die Frage aber, was beffer fei, die Unruhen in den Rauf
su nehmen, oder, um fie дм vermetden, Die Unterdriidung
Des Gyangeliums fic) gefallen yu Lafjen, tonne die Antwort
nicht gweifelhaft fein. Sn ihrer Bolltommenheit tritt aber
pie Perfidie des Gegner yu Tag in der hibfdjen Wusfludt:
„ег раке №, ми ferner niigen zu tinnen,” fetne fpigige
Bosheit in der Fluth indivecter Angriffe auf Huttens menjdh-
lichen und fittlidhen Chavatter und fehlteflid) in dem De-
nungiationsbriefe an den Rath von Biivid), der dem Une
giitclichen feine legte Buflucht ftehlen follte.

Doh fehen wir von diejen haflicen Biigen ded etngel-
nen Mannes ab und faffen da8 Ganjze der Sache felbft mit
den Worten unferes Biographen zujammen: ,,Sn der Rez
formation verengte fic) der Getft der Bett, aber diefes fidh
Perengen war zugleid) ein fic) Zufanumennehmen, und 3u-
fammennefmen mupte er fich, um jeine Mufgabe gu lodfen.
Der Humanismus war weitherzig, aber auch mattherzig,
wie wir an feinem Andern deutlicher fehen, al8 an Cras-
mus: er hdtte die Umbiloung der Zeit nicht durdhgefest.
Luther war engherziger, befchrantter, als Crasmus: aber
piefer fic) zufammenhaltenden, nicht rechts nod) lints jeben-
Den Kraft bedurfte e3, um durchubrechen. Der Humanis-
mus ijt der breite, fptegelnde Rhein bei Bingen: er muf
exft enger und wilber werden, wenn er fid) Durd) dad Sez
birg die Strage yum Meer bahnen will. Фарит eben
war Gutten fo eingig, dag er mit der humaniftijden Geiltes-
weite den reformatorifden Wiklensdrang vereinigte.”

Bet diefer Vergleichung des Humanisnus und der Refor-
mation prdngt fic) und etne Bemerfung, eine Erweiterung
piefer Betrachtungen auf, die fid) an einen friheren PRunet in
Hutten3 Leben fnipft: von feiner Reife nad Nom bringt
ex feinen Gindruc zurhe, al8 den Wbh{djeu ier die fird)-
lichen und fittlichen Quftinde. G8 ijt, als hatte er von
per damaligen Kunjtbliithe Roms gar nichts gefehen. ешь
ergittg e8 befannilic) Luther, aber e8 ift bei Gutten, dem
Humanijten auffallender. Das Auge der Deutfden, die
pamals nach Stalien famen, einen Rinjtler von Fac) wie
Albrecht Diirer ausgenommen, hat fich dafelbjt gegen bag
Uelthetifche fchlechtweg verfehloffens bet Alem, was fiir Die
Яиий gefchah, haben fie nur an die Hauptquelle der Wus-
gaben, тен Зав, die Ausfaugung Deutfehlands, an dew
ебет Luxus gedacht, der mit dem edleren Lugus pes
claffifcen Landes Hand in Hand ging. Das ift barbarifd,
parin waren aud) unfere Sumaniften damals Barbaren und
piefe Barbaret des dugeren Formfinns, ме Те тей Убе
Inlogi{e Gebilveten noc anhing, hat wefentlid) noch Dagu gee
hort, um Deutfdland, um einen groken Theil Curopa’s
dem Soche dev romanifden, mittelalterlicen Religionsform
und Geiftesumftridung gu entreifen. Det Rath olicismus
befticht dfthetifd) Durc) die pompojen Formen eines Шойфен,
claffifyen Pathos. Die Voter, in denen der Formfinn Uber
pen Sinn des Gnhalts wiegt, find daher in feinen Sanden
geblieben. Sm mobdernen Deutfdland, alg die uberreife
Afthetife Bildung den ehrlichen, nacten Wahrheitsfinn зи
exftiden prohte, in det Epoche der Schingeifteret, der
Genialitdt und Nomantif haben wir die Uebertritte erlebt,
pie von einer poetifden Borliebe, etner ,prédilection ar-
tistique“ Ни die farbigen Bormen pes Mtitielalters und
	ftoen; er will jachte3, allmablices Wirlen, milde Gormen,
	er will, ba der Kampf heftiger entbrenni, ,lteber Sufchauer,
	al Mitfpieler” fein, thm ijt Gireit und Krieg der Uebel
groptes und er will Lieber von der Wahrheit ein Nambajtes
zuriidlaffen, um — mit Pabjt, mit Bifdsfen die Kirche gu
reformiren, er will ,die bittere Bille fo fig alS mbgltd
einbiiffen.” Und worin er nit nur Namens feines а
-turellS, fondern ber Gache felbjt fiir die пабе Bett Recht
hat: ex fiirdjtet fitr den Fortgang der humanijtifden Bildung,
Gr wurde auc) unterbrocen, aber unterbroden, um ihrer
Bufunft den tieferen fittlichen Boden yu legen. Cinem
folden Manne mute eB gegeniitber etnem Luther und
Hutten zu Muthe fein, wie wenn ihm auf eine gierlice,
fauberliche Reinfdhrift von roher, tdppifcher Hand da’ Tine
tenfak ausge(diittet witrde. Soweit ift Wes nur natinlic.
