herausfordern, bag der Sugang зи der realen Bithne an Cinem
Orte um fo fdjwerer wilrbe, je leichter er am anbern ware. Wer
wird behaupten, da diefe Verhaltniffe einen Dichter ermuthigen
finnen, feine Nraft auf Stoffe gu werfen, die gerade weil fie
edjt beutfd) find, von einer Nationalbithne, die wir tréumen,
anggefdloffen fein milrden! Und wie fteht e8 mit biftovifdsen
Stoffen, die einem ,engeren BVaterlande” angehiven ? Warum
anders ift das Meifterftiid Heinrids von Keijt, ver Pring von
Homburg” аш Шен фен Bithnen ein fo feltener Galt, als
weil er, wie man fagt, ein prenpifdes Stid ift? Warum anders
hat jened Madjt= und Pracdt-Stitd, ,RKinig Ottofars Gli und
Ende,“ nur in Bien Ме verdienten Triumphe gefeiert, als weil
vie Glorie ves Haufes Habsburg darin verberrlidt wird? Und
wenn e8 mit viefen betriibten Geffen genug ware! Bum Weber:
Ки ift e8 auf nidt wentgen Hoftheatern, auf denfelben, die Wu-
ftand nehinen, den Mubm eines Nadbarftantes oramatifd vorgu-
fithren, gefeglid) verpint, einen Whnberrn des regierenden Haufes
auf bie Biihue zu bringen. Griedrid) ver Groge varf hichftens
hinter den Gouliffen pie Flite fpielen. O Sdham und Gram!
Und Ungefichts viefer hundert Nsthe und Plagen madt man den
Dramatifern eine Gewijjenspflidt paraus, ihre Helden aus der
deutfejen Gefdhidhte gu wahlen ? Wei man nidjt, dak ein Dichter,
per nur fiir die Biihne der Butunft arbeitet, ein Herfules fein mu,
um fic) aus den dramatifden Windeln emporjuarbeiten? Was
hatte uns Grillpargzer werden finunen, wenn fein Volk ihn ge-
tragen hatte? Wie anders wilrde Kleift’s Genius gegen die Nadt
pes Irrfinns angefimpft haben, wenn die Reit, die thm gu einer
poermannsfdhladt  Morell gefeffen, vas gewaltige Bild nidjt
hatte im Winkel ftehn und unerfannt veralten laffen? Man flagt
und Flagt, ba e8 uné an bedeutenden Dramen aus unferer Gee
fdichte feble. Und vod) braudht e8 mur einer febr geringen Kennt-
nif{ unferer Literatur, um fitr jedes hiftorifde Stiicl der Frangofen
pret bentfde aufgugdhlen, vie vielleidit an praftifder Gewandtheit
mandes vermiffen laffen, aber an didterifdyer Macht um fo hiber
fteben. Wenn fie nicht ohne Bearbeitung fiir pie Biihne taugen,
wer tragt bie Sdulb? Bon der Bilhne lernt ver Dramatifer.
Und wo ift unfere bentfde Biihne ?

BWie aber nun? Was lehrt vie Fabel? Daf wir in Bw
Вий е8 beim Ulten Laffen, over gar, wenn wir die Bretter unferen
Helden nit unter ven Fiifer weggiehn wollen, uns ausfdlieRlig
antifer Stoffe yu bemadhtigen haben? Bebilte! Gelbft wenn es
pas Kliigite ware, wenn nidjté rathfamer fdjiene, als wenigftens
vor der Hand die deutfde Hiftorie ruven ум laffen und die
Ghronifenr ver Nadbarn augzubenten, felbft vann ditrfte man
webder einen foldjen Rath geben, nod) hatte er bie mindefte Wué-
ПЕ befolgt gu werden. Gin ftarfer Baum fallt nidjt auf einen
Schlag. G8 find viele Pehlfdlage gefdehen, um ven Wald von
Hindernifjen, per uns die Wusfidt auf ein veutfdjes Theater
hemmt, gu Galle gu bringen. Aber mit jedem Salag, den eine
ebrlide Hand fithrt, lidjtet fic) dad Dicicht, und endlid) dringt man
purd! Ginftweilen aber laffe man eine jede Kraft fid) auf ihre eigene
FWeife iiben und ftarken; vafy cB nidjt die fdjlechtefte Borithung ft,
fic) an antifen Stoffen gu verfudjen, follte billigerWeife einfeudten.

Gir alle Kiinfte ift gegenmartig eine Beit der Gahrung an-
gebroden, in der die Gegenfage fdarf und bigig aufeinanber-
plagen. Man mag dviefe Krifis als einen Kampf ves Bbea-
Li8mus und Itealismus betradten und fid) liber die Bedentung
diefer Worte fireiten, mit deren ridjtiger und bilndiger Definition
eben bas Wathfel geldst und bas wirklide Joeal dev Kunft
gefunden ware. Wir vermeffen uns deffen nidjt. Wir betradjten
lieber den Stand der Dinge wie ev ift, und glauben das Uebel
am einfadjften fo bezeidynen gu fdnnen, da es eben an einem
gemeinfamen nationalen Strom des fiinftlerifden Beditrfniffes
	feblt, dap ме bilonerifden und didhterifcben Sntereffen fic) un:
endlid) indivioualifirt haben, forohl bei den Sdhaffenden, als bei
den GenieRenden. Cine foldje брофе hat fiir mande RKinfte
ibren eigenthiimliden Werth. Wo fie aber ftets als eine unbe-
haglicke Uebergangspertode empfunten wirt, das ift in ber Bau:
ftunft und im Drama. In beiden fudjen wir nun fdjon ein halbes
Sabrhundert lang nad) einem nationalen Stil, dad heift,
nad) einer Darftellungsweife der flinftlerifden Sodeen, vie vom
Bolt wie von ben Mitnftlern als ein gemeinfam ergeugtes, notl-
wenbdiges Produft des Reitgeiftes anerfanut wiirde und nidt blof
bie gufallige afthetifde Liebhaberei Cingelner befriedigte. Wir
baben im Drama eben fo verfdhiedene Exrperimente erlebt als in
ver Architeftur. Die Stile aller vergangenen Literaturepoden
find hervorgebolt worden, une im eingeluen alle mit еше
felben @lid, mit dem -talentvolle Urdhitetten bei Grieden,
Rimern, Byzantinern, Floventinern und Wrabern geborgt haben.
Vielleiht diivfer wir fagen, vag man im Drama bereits
weiter fei al8 in ber Architettur, Bon der ariftophanifden Ko-
mibie und den fpanifden Mantelz und Degenftiiden erwartet
Niemand mehr das Heil fiir unfer Theater, wiahrend 3. B. die
Panatifer ver reinen Gothif noc) immer das Haupt hod) tragen,
Uber wenn fid) aud) ver Gegenfag ver Sdhiller’fdyen und Shate-
fpeare fdjen Bilhne nur um fo fcharfer herausgeftellt hat und die
jungen Dramatifer entweber зи ungebiihrlider Breite von dem
Ginen, oder gu epifder Compofition von dem Andern verfilbrt
werden, — die Mteiften erfennen e8 Har, va ein Stil gefudt
werben miiffe, ber die fcjarf umviffere, fornige, individuelle Gha-
ratteriftif Ghafefpeare’s mit Sdillers grandiofer Urdhiteftonif in
Ginklang bringe. Be {djwerer vies erfdeint, je deutlider wird
eB jebem rebdlic) Gegeifterten, da er fid) der Bucht und Schule
nid)t entfdjlagen dilrfe. Nun dent, im der Sdjule fteigt man von
pent leidteren Aufgaben gu den fdjwereren anf. Wer den Bau
pes Dramas lernen will, wird fid) gumidft an Stoffe madjen,
pie ihm nicht durd) hundert Midfidten die free Bewegung feiner
unreifen Kraft verfilmmern, Wie viel Leidter ift e8, eine Fabel
aus тег аби Феде auf vem Grunde ver fo ungleid) ein:
fadjeren Berbdltniffe, auf jenem oben erwabnien neutraten
Boden aufgubanen, al in ber verworrenen verwidelten Welt
lage be8 Mittelalters und der lesten Jahrhunderte den Charat-
teren evft einen fideren Unterbau gu griinden! Wie viel unge-
bundener darf der Didjter dort bei ver Charatterfdspfung mur
feine didjterifdjen Sntentionen verfolgen! Berleiht nidt die grigere
Enge des antifen ebens felbft ven politifden Creigniffen jenen
privateren Charalter, der e8 erlaubt, die Handlung auf wenige
Factoren guriidgufiihren, die beftimmenden Motive vorwiegend iné
Зинехе der Haupttrager zu verlegen? Und alle diefe Vortheile
follte ein Neuling fid) entgehen Laffer ?

UAnftatt alfo gu erfdreden, таб in ver jiingften Generation
die antifen Stoffe wieder gu Ehren fommen, glauben wir viel-
mehr uns gu dem fidjeren Inftintt УИ wiinfden yu dilvfen,
per fd) nidjt gleid) Unfangs an verwidelten Problemen frucdtlos
abmiibet, fonder. einen fidjeren ftrengen Gang vurd) vie Sdyule
hindurd) nicht verfaymaht. Die beften dventidjen und englifden
Stiliften find vem Geift ihrer Nationen varum nidjt fremr ge
worden, weil fie mandjes liebe Jahr ihrer Jugend pie eiferne
logifche Qucjt des Lateinifden Stile fid) gefallen faffen mujiten.
Pir wiffen fer wohl, Рав по@ inrmer das Borurtheil herrfdt,
alé fei das Wort ,,Tecnit’ ein BerftoR gegen die hohe Wiirde
per Poefie, alB fei fie allein von allen Kiinjten bie reine Himmele=
gabe, an dev fein irtifdyer фей eben dilrfe. Wher wie weit
wir mit diefem Borurtheil geEommen find — die Annaler unferes
peutiden Theaters geben Beugnif vaven.