch nit gu Ende. Die fdine Margaretha ing Rlojier, —
per Merder Simfon in einer Weidenfchlinge ver Heiligen Vehme -—
bad Lief fic, glauben wir, faft fo fur; fagen, als wir eben де бан,
und fitr bed Legtern Spiefgefellen Edhter hatte wohl faum der new-
gievigfte Gefer eine rage itbrig gehabt. 8 verfdhnt uns wenig
pak wir eine ziemlid) umftindlide, vielleidt auch hiftovife) und jue
viftifd) fer treue und pricife Darftellung des Sreiftublverfahrens
in den Rauf erhalten; dev poetifche Reig diefer Dinge iff von Gig
pon Berlihingen und Katheen von Heilbron an, bis yu Spindlers
, Suden und Smmermanns ,Ooffdulen” ein wenig gar gu febr abge-
griffen worden, zahllofer Machbiloungen und Garicaturen in Ritter-,
Reubere und Geiftergefdichten nicht gu gedenfen.
	Was im Uebrigen die fchon erwahnten hiftorifcher und бои
Details anlangt, fo wiinfdten wir fir unfer Theil fie weder vere
mehrt nod) vermindert, wohl aber die Legtern hier und da’ frifcber
fowohl al pricifer, mehr aus Hefners Trachtenbiichern oder ded
	Ritters v. Maer , Heraldifcem W. B. 6.  als, (wie e& uns wenig-
	gerabe die haute volée in Mt. fann-ja recht gut jo bejdatfen ge-
wefen fein, wie dte BVerfafferin e8 fchildert, auch fonnte e& tn der
	Grfindung de8 eigentlichen Romans fetne Begriindung haben, рав
	minbdefiens die hier auftretendeh Berfonen aus den angeqebenen
Greifen ver Gefellfchaft gerade ben angegebenen Charafter trugen.
	Hier fommen wir aber an die Hauptichwtide ded Werkes. C8
ИЕ дах fein Roman; ¢8 ift feine eigentlidje Grfindung davin. Er
wird itherhaupt nur mébglic durch eine Willfiihr der BVerfafferin,
Рите еше Unwabrheit, die fie fich felber gerade bet ben Daupteja-
rafteren 31 Gebulden fommeen fat.
	Denn nachbem die Hanptfiguren alle ih lebendiger Schilderung
Korgefithrt worden find, in der Mitte des etftert Barides, fovitite vedjt
gut gefdloffen werden mit ber Berlebungsangeige: Ernft Wild und
Marie Blum, Verlobte. Weiter namlih ift man am Ende des vierten
Bandes auch nicht, und fo weit war man fcjon wor bem exften Ra-
pitel bes Romans. Und zwar aus dem einfacyen Grunde, weil
nichts entwicelt wird, weil die Helden gar nicht in ihrer Lebens-
evziehung gefdvdert werden; fie machen, trog alfes Grames und
Kummers cigentlic) innerlich nidts durch; umd nad ber eignen Wns-
fage der Berlobten am Gide bes vierten Bandes, ,, waren jte da-
mals (b. h. gu Anfang des Romans) recht oummy; jedennoc) widen
fie fic), wenn auch nidt fo, doc) noch oft auf andere Weife
betriigen laffen, jedenfalls hittten fie mehr Gli, als BVerftand. 
Diefe Beiden und ihre freugbrave CEltern, refpective Pflegeelter
namic, find von ber Gerfafferin fo itheraus freigebig mit allen
dDenfbaren Tugenden des Geiftes und des Herjzens, allen Talenten,
init foviel Lebensflugheit ausgeftattet, Dak fie von Rehtswegen gar
	nici unglicdtico fein бимен, dak c8 aber auch gar nidis an thnen
зи veredeln und git bilden giebt, die Berhaltniffe find auch derart,
bak fie duferlich nicht ungliclid) werden fdunen, Den Frieden und
beztehungsweife die Verlobung diefer Leute ftdrt der Cigenfinn der
Berfafferin ourch ein fofettes, falfches, ueivifches, herzlofes, oberfltidy-
fides MMidchen. Unb aus dex Uniwahrheit, da jene durch diefe gu-
erft getiufcht, dann Sabrelang in der Taufdung erhalten werden
und dod nad dev Enidecung aus ganz unnatiirlicjem, ja albernem
Tugendfinn, der uidis ift, als verwerflide Sdhmache, den Knoten
nicht durchhanen — aus diefer Untwahrbett erwwadfen nun die vier
Binde. So lange diefer Cardinalpuntt nicht beriihrt wird, fo treten
die oben anfgefithrien Vorgiige der Darftellung in Wirkung: fo wie
aber von Ernft Wild’s Herzensverhilinif die Rede, fo ift Wes un-
wahr und verfehrt. Wild felber iff dann ein unertriglidher Phi-
Lifter, ganz wie der Lange Sfracl bet unferm Freunde Benediz, dem
eS atch paffirt ift, bah er ben Philifter foilderte, als er das Sez
gentheil thun wollte; Marie, fonft an bas Romanhafte fireifend an
Riugheit, Mutterwis, Talent (man senfe nur, ohne je dergleiden
gelibt gu haben, обие je dffentlid) anfgetreten gu fein, fptelt fie eine
fey fojweve Molle mit dem Gefchic einer erften Schaufpielerin) bere,
fiert dann den Verftand und die prichtigen, fletBigen Mtajorsleute find
por Dummett und Lethargie gav nicht yu fennen. Emma Rofe  
Dagegen wird dann ebenfalls bis sur Untenntlidhtett tolentooll und
gefchetdt gemacht. Ste verliert am allermeijten burd) die ihy gugemuthe-
ten Ueberiveibuugen. Goll fie wicht iibertrieben gefchildert fein, dann
wave fie am allervwenigiten diefe Perfon, die betm Cintritt ves Sahe
xe8 1848 die Slligel Hangen liefe; fie wiirde nur den Sechauplag
und die Mtitfpieler vevindern, feineswegs aber das Spiel aufgeben.
Gs foeint aber, daf fie 8 thut. Gewiffes erfahren wir nicht dare
liber; da die Verfafferin fiir gut efunden hat, gerade diefenige,
auf deren Sdhilderung am meiften Miibe vevwandt ift, bie fie als
Haupthebel und Hauptmittel gebraucht hat, den Roman anf 4 Bande
at foannen, bet Gette Liegen gu Laffer, fo dag man factifey nicht
	exfabri, was aug thr wird.