Nur gejdlojjen hat, um ein recht gwanglofes Leben fithren
gu fonnen. Der Hauptreiz der Che bejteht parin, daf fie
das Vergniigen per Ausfdweifung our das Pitante eint-
ger Damit verbundenen Gefahy erhdht. Dak eine Frau
einer ftarfen Verfudung erliegt, ift zu einem fhbwachen Moz
tiv geworbden; fle fudht fie von vorn herein felbft auf, aus
finnlicher Begierde, die Durch das dine Gewebe von Her-
gensempfindung, womit fie umbillt wird, deutlic) genug
hindurdfchaut — oder aud) aus flanger Weile; wo fich denn
in dem Raffinement, mit dem fie dabei verfihrt, Erfindungs-
gabe und Kunft der Dichter zeigen. Und an diefen Sticen
ergdgt fic) At und Sung; ven einer Empiniung des fitt-
Lichen Gefithls АВЕ ПФ nidts fpiiven. Wher freilich, dte
Feufchen, gejchmadvollen und feinen Obren werden durd
grobe Worte und Bweideutigfeiten nicht beleidigt, und da-
mit ijt bem, was man Chrbarteit nennt, Genlige geideben.
Sch weif diefe gdngliche Umtehrung ves Begriff von dem
Der СИЕ Gefahrlidyen nicht beffer yu bezeichnen, als
durch eine Bemerfung, die ich {hon etmal an einem andern
Orte gemacht habe. Man fieht bei den Auffithrungen fo
griindlic) unfittlicher ОН in Paris in den Logen eng-
Lijche Damen mit ihren Tddtern, yon denen man Fihn wet-
ten роду, рав Пе den fittlich ftrengiten aller dramatifden
Dichter nur in einem verftitmmelten Family -Shakspeare
fejen ditrfen. З(и Ueberfebungen und Wuffithrungen folder
Stide in Deutidland, wenn auch nicht gerade der heil-
Yofeften, feblt e& aud) nicht.

G3 gibt indek eine noch tiefere, noch fehlimmere Um-
fehrung des Begriffs vom Sittlicen und Unfittlicgen, wenn
ndmlic) eine unnatiirliche Begierde geretnigt und geadelt
werden joll durd) thre BVerpflangung auf das Gebiet des
Hevzens und der Seele. Gerade das Gegenthetl wird er-
reidt. Das fdlagendfte Beifpiel einer folden Verirrung
Der Poejie gab gegen das Ende des vorigen Fahrhunderts
der Verjuch eines italianifdhen Dichter’, den unteufcheften
aller Stoffe ju vergeiftigen. Sch meine Wlfieri’s Myrrha.

WE wor einigen Jahren die Riftori pure) ihr Sptel
in Berlin die Zufchauer entgitete, und auch al Myrrha
BVewunderung erregte, gab dies einem jungen Manne, der
al Dichter von Novellen fehr eigenthlimlicher Urt ein nicht
gewdhnliches Talent bhefundet, Gelegenbheit, in einem eigenen
Schriftchen * als Bewunderer nicht nur der Darfiellerin, fone
bern auch der Tragddte aufyutreten. Die VBegeifterung fiir
eine слове Schaujpielfunft ijt mix nicht fremd; ich) habe
рее Wunder in meinen jungen Jahren an Mndern und an
mix jelbft evfaren, und glaube feft, dag die Damaligen Ginz
bride fogar nod) tiefer gingen, al8 die, weldje die jebige
Sugend erfahrt, weil fie viel nachhaltiger waren. Wir fonn-
ten ung von meijterhaften Leijtungen auch in feblechten
Sticen hinreifen Laffen; wir bewunderten die Gabe grofer
Sdhaujpieler und Schaujpielerinnen, itber den Dichter und
Теме Sutentionen Hinauszugehen, einen geringen Charatter
durd) einen poetifden Hauch, Der aus Det Darjtellern fam,
gu verflaren. Uber wir verblendeten uns darum iiber die
fehlechte Beichaffembeit der Stiide micht, weldye zu fo grofen

