Jileratur- Dlg
			Heut(hen Runkblattes.
	Hormteritag, den 12. November.
				нба: Gimmtlihe Lragbien des Euripides. ен itbertragen von rary Frige. Г. Зап. — GSopbhonisbe.
	HUTT er,
	Sammtlide Cragosdien des Euripides.
	Wretrifd) ubertragen von Franz Frive.
I. Sand. (Rief. 16.)
Berlin, 1856 unb 57. Berlag von H. Schindler.
	Wir evittnern uns, in einer vor mebreren Sabren erfestenenen
Biographie des befaunten trefflidien Ueberfesers Gries einer eigen-
thitmlichen lage deffelben begegnet gu fein. Gr fpricht namic) in
einem Briefe feinen Gchmerz dariiber aus, daf er in der ебет:
fegung eines Werkes, auf die ex viel Gifer und Beit verwandt und
bon der er geglaubt hatte, da jie ihm vorgiiglid) gelungen fet,
ploglich von einem jungen, new auftvetenden Ueberfeger fich mitfte
iibertroffen fehen. Diefer mene UUeberfeser war Donner.
	SGowohl jene Unerlennung ves ЗЭ@етей al8 auch der damit
verbundene Schmerz gereichen Gries gur Chre. Wber e8 ift ein
Gefithl, auf bas alle Ueberfeger fich gefaft machen mitffen. Wie
die gebildete Sprade, die fiir uns didhtet und dent, fogar die Runft
bes Dichtens den Spatergeborenen erletchtert, fo auch und in nod
hiherem Grade die Kunft des Nachdidtens von Sahrzehent зи
Sahrzehent. Denn die Sprache ijt in einer beftandigen Entwidfing
begriffen. Sebdes geiftige Werk bereidhert fie um ein neues Wort,
einen neuen Sinn eines alten Wortes, eine bedeutungsvolle Зиг
fammenftellung, etne eigenthitmliche Gabverbindung, eine Leife, aber
pragnante Schattirung. Deder Hhilft mit, fie reicher gu machen.
Neue Erfinoungen tm Kunft und Wijfenfchaft, im gewerblichen wie
im commerciellen Berfehr, verlangen neue Benennungen; neue Wn-
fhauungen ded Philofophen wie ves Poeten vingen nad bezeichnen-
pen Ansdritcden fiir fidh, und die Fille neuer Nitancen ethifcer und
afthetifher Betrachtung erobert ebenfoviel Nitancirungen ber dar.
ftellenden Sprache. Die Kluft, die in den Urfprimngen ver @ртафе
уст Gigenfcjaftéwirter voneinander trennte, wird ausygefiillt im
Qauf der Iahrhunderte, burd) bas feiner, reidher und maunigfaltiger
entwidelte Зебеи, Фит die fteigende Blithe ber Cultur, durch die
Herrlichen Werke der Dichter und Weifen, von zahlretcen vermit-
telnden Begetchiungen, die immer concifer jede noc fo fein empfun-
pene Gigenthitmltchfeit sum Ausdrnd bringen. Und das frither gering
befaitete Suftrument der Sprache verdielfiltigt feine Octaven und
gewinnt einen веки ber Dine, ber gwifdhen den gewaltigen
Kidngen der Leidenfdhaften nod) ungahligen Empfindungen und Ge-
filhlen, ihren Anflangen und Wusflingen, Ton und Schattivung yr
verleihen weif; und in glangenden Baffagen thut fic) fund, was
per Genius fritherer Zeiten mit dem amgefitgen Werkeug feiner

 
	Sprache nur durntel und rathfelbaft anguder .
Literatur-Blatt. Dyelhayt ang ten rermochte, und was
	Замер im fins Weten vow Ebuarb
	рее Gefchledhter jekt voller Bewunderung in die reichere Scala
ihrer Gedankens und Empfindungsfprade зи ithertragen vermigen.

Зе тебе Entwidlung der Sprache fommt natitrlich auch
Дебет fpateren Ueberfeger gu ftatten. Wbgefehen davon, Daf auch
	 rfennitnif und philologifde Ergriindung dev fremben Sprache, aug
	der uberfegt werden foll, beftindig wadft, und ebetfo die синие
und literarbiftorifche Anfchauung von dem fremben Volfe und per
frembden Geifteserzeuguiffen: fo bietet auch die mannigfaltiger де
jwordene eigene Sprache immer mebr Mitel, aud auszubritden,
was man erfannt Hat, angudeuten, leife gu tdnen, зи individualifiven
und gu verlebendigen; und fo, auf den Schultern feiner Vorginger
und Vorarbeiter ftehend, wird man, bet nur gleider Begabung,
naturgemag Xrefflidjeres yu leiften im Stande fein.

Sener Donner, von bem Gries in dent angefiihrten Briefe
fpricht, hat fid) fpdter befanntlic) aud) durd) treffliche Ueberfegungen
Der Alten verbdtent gemacht; fo erfchien von ihnt feit 1841 die Ver-
veutfdung der Cuvipideifden Tragddien. Wher der natiirlidhe
Schmerg, den ev damals Gries bereitet, — ihm felber ift er nicht
erfpart шотреи. Denn wir glauben beftimmt, аб сх bet unbee
fangener Priifung der vorliegenden Frigefhen Ucberfesung wird
einfehen und jgugeftehen mitffen, dag die feinige weit itbertroffen
worden ift.

Ge iff noch nicht gu Lange her, dak wir iberhaupt eine voll
fttindige Ueberfebung tes Curipides befiken. Zwar hat Schiller
bereits die Sphigenie in Aulis itherfegt und Wieland den Зои,
jener mit gu grofer Greihett in Iutalt und Form, aber fchwungvoll
und fchin, diefer giemtich ungeniigend; manden Wnbderen nod, naz
mentlicy Mindwik, verdanfen wir einjelne Uebertragungen. Wher
die erfte vollftindige umd gugletd) feidlic) lebare Verdentfdung ift
bie in Mannheim erfdhienene von F. H. Bothe. Weit bedeutender,
реш Original fich anfehmiegend, in gutem Dentfd) und dabei in
fiinftlerijcer Hinficht adtungswerth, iff die bereits angefithrte Don:
nerfche (Heidelberg, 1841 ff.), die einjige, die mit ber min wove
Liegenbden Fribefdjen eines Vergleiches wiirdig iff. Зее Manner
find grimbliche Renner des Alterthums und in philologifder Hin-
ficht mit offlem Exrforberliden ausgeriiftet; trogbent НЕ ded Lebteren
Ueberfegung corvrecter. Beide itberfegen nicht nur getveu, fondern
mit eingehendem Ginn in das Original und mit feinem Gefdmac;
aber der erftere ift oft fchwidhlich und ohne Rraft, fo dak er
um einen ftarfen Uusdrud зи gebrauden, gutweilen den Text vers
ше. Beide fchalten mit grofer Феи itber den Reichthum
ber Sprache; der lestere jedod) noch freier und gugleich entfprechenz
ber, was namentlicds glingend in der Ueberfegung ber Chive Herz

portritt, Beide find beftrebt, in der Uebertragung ein dichterifces
93