wohl thun, fic) ме Fleinen Nunftgriffe midt entgeben зи
laffen.

Uber fo harmlos, wie diefe Art ves Bujammenfchwetfens
immerbin nod) ift, fann ber Berfaffer nidt bleiben, wenn er ald
Kampe рег Gegenwart fiegretd) Bahn breden will. Bhm ЦЕ nicht
entgangen, da} man feine Bartei nidt beffer beben fann, ald
indem man Wiles, was fic) ihr nur von fern entgegenftelien fonnte,
herabbritdt. MNatiirlid) mit einem gutmiithigen Bug um die Lip-
pen, mit jener Bonhommie, die gur rechten Zeit wieder eingulenfen
und ein liebendwiirdiges, belobendes Wort mit Vergniigen зи
fagen wei. Wie follte Gottfdall nicht Shakfpeare und Gophof-
[е8, — und wie follte er nidjt unfern Goethe und unfern Sdjiller
au rithimen bereit fein! Uber mit Mtagen natiirlid. Dem Publi-
fum mug auc) wieder gejagt werden (GS. 14): Sn der That
madjt unfere flaffifdhe Cpode den Gindrud Пета Иде
Unfange, fo fehe man aud) vom Gegentheil purdorungen gu
fein fdeint; die Autoren gletden jenen WAnfiedlern, bie mit gezo-
genem Sdwert hinter bem Bfluge hergehn, um das urbar ge-
madte Land gegen alle Wngriffe yu veriheivigen.”  Deutli-
der rebdet ev, wenn ev (©. 270) verfidhert: ,Darum ftellen
wie bie Lyrif bes neungebnten Jahrhunderts hoch itber vie Lyrif
des adtzehuten, weil fie fic) in ihren Hanpivertretern gang auf
den Boren der Gegenwart fiellt und all pas mythologifde Bei-
wert abgeftreift hat, pas nem Fluge des Schiller’fdyen und Goethi-
fen Genius nod al8 unverdauter Ucberreft flaffifdher Studien
anbaftete Wn anderer Stelle (GS, 285) chavatterifirt er und
denn auch die Fortfdritie ver neneren Lyrif nacy Goethe: ,,Die
fanften, weiden GieberFlange Ufland’s, Heine s ой ее
und fede, oft tiefgefiihlte Liederchen, Cicendorff s romantijd
traumerifhe, Hoffmann’s von Fallersleben altdeutfe)
{cblidjte und einfacke, Geibels harmonifd aufpredenve, Cenan’s
melandolifhe, Moquette’s jugendfrifde Klinge bezeicynen die
weitere Entwidelung nes deutjden Liedes.“/

Wer pen ,,Standpunkt ver Newjzeit’ fo gefabt hat und
immer von ihm herab auf die Griffen ver vergangenen Beiten
blidt, fann nicht mehr auffallen, wenn er Goethes Sphigenie ,,cine
faiue dramatifche Studie’ nennt und von Sdhillers ,,unrubiger,
fieberbafter Gyrif, feiner oft franfhaft nad) Sdealen ringenden
Geele” redet; wenn fic) ihm Fran; Dingelftedt im ,,Itoman”
al8 moderner Tibull bewahri und ihm Gelegenbeit gibt, zrifden
viefem ,,Sibull’ unr Goethes rimifden Clegieen eine Parallele
gu giebn, die fiir ben ebteren wenig fdymeichelhaft ausfallt.
Und) fennen wir feine Wrt fdyon, wenn er (GS. 189) fagt: ,,Wn
gefdymaclofen Bilvern find nidt nur Lobenftein und Hoffmanns-
walbau, fonbdern aud) Ghafejpeare und feine Reitgenofjen, die
Erftlingswerfe Sdiller’s, dte alten und menen Kraftrramatifer,
felbft (?) Unaftafius Grin und Karl Bed reid) gu nennen.’ Феи
е8 dod) gemifR gegen die ,vergangenen” Gripen fee human ge-
handelt, wenn Gottfdall auch noch einige der ,Ptodernen” mit
venfelben Febhlern behaftet findet! —

Wir haben nidt Raum und Luft, den Berfaffer vor unjern
Lefern nod) Langer reden зи laffen. Man verarge uns nicht,
wenn wir e8 fiir lberfliifftg balten, auf eine ernfthafte Crmagung
der mancerlet midtigen Fragen einjugehen, die in diefer ,, Poctif™
gur Sprace fonrmen; ta fie alle devfelbe Geift regiert, der in
unferer (allgu ditrftigen) Blumentefe waltet,.fo fceint e8 uns ge-
fcjictter, eine wiirdigere Gelegenheit abguwarten. Wud) redjten
wir mit dem Berf. nidjt mehr daritber, dag ev einen, allerdings
mit Namen gefpidten, AWbrig pon 18 Geiten eine „Фе
ver Poetif nennt; — oder was fid) fonft gu einer ernftlidjen
Verwahrung darbieten midjte. Mur cinen Punkt haben wir
noch gu berithren, der in einer ,,Poetit’ etwas Ungewohntes und
Originelles ift. Gottfdall hat e8 fiir gut befunden, neben fo
	Nuratreon.” Gaben wir bet den philofophifden Deductionen wie
bet einer abgeftandenen Brithe gediirftet, fo filhrt uns der giitige
Berfajfer auf einmal in einen ausgeiudjten Weinteller und lake
e8 fid) mit uns wobl fein. Yad) einer jolden Fille von mate-
viellem Wobhlleben will e3 nidt mehr verfangen, wenn er fpater
nod) von Beranger, gleidjfam nadholend, ausruft (©. 284):
Alle тете Veber find echt frangofifder Champagner!’” — oder
went er von dem Snftinkt redet, der das edhte lyrifde Talent
immer bas pafjende Metrum wablen lapt (GS. 264): ,,e8 wird
еше {eidenfdjaftlidje steeplechase auf einem {djwerfalligen Wle-
yanbdriner veranftalten ober auf einem abonifden Pony; e8 wird
feinen muntern Gpagierritt auf einem harttrabigen, feierlidjen
Trimeter macen; e& wird feinen hervijden Bucephalus, feine
NRibelungenftrophe, in vie elegifdye Sdwemme reiten!” — Ober
wo ex von der Art und @Weije des iprifchen Sdaffens (©. 267)
fpridt: ,,Sa, e8 gibt Stimmungen und Empfindungen, deren tritber
Moft fic) erft nad) Sahren in ven edlen Wein der Didhtung vere
малом мии.  Goldje unansgegohrenen Geelenguftande gleid
ое зи verpidyen und gu verfdjiden, fann der Firma ver-
perblid) werden.” In folder Weife ijt er, wo er nur fann, liebe-
voll bemiiht, jeder Urt ven Publifum verftdndlid) gu werden.
Matt wird er fdyon, wenn er (G. 109) fagt: ,,Das Kunftwerk
befteht filv die Sinnlidfeit — die Ginne find bie Agenten der
Sdinheit, weldhe ihr Kapital in Umlauf fegen.” Aber fir das
feinere Obr flingt e8 mieder erhebend an, wenn er (S. 92) eine
ganz befondere Writ von Didtern vovrfiihrend fagt: ,,@8 fann
Menfden geben mit ver Phantafie, mit bem Welthlid eines
Shaffpeare — aber ihnen ift nidt bie Bunge geldst, fie tragen
viele Ddidjtevifde camera obscura der Welt fdweigend herum!
8 find die grofen ftummen Boeten, die in feine Poetif gehsren!”
— Man vergefje bier nidt, die Auseufungsgeichen empfindend
mitgulefen, die fiir Gottfdall unentbehrlid) find und gerade da,
wo Miemand fie erwartet, gu um jo groferer Ueberrafdung
Бабе Seiten lang gebauft werden, und man wird von diejem
hingeworfenen Tiefolié exfhitttert, ja vielleidht bis gum Nad-
denfen erfositttert werden. —

Dod) wir enthalten uns, diefe Blumenlefe nod) weiter зи
vermehren; fonft, flirdten wir, wiirden unfere Lefer villig ver-
geffen, Dap fie e8 bier mit einer Poetif gu thin haben. Unter
piefen erbeiterrtden Citaten barf der Ernft des Gegenftandes nicht
leinen. Gottfdall ift es in ver That Ernft damit; fommt ed ihm
dod) parauf an, nidt blog fltr dte Unterbaltung des Publi-
tums ju forgen, fondern aud) feine eigenen Swede, feine Tenden-
gen und Bringipten gur Geltung yu bringen: vom Standpuntte
der Reugeit aus gu veden und von hier aus die Dinge — wie
e8 nun eben fommt— wahr over falfc) gu febu. Bunddft weif
er feiner ,,mobernen” Gefinnung fdon avin Unsdruc gu geben,
dag er, wo er von Perfintichfeiten redet, faft niemals alte und
flaffifde Namen nenut, ohne ihnen einige dev ,,Iteueren” gugu-
gefeller. Wenn ver fiknere Lefer diefe Qufammenftellungen bier
und da Tomifd) finden follte, fo fann dag den Verfaffer nidt fiim-
mem; — das Publifum mu daran gembbnt werren, wenn е8
wabrhaft , modern” werden foll. Bielleidht flingt 8 fitr {patere
gebefferte Generationen nidt mehr fomifd, wenn Фа als
Kriegs= und politifde Didter Pindar, Tyrtaos, Horaz, Korner,
oder al8 politifde Tyrtios, Korner und Hermegh gufammenfithrt,
wenn ev al8 edjte Golfsridter per Deutfden Sdiller und Kér-
ner, al8 Pfleger des fomifden Epos Gvethe, Glasbrenner, Rort-
iin und Byron neben einander nennt; oder wenn er als Bei-
fpiele von Gituationselegifern Tibull, Proper;, Schiller, Meigner,
— von Romanfdreibern Goethe, Sean Paul, Immermann, Laude,
Fanny Lemald in einem Wihem anfithrt. — Wer ein wiffenfdaft-
lides Bud) ,oom Standpunkt der Neuzeit”’ fdreiben will, wird