* Der vollfidudige Titel dev Brochitre lautet : Gedanfen liber Wifieri
	иир ре еи Зхадеме Mirra bet Gelegenhett des Gaftfpiels ber Dtadame
Riftort. Berlin. Sdneiber u. Go, 1846. W. b. Reb.
	Wirkungen феи УпцаВ gegeben hatten. Bu etnem Urtheile
wie Das in jener fleinen Sehrift itber die Myrrha gefattte,
dak AWifiert mit der Wahl diefes Sujets nicht nur nicht
feblgegriffen, fondern eine herrlicje Tragddie hervorgebracht
habe, witrde uns auc) das Exftauntichfte, was die. Mimen-
funjt irgend 3u Yeiften vermichte, nicht hingeriffen haben.
Dod tann man allerdings auch fchon bet einem frihern
Зее Тен, dak der Dichter in der Hauptrolfe dtefes
Stites einen weiblichen Charatter von Zartheit und Жене
heit der Entpfindungen geseichnet Habe. Auf mich macht
die Myrrha einen diefen Urthetlen fanurjtracs entgegenge=
fegten Gindrud. Ueber Alfieri’s Dichterwerth im All gemei-
nen fann ic) nicht anders denfen wie Augult Wilhelm
Schlegel. Wher darauf tommt hier wenig an. Denn man
бе diefem Didhter groke Berdienfte zufchreiben, und dod
jugeben, Daf e8 einen irrigern Begriff vom Wefen der traz
gifchen Poefte gar nicht geben fann al8 den, nach weldem
Diefes Trauerfpiel entworfen ijt.

E8 wird ndthig fein, eine furze Bergleichung anzujtet-
Ten gwifdyen der Ueberlieferung und Uuffaffung der Fabel
bet den Alten und der Umgeftaltung WAlfieri’s. Der Dichter
Panyajis hatte, wie wir aus dem Apollodor wiffen, erzdhit,
dak Myrrha, die er Smyrna nennt, weil fie die Aphrodite
verachtet, von der gitrnenben Gittin zur Liebe gegen den
eigenen Vater entflammt worden fei. Unter Beihitlfe threr
Amme fet fie swoHlf Ndchte Bettgenoffin des BVaters, ihm
felbft unbewuft, gewefen; al diefer e8 endlicy inne gewor-
Den, habe ex die blutiddnderifche Tochter mit geslidtem
Schwerte verfolgt, bis die Gitter auf ihr Flehen, fe une
fichtbar yu machen, von Mitletd bewogen, fie in einen Myr-
rhenbaum weriwandelten. Diele Gefdhicdhte hat Ovid als
eine in feiner Weife ansgefchmidte dem zehnten Buche der
Metamorphofen eingewebt. Wie hatte er fich auch einen
Сы entgehen lafjen mbgen, der dDurd) den in ihm liegen-
	‚ рей Оедешав des Menfchlichen und des Thterifchen den
	willtonimenften Убив ум Wntithelen im, Wusdeud darbot!
Uber pas Gefiihl, dak er erzadhle, was beffer verborgen
bliebe, hat er nicht verhehlen wollen, und e8 gleich im Cine
gange bem Orpheus, den er die Gefchichte vortragen Lapt,
in den Mund gelegt:

Dira canam; natae procul hinec, procul este parentes:
	Aut, mea si vestras mulcebunt carmina mentes,
Desit in hac mihi parte fides; nec credite factum.
	Und nod) ftarfer betont diefe Whwebhr mit richtigem Gefub!
Der poetifdhelte unter den Ueberfekern der Metamorphofjen
in eine neuere Sprache, Dryden.

Daughters and fathers from my song retire;

I sing of horror; and could I prevail,

You should not hear, or not believe my tale.

Menjdhliche Scheu wor dem frevelhaftefter der Gueefte

fimpft bet Ovid in ver Myrrha einen Kampf, ehe die thie-
rife Begierde den Sieg davon trdgt, aber Das Фе фе
im Menfaliden nimmt an der Leidenfdaft щен Theil.
Der gefunde Sinn und Tact der Alten liek fie eine foldhe
Theilnahme weder fiir miglich, noch in der Poefle flix dar
ftelfbar halten. Auf feinem menfehlichen Boden fonnte eine
fo entfeblide Reidenfdhaft entitehen, der Born der Gittin
aflein font fie entilammt, dad ungliidlide Madchen weit