des Mleeres und ber Liebe Wellen” (1830) bas, wenn е8
unmittelbar anf bie Gappho gefolgt ware, entfdjieden burdge-
Чаде hatte, Wir haben folgender treffenden Neuferung 3.
ФР iiber das liebenswiirdig(te von Grillpargers Werken
nur wenig bingugufiigen.

pSrillparger behandelte die Gage von Gero und Leander,
bie Schiller gu der fdhwad{ten feiner Ballaven Veraulaffung це
geben hat und die einer dramatijden Bearbeitung auf das ent:
fciedenfte gu widerftreben fcheint; denn was Феи овен ен Reig
viefer Gage ausmadt, Lift fid) auf dev Blibne gar nidt dare
ftellen. Wan foun auf der Bithne nidt ven Hellespont purd-
fcwinimen und ber unglitdlide Unsgang веб ше авс
RKataftrophe. Um fo mebr ift die Runft des Didhters gu bewune
dern, der die darftellbaren Momente ver Begebenheit mit adapter
und guweilen glangender PBoefie gefaRt hat. Der Didter hat aus
feiner Geldin eine Priefterin gemacht. Cr fdildert fie als cine
обе, {pride Natur, vie ihren Stand aus Freiheitsliebe wablt,
weil fie has Loos ves Weibes in ber Che verachtet. Die erfte Be-
geqnung mit Weanbder findet ftatt, als fie eben ihr Gelithde ablegt.
Das Aufieimen ver Neigung, die Durd) die ihr gefesten Gdranten
gu immer griperer Heftigteit getrieben wird, die daraus entfprine
gende vollftindige Berwandlung ihres Gemitthes nad allen Seiten
hin, der Kampf swifden Furdt und Meigung bet bem erften Be-
fudhe Leander’s und die grengenlofe Bergweiflung bet vem Lode
deffelben, bas allee ift mit unnadahinlider Grazie wiedergegeben.
Veberall beftrebt fic) Grillparger, die Bawegungen der Seele im
Detail nadhguempfinden, aber er begeht den Feller, in dew ated)
Я guweilen vevfallt, vie [Вен Gemiithsaushritche guvildgu-
alten und in eingelnen Uusrufungen, denen badurd) ein gu grokes
Gewidt beigelegt wird, vie Bewegung der Geele mehr angudenten
alé auggubritden. Das ift swar der Wirklidfeit angemeffen, aber
in der Poefie nur mit groger Gorfidt anguwenden. Wir ver-
angen von ber Poefie das Have Wort, Mtimit und Geberde
parf uur als Unterftiigung deffelben bendigt werden. Das gripte
Lob verdient ver fimlidke Wusdrud ter Ruftinde. Das Coftiim
ift nur gang allgemein angedentet, foweit ed gur Handlung gebirt,
aber fehr flav und iiberfidtlid) disponivt, nirgend opernbaft, und
pod) von entfdiedenem Cinorud auf die Sinne. Die Madt, tn
welder Leander den Thurm befteigt, ift mit ber Gpannung, die
aus Surdt vor einer Ueberrafdung hervorgelt, fo indivipucll und
lebendig gefdyilpert, dag wir dariiber gang vergeffen, mie die
Handlung felbft gu einfad ijt, um nad) den gewihnlidjen Зе
griffen vom Theater unfere Gpannung ju erregen. — Das Stile
bilbet curd) den ibealen Snbalt einen fonderbaren Gegenfag gegen
vie Bett, in der e8 gefchrieben war, und vielleidt war dies wenig-
fiens 3um Theil ver Grund, dak e6 in Wien, wo es 1831 auf.
gefiihrt wurde, ganz ohne Erfolg vovitberging und dag die anderen
Theater gar feine Motiz avon nahmen. C8 wurbe 1851 durd)
Laube und Frau Bayer-Bilrd auf dem Hofburgtheater wieder зи
Ehren gebracdht./

Wir Yaben fdon frilher das Talent ves Didters gerithnt,
mit bent er die feijeften pfydologifden Bors und Ueberginge fo-
fort in irgend weldjen duperen Handlungen bheraustreten und
finnlid) werden (98. Sein dramatifder Tact (apt ihn felt
nev, als e8 feine feinen Stoffe gu fordern fdjeinen, vom
Monologe Gebraud) maden. Der Bewegung ver Seele, gerade
da wo fie am verhaltenften ift, entipridst faft immer ein duperes
Thun, weldes fie fymbolifey zum Uusdrud bringt. Dag dies
gelegentlid) yur Manier wird, haben wir felbft eingeftanten; und
fo ift aud) dev erfte Utt von ,,bes Mteered und der Liebe Wellen”
nidjt frei von fleinen ,,Wienereien’. Gobald aber die Leivenfdjaft
ihy Pedt forbert, fcywinvet jeder Schein gefudjter, abfidtlider
Veranftaltung, und wahrend der Laie von dent verderblidjen Reig

Qiternture Blatt. 1858,
	01е]е8 Verhangnitjes оба Hhingenommen wird, erfermt nur der
Tedhnifer die virtuofe Kunft, beven e8 bedurfte, um bem fdheinbar
ganz lyrifden Sujet dramatifden Wedfel, feenifden Fortfdritt
abgugeminnen.

Auf viefem Puntt der Meifterfdaft angelangt fdetnt es den
Dichter gereigt gu haben, in fedem Spiel mit einem gefahrliden
Stoffe gu zeigen, was ev vermige. Das Wageftiid gelang, in
fo fern dad neue Stitd ,ber Traum cin Leben (1834) ven
giinftigiten Bithuenerfolg bavontrug. Wber die Sdrwierigteit ver
tedynifdyen Wufgabe taufdhte den Dichter darither, dak ver Grund:
gedante einer folden Mtilbe nicht werth war. And hier wie in
	  dem Calderon’fden Stitd, deffen Gegenftiid Grillparser зи dichten
	unternabim, Handelt e8 fic) allerdings um eine fittliche Sdee. Cin
Silngling fol ergogen werden, foll den Werth des Lebens Fenner
lernen, indem er Wirtlidjfeit und Tram foeiden Пети. Wher
wabhrend ber Held de8 fpanifden Stites burch die ftrenge Bude,
bie feine wilbe Natur evfabrt, nad) und nad) aus der Oumpfheit
de8 Hlinden Eigenwillens aufgewedt wird und gu einem wahrbaft
waden Leber und Wirken heranreift, ift pie Moral pes Grille
росе’ Оси Stiids eine villig verfehrte. Cin Biingling, der fid
aus der glitdliden Verborgenbeit idyllifaer Buftande in ein glan-
genderes thatenfrohes Leben hinausfebut, erfahrt im Traum, weldye
fittliden Gefahren den handeinden Menfdhen bedrvoben, verftridt
fid) trdumend in Sdhulb um Sdhuld, fcjaudert vor feiner eignen
Sad wade und ