liber die trogige, ftarre, von dilfterer Grazie umfloffene Roldte-
rin ausibt. Diefes Hereinbrecjen einer verderblichen damonifden
Leivenfdaft in eine herbe Sungfrdulidfeit, die fich nidt beugen
will und fic) endlid) um fo fdranfenfofer hingiebt, ift ein pfydo-
logifder Borgang, ver Grillparger anc fonft befchaftigqt hat, und
fliv deffen Berfinulidung ev eine unendlich reidje Rette einjelner
Momente bereit hat. Hier alfo, wie in der Whnfrau, ИЕ das
Gefpenftifdje etwas durdjaus Weuferlidhes. Das Grauen fteigt
aus den Conflicten der Menfdenfeelen hervor, aus der Runft,
fittlide und Naturmidte im Mtenfchen fo gu mifdjen, dak wir
bie verhangnifoollen Thaten bid in ihre Wurzeln verfolgen, fie
wadjen und mit Rothwendigkeit ihre Frildte tragen feher.

Wie es dem Dichter gelungen ift, einen fo epifd) fdeinenden
Stoff echt dramatifd gu gliedern, fonnten wir nur in einer Wna-
Ipfe der gangen Trilogie nadhweifen, vie ther die Grenzen unferer
nidften Wufgabe hinansginge. Wir fehen die Beit voraus, wo
bas Werk Hinldngltch alt und ver Didter Lange genug todt fein
wird, damit ein fo etngehendes Studium einen Reig fitr WAefthe-
tifer und Giterarbiftorifer erbielte. Die Mtitlebenden foll man gu-
nicft aufforbern, ju geniefen und zu danten. Wuf Eines aber
fceint e8 nbthig aufmerffam gu maden, weil mir e8 nirgends
berithrt finde: mit wie Eilbner Hand die Kulturunterfdiede bis
in ben Stil hinein charatterifirt find. Der blutige Kinig Wietes,
ber feinem Taurifden Nadbarn Thoas aud) davin undhnlid) ift,
bat ex Vtige, Berrath und Hinterlift nicht entehrend findet, filgt
fic) eben fo wenig, wie feine Todter und fein Volf, dem fambi-
fcien Gleidhmak der Rede. Cine feltjame Harte und Wildbeit,
die trogbem etwas Gefangsmifiges bebalt, unterfcyeidet die Sprache
per Barbaren vor der der Hellenen. Und mit erftaunlid) feinem
Обе Ш тор geforgt worden, da der Wiberfprud) der beiden
Stile die Stimmung nidht gerveife, im Gegentheil mitwirfte gur
Berfinnlidiung ves geiftigen Gegenfages. За der Cindrud ves
glidlicen Kunfigriffs fteigert fic) im Berlauf des Werkes gu den
eigenthitmlicjften Wirtungen. Medea, fobald fie al8 Weibh Iafons
ben fremden Goden Griedenlands betvitt, verlernt die Medeweife
ihrer Hetmath. Wber ihre alte Amme, Gora, vie Gebillfia ihrer
Bauberfiinfte, die iby als der finftere Schatten ihrer Sugend folgt,
febligt nod) gutweifen pen alten Ton an, und vom dritten WUct
an, wo bas Mah von Ptedea’s Leiven gum Ueberfliegen voll ift,
taucht mit ber ungebundenen Wildheit ihrer eingebornen Yatur
aud) bie Freibeit der Rhythmen wieder auf, im denen fic) iby
Sunerftes ausfpridt, um erft am Sehluffe wieder in die rubige
Зари ber jambifden Rede zuritdzulenten. Wie fehr jene freiere
Behandlung ver Sprache geeignet ift, bas Jahe, Ungeftiime
und Raube ver Sdmerzen und Leidenfdjafte зи malen, fet nur
purd eine firje Stelle, mit ner dev vierte Wufgug beginnt, vev-
anfdaulidyt.

_ Borbof von Kreons Burg. Abenddammerung.)
Medea liegt Htageftredt auf den Stufen, die gu ihrer Mohuung fiihren.)
Gora (jteht vor ir.

Steh  auf, Medea, und fprich!
Was liegft du ba, ftareft fdmeigend vor dic) bin?
Steh’ auf und fprid!
Rathe unferm Jammer!
Medea.
Kinder! Kinder!
Gora,
Fort follen wir, eh’ duntelt dte Made,
Unb foon fenfet fic) ber Whend.
Aufl Riifte dich gur Fluct!
Sie fommen, fie tddten uns!
Medea
> meine Rinber!

 
	Gora

Steh’ auf, Unglitdfelige,

Und tddte mid nidt mit beinem Jammer!

ФЕ mix gefolgt, mid gebsrt,

Waren wir dabeim in Koldis,

Die Deinen lebten, alles war’ gut.

Stel’ auf! Was hilft meinen? Steh’ auf!
Medea

(fidh Gald auftichtendD und nur mit den Knieen auf den Gtufen Cfegend).

Go tniet’ ih, fo Tag ih,

Go ftredt id) bie Hinde aus,

Uns nad den Kinder, und bat,

Und flehte: Gines nur,

Gin Cinziges von meinen Kindern —

Geftorben wir’ ich, mut id) bas Зщеце miffer —

Aber and das Cine nidt! — eines fam,

Hlidtend bargen fie fic) in Seho§ der Feindin!
(Aufipringend)

Gr aber lachte brob und fie!

@ora.
© bes Sammers — des Weh’s!

Mebea.
Nennt thy das Vergeltung, Gtter ?
Riebend folgt’ id}, bas Weib bem Mann;
Gtarbh mein Vater, bab’ ich ihn getddtet?
Siel mein Bruder, fiel ex durch mid?
Beklagt hab’ icp fie, in Oualen beklagt,
Glithende Thrinen goR id) aus
Bum Trankopfer auf iby fernes Grab:
Wo fein Mtaf ift, ИЕ feine Vergeltung.

G ora.

Bie bu bie Deinen, verlaffen fie dic!

Medea.
Go will id} fie treffer, wie bie Gstter mid.
Ungeftraft fei fein revel auf der Erdet
	Зах ВЕ ме Made, Gotter! id) fibre fie ans.
(Gdlup folgt)
	Boetif, Hie Hichilunft und ihre Vedhnit. Vom Stand-
punfte ber Meweit, von Rudolph Gott[ all
Breslau, Verlag von Eduard Trewendt. 1858.
	би einen dentfden Dichter, der al8 folder gelten und eine
fidhere Pofition gewinnen will, liegt e8 von vorn herein nicht fern,
fein flinftlerijdes Glaubensbefenninig in einer ,,Poetif’ angzu-
fpreden. Der Reig und der Werth des SH ftems ift nidt ge-
ring angufdjlagen. Was fid fonft als eingelne Yeufferung, als
fliegendes Blatt in bem fcmalen Begirf eines Feuilletons oder
gwifden ben Beilen einer ,,freten уоеН Фен“ Gdipfung vevliert,
tritt im Syftem woblgefammelt, in gefdloffenen Coborten auf
und weist vem fdnelverfdiidterten Bublifum feine triegerifdjen
Gpeerreihen. Gin Miinftler, ver aud) einmal die Wughraue
hinaufsiebt und mit wiffenfdoftlidber Weitfhidtighkett und @Witrde
зи Gelbde gieht, gewinnt fdon ein gewiffes Aplomb, vas der gan=
zen Berforlicleit gx Gute fommt. Cin wiffenfohaftlid) anfge-
bautes ,,Spftem” ift aber ein geduldiges, fiigfames Ding, wnd je
poluminifer e8 ift, defto gedulpiger! Зи feinen weitgeftredten
Riunilidteiten, in diefer Fille von Sdubfadern fann vie Gefin-
nung und Meinung ves Subjects um fo ungeswungener ihr
Wefen treiben, weil man ihr junddft eine ftreng objeftive Hale
tung bereitwillig gutraut und mit Adtung entgegenfommt. Hier
gilt e8 dann nur, Ules, was gefagt und gepredigt werden foll,
mit Salbung, als Dann der Wiffenfdaft gu fagen, und die