nicht bevichtet*. Vind was das heutige Gefdledt be-
trifft, reidht denn bei thm die Macht einer virtuojen Sdhau-
fptelfunft wirklich fo weit, wie der Berfalfer fitvdhtet, daf
fie Da8 Urtheil iber bie Dichterwerke vollig verwirrt? Ha-
ben 3. B. die Gaftfpiele der Rachel e3 dahin gebracht, dak
unfere Begriffe von Corneille und Racine eine wefentliche
Aenderung erfabren Hatten?

Wie Dem auch fet, wenn Femand, der die Mirra nie
auf der Bihne gefehu, fich erlaubt, jener harten Wenferung
inber thren Stil gu widerjpreden, fo fonnen ibn wenigften3
feine Schaulptelerfiinite verfiihrt haben, dte Partet des Dich-
ters zu nehmen. G8 foll aud) dabhingeftellt bleiben, ob die
Ausdrirce ,gefdraubt und gedunfen” im Wii gemetnen
auf Wfier’s Stil paffen.. Sie erfchetnen mindeftens nidjt
zum glidlichften gewdblt, um die harte, nackte, fchmelslofe
Damajfcivte Diction Des Dichters zu bezeichnen, der in bez
wuptem Gegenfak gegen die weiche Cantilene feiner Vor-
gdnger allem melodifden, Lyrifehen Bauber der Form in
feinen Tragddien abjagte, und freifich in feinen Lyrtjden
Dichtungen zeigte, dak er aus der Moth eine Tugend machte.
Mag fich aber auch im Stil feiner itbrigen ФН die ve-
hemente, heftig geipannte und ins Uebermaf ftrebende Уве
tur dDiefes ftarren Charafter8 nicht verldugnen, fo ift Dod
gerade die Mirra von jedem WAnflug diefer Meangel fret ge-
blieber, За man fann fagen, dak dte Wirkung der Wlfie-
rt fdhen Tragidien eine ungletch breitere fein witrde, wenn
fie alle, ftiliftife) betvachtet, auf ber Hohe der Mirra fiiimden.

Der Grund Пе аш der Hand. Gerade weil вер.
Dichter Das Miflide diefes Sitjets fid) nidt verheblen
fonnte, bemiihte ex fich eifrig, Durd) die miglidjte Matir-
Yichfeit be8 Wusdructs, durch eine einfache Jnnigfett, die er
fonft verfchimaht, unjere Dheilnahme fir feine Бош ди
gewinnen. Das Mitgefiihl, das fic) bet folcher Verireung
eines jungfrdulichen Herjzen8 fprdde zuritchieht, will er nicht
wie in anbdern feiner Stlicfe exftiirmen, fondern mit un-
{cheinbarer Sanftheit erjdmeideln. So exfdeint und hier
fein Stil nachlajfiger, garter, genrehafter als irgend fonjt,
ohne dak die Pracifton darunter gelitten hdtte. Oder tann
ein mafigerer Ton angefdlagen werden, als fogleic) tn dex
folgenden бору и сене, mo Mirra’s Mutter und die
Amme fic) ihr Leid flagen?
	беса 1.
Komm, treue Curiflea; faum nod) graut -
Der junge Tag; jo frith tritt mein Gemahl
Nicht bet miv ein. Mun-will id) Wlles wtifen,
Go viel du wetht von unjrer armen Tod)ter.
Mir fagt vein trauviges Geficht, die Seufzer
Die bu nicht hemmen fannft....
	Gurtilea.
O Kéonigin,

Der Tod ift nidt fo foltmm, als piefes Leber,
Das deine Mirra fihrt. Фет Konig wag’ idj
Den Sammer nicht gu fagen. Sdpledht verftelt
Git Bater fid) auf eines Maddens Thrinen.
Du aber bift die Mutter; yu viv fom’ id)
Und flehe, Бог пиф an!
	* Der Mame der Marchionnt, welde pte Weirra gab, и зейфоЦен.
	Hen alle Kinfie, zetgen jte uns mur
Зи Лен фен, пе er В ииЕе fein, erheben
Mit Sbtterfraft ben Geift ber Creatur.
	Ord Falle  фИтети, wo das nadte Leben
Traurig enthlBKt die wirkliche Natur,
Wierd nur im Laftfpiel night mir widerftreben.
	WHtflert. Opere postume. Londra 1804. ©. 18,
	Veber dag vielangefochtene und vtelvertheibigte Trauer=
foiel QWlfier’’s, das Durch die Rijtori aud) и Феи аи
Bugang gefunden hat, ift jungft in diefen Blattern ein Ur-
theil gefallt worden, von dem wohl eine jede  Uppellation
fruchtlos fein michte. Wer die Fabel und die Compofition
per Mirra aus jener Belprechung Har iberbliden gelernt
hat, wird mit dem Berfalfer einverftanden fein, dak hier
eine fittliche Monftruofitat pur) eine nod) befremblichere
finftlerifche hat verdectt werden follen, fo da® fic) faum ein
anderes Beifpiel pramatifcyer Dichtung finden mochte, in
weldem, wohin man blidt, eine dhnliche Bertehrthett der
Sntention und WAusfiihrung беге,

enn vem aber fo iit, fo bleibt nur das Cine wun-
	perbar, wie iherhaupt jemals ein Streit iiber da8 Stic
	entftehen und mit folder Hartnadigheit von Getten der
Vertheidiger fortgefihrt werden fonnte. Ba al8 follten fic
hier die feltjamen Widerfpriiche recht gefliffentlid) haufen,
haben fic) bet einer Frage, die fo tief in die Machtfeite der
Menfdhennatur eingreift, auch gwet Damen berufen gefihlt,
die Sache de hartangeflagten Didhters zu fiihren und fid)
nicht gefcheut, auch die bedentlidere Seite, die der Sitt-
фен, in ihren’ Schug zu nehmen. Wir haben von einer
hodhgebiloeten coxfivtifcen Frau, der edlen Gréfin Sfabella
Teotocht Albrigsi*, und einem deutfdhen Madden, pas als
dramatifdhe Dichterin freilich nicht gerade ein fonderliches
PVerjftinonig der tragifchen Kunjt bewtefen hat, das Beugnif
	рай, Dak felb(t zarte Frauenfeelen an per naturwidrigen >
	LKeidenfdhaft, die Den Kern der alten Meythe brldet, nicht den
geringften UnftoR genommen haben, ja im Gegentheil aufs
Vieffte davon ergriffen worden find.

Die plychologifche Lojung viefes Rathfels fol hier nicht
verjucht werden. Sie wiirde aber nur verwidelter, wenn man
	e8 dem BVerfaffer des oben erwahnten Wulfages ** glauben mufte, —
	Dak ,vie gefchraubte, gedunjene Sprache Wiert’s” pte Sez
brechen 068 Stoffs und der Behandlung verbiille. Wie?
Gine tragifdhe Fabel, die einfach ergihlt unjer fittlidyes Ge-
fiibl empdrt, follte in fehwiilftigen Verfen beffer bet uns Cin-
gang finden? Schilpern jene Damen, yon denen man viel-
fetcht unritterlicy genug muthmagen michte, dap fie fic)
purch Rbetorif Hatten itherrumpeln laffen, die Wirkung,
pie fie von bem Stite empfangen haben, nicht als eine
weit tiefere, feelifdere? Und find vollends Lord Byrons
Thrinen, mit der er vie VBorftellung der Mirra verliek,
irgend yu begreifen, wenn die unnatitrlicjen Borgdnge des
Sijets in gefdraubten Tiraden an ihm vorithergezogen
waren? Denn daf eine Riftort Раша durch ihr Spiel dem
ungliclichen Gebdicht aufgeholfen hatte, wird wenigftens

¥* Lord Byron Hezeidnet thren Werth durchaus ungenau, wenn er
	jie the Madame de Stael of Italy nennt.
* Sr Uprilheft bes Literaturblattes.