Aber Erasmus ift nicht ein reiner Typus der humanifitid
quietiftifden Geiftedform wie Goethe. Goethe s Scdheue war
nicht Feigheit, Citelteit, Egoismus, Serviligmus, und er ift nie
biffig, nie boShaft, nie unwahr gewefen. Diefe ibeln Flecen
treten in Erasmus yu Tage, da die ent{dhetdende Stunde
fommt, wo et nicht mehr inter dem Berge halten fann,
wo e& heift: Gntweder Oder. Sie fommt, da der flirchtige
Hutten in Bafel die exjte Buflucht juchti. Der feine Herr
will fich vor fetnen hohen Ginnern nicht blosftellen, weidht
unter elender Ausflucht bem Befuch Huttens*aus, deSavouirt
in einem Brief an. feinen Freund Laurinus in Briigge
{pibfindig, falt und falfch die Reformatoren, ligt itber etnzelne
Umftdnde, e8 enthrennt in der Expostulatio Huttens und
der Spongia des Erasmus jener bittere Streit, worin
Hutten wohl vie ,Starrheit an ben Tag legt, Ddurd) Die
er fich aus allen Berhaliniffen herausgelebt,” Erasmus aber
„Забей имо Эмре“ aus den Augen werliert, und e8
treten fich fo ,gwet ganze Menjdjen, gwet gefdjloffene Stand-
puncte entgegen, deren jeder feine einfettige Berechtigung
hat, aber eben durch diefe Ginfeitigtett der Schuld und dem
Schicfale verfallt.” Doch vie Schuld ijt ungletch: ridfichts-
{ofes Durchfahren entelrt nidjt, wie feige, ettle, triedherifdye
пе. Grasmus gehdrt doch nicht blos yu den Leute,
die en Lely walden und nicht nag machen wollen; e8 tft
ihm auch wieder mit bem Wafchenwollen nicht Crnit. Das
polle Bild des matten juste milieu geben feine Vorfdjlage, wie
man fich auf betden Seiten mapigen, hib{d ineinander fchicfen
folle; in allen Hauptartifeln de8 chriftlicyen Glaubens fet man
ja einig, der Streit betreffe nur Uniwefentliceds, nie Gelehrten
jollen ohne Bank und Schmahungen ither die Beilegung des
Bwithpalts und das Befte der Chrijtenhett verhandeln und
pie Grgebniffe diefer Verhandlungen in gehetmen Briefen
bem Pabft und dem Kaifer jurKenninif bringen,
— ,ein Borfdjlag, ver fo findifd ijt, dak man glauben
уве, Славии felbft habe im Stillen variiber gelachelt,
wligte man nicht, wie die Furcht vor Revolutionen Ме Ид»
пен Manner feiner Art iiber das Ungureidende der Mittel,
die fie dagegen in BVoridlag bringen, zu verblenden pflegt.”
Pielleiht hat er doch gelichelt. Gegen foldhe matte Wus-
Нине Пей fich einfach wahr Huttens Wort: Chriftus habe
erflart, nicht den Grieden, fondern die Entweiung und dad
Schwert bringe er; die Sehuly der Unruhen falle auf die-
jenigen, welche da8 Evangelium nicht leiden wollen; auf