Das Spiege(bild eines ganz beftimmten gefellfchaftliden Bue
ftanbdes feft halt, jo wird auch eine Gammiung politifcer
Gedichte nur dann einen Dleibenden Werth haben, wenn
Darin auger ben geiftigen Stromungen aud) die Menfdhen
gefchilpert find, die von ibnen fortgeriffen wurden, wenn wir
nidt biog ein Compendium der frommen Wiinfde, der
Staatsweisheit und Staatsthorheit einer Zeit naran ета
ten, fondern eine Galerie von Charafterfdpfen, einen Tum-
melplag wirflider Geftalten von ЗИ ить Blut,
	Sine [0(64е „абдевиме Chront” fetner Beit Ш der
	mifige Band, in welchem GSinfeppe ОФшйг$ Gedichte vor
ung legen. Dem Hiftorifer jener Cpocde werden fie der-
einjt als eine unfdagbare Quelle Мене, dem Boll Staliens
al8 der getreufte, ке спи abnlidhe Sdhattenrif
feiner Vergangenheit, den Freunden ver Poefie zu allen
Zeiten als ein Gegenftand der Berwunderung, wie e8 mdg-
lid) war, den allerpopuldriten Ton mit der hichften Wirde
unvergleidlicher Runjivollendung und aller feelifcden Fein-
Бен nes edelften MNaturells fo ficher zu vereinigen.

Was wir von dem dugerlich wenig wechfelvollen Leben
diefes merfwirdigen Manned wiffen, verdanfen wir einer
bingraphifchen Stige fetnes Freundes, des Anvofaten Leo-
poldo Cempini, die bald nach Giuft’s Tode im Florentiner
Coftituzionale erfchien und der neueften Wusgabe feiner Ge-
обе (Baftia 1856) vorangedruct Ц Зе уме wurde
Giufeppe Giuftt in Monfummano, einem Caftell in Val vi
MNievole, zur Linke des Weges, der von Floren; nach Pefcia
fithrt, am 12. Mat 1809 geboren. Schon mehrere Genera-
tionen vor ihm hatter fic) Glieder feines Haufes durd) ehren-
vollen Antheil an politifden Meformen ausgezeichnet, wie
denn auch die Familie durch Vermigen und Bildung yu den
angefehenfte deB Landes gehdrte. Den erften Unterricht
empfing der (ebhafte, friih entwicelte Rnabe auf den Cofle-
gien von Piftoja und Lucea; er wufte fpdter wenig davon
gu ribmen. Seine Bertrautheit mit den lateinifchen Raffi
Fern verdantt er dem Sleif der reiferen Sabre, tm Griechi-z
{chen brachte er e8 nicht iber die Renntnig des @Wlphabets.
Tagegen regte fid) das dichterifehe Talent fchon auf der
Schule, und e8 ift bedeutungsvoell genug, Da unter den
erjten Berfuchen, won denen bherichtet wird, fic) fatirifche
Strophen im lucchefifchen Dialett befinden.

Зиг ое паб Чаи ет Bujehnitt nicht febr fre
Derlide Schulgett folgien vier frdhlidye Univerfitdtsjahre in
Иа, te denen e8 mit Der Furisprudeng weniger ernft ge-
nommen wurde, als mit dem Studtum ber pagina della
vita und der grofen nationalen Poeten, unter denen e8
Dante bald allen Wnderen abgewann. Dieje Pifaner Beit
Ш die Glangeit in Ginfti’s Leben. Mody Lag die ernite
Aufgabe feines Talents cen Gedanten und Wiinfden des
Siinglings fern, Was an Verfen damals entjtand, deutete
nur dure) den treffenden Wig und die elaftifce Munterteit
Des Stils auf die Role voraus, die dem jungen PBveten
vorbehalten war. G8 jdheint, dak exft in Floreny, wo er
nad) gejdehener Rromotion bet dem danrals fehr bejddfttg-
ten Advofaten Capoquadrt (nachherigem Minijter) yprattijes
arbeitete, feine politifdyen Organe fic) yu fehdvfen anfingen,
und ¢8 fonnte nicht fehlen, rag dte revolutiondren Wirren
268$ Gahres 1831 feinen Charatter rajdy und синей
	geitigten. WS dann Э(Ше8 wieder in Die Lethargie des Frie-
Dens zuritdjant, brannte die Flamme in Giufti s Gemiith
fort und er befchlof, fie nidt unter den Scheffel gu ftellen.
Er war fic) vdllig Har dariiber, wie viel eine Kraft, wie
bie feine, unter den ramaligen Mmitinden werth fei. Bor
Da an fcheint er jede dufere Wirffamfeit verfemaht und
nur dem Berufe nadgeftrebt zu haben, zu dem, wie der Er-
folg ihn bald lehrte, er fichtharlid) vom Himmel ausgeriijtct
имей war.

Die exften feiner fativifden Verfe, die aus dem engiten
Sreundestreife von Hand 3u Hand in jene verjtohlene Oef-
fentlichfeit gelangten, wie fie dure) den Druck de3 abfolu-
ten Regiments bedingt wurde, wirlten mit bligartiger Sadlag-
und Zindfraft. Der SMibnheit ves Wngriffs fom nur die
Wahrheit der ge[dilderten Zuftinde und die poetifche Energie
Diejer Sdhilderungen gleich. Man ftaunte, in dem allge-
meinen Schlaf die Stine diefes wachen Geiftes yu ver-
nebmen, der feiner Beit thre Trdume auslegte. Mit uner-
bittlidher Scharfe bes Blicts fal er in die Tiefen des daz
maligen politifchen Elends, und weit entfernt, wie e8 je njeits
der Alpen Braud) war, das Boll alS eine Maffe unter-
driteiter Unfehuldiger zu preifen und alle Verantwortung den
Herridenden aufyubiirden, traf feine Geigel mit riicffichts-
Iofer Gerechtigteit Hoch und Riedrig, den ,, Minig Morpheus”

Den Kranz von Mohn und Lattids unt die Sdhettel ,

Der feiner Unterthanen Sitmpf? und Beutel

@leic) troden шафе.
nie Die politifchen Wpojtaten, die falfchen Demagogen, vas
Heer der Heinen, in Toscana hefonders hedientenhaften, Be-
amten, Deren Motto ijt:
Personifica in te la reverenza!

bie verrottete Srivolitdt der guten und [ehlechten Gefell-
{dhaft, die Humanitarier, Spione, Sbhirren, das ganze faule
Gefindel, Das im breiten Schatten des Polizeiftaates es
fic) wohl fein lieg. Gewiffe Sypen, die er zeichnete, mit
Der ficheren Meifterjdaft feiner mafig farrifirenden Hand,
Die das Leben in den Figuren nicht verzerrte, nur durdh
behutjame Stetgerung verewigte, gewiffe Genrebilder, die
er mit der vollen Rraft dramatifcher Gegenwart bis in die
fetujten Geberden ausmalte, werden 3u allen Zeiten gleich
den beften Gejtalten der arijtophanifden Mule als flaffifce
Mujter fomifcer Charatteriftif vaftehen.

PWabhrend aber fo die Popularitdt des ,Anonimoy Ts-
canto” weit ither die Grenzen de8 florentinifchen Sdioms hing
cuswuchs, und dem Dichter viele yer edelften Geijter Sta-
ten, Manzoni, Maffimo v zeglio, Gino Cappont fich eng
befreundeten, wurde feine Gejundbeit immer {chwantender,
feine Etimmung immer trither, Wie viel Antheil hieran
eine bittere Herjenserfahrung hatte, die er lange Fabre bine
purd) nicht verwinben fonnte, ift aus den f{chonenten ne
Deutuigen Per Biographie nicht zu entnehmen. Die went-
gen Berfe, die hie und da in den Gebdtichten dieje Duntle
Stelle in feinem Leben mehr jftreifen al8 berithren, vere
rathen in aller Sdlidtheit ein fo ernftliched Nachgefithl
bes erlittenen Schlages, tak diejer Kummer als ein nidt
geringes Gewicht yu den politijehen Nithen fic) gefellt haben
mag, die auf ее jarten und (еее ен Gemithe
verderblidy {afteten. г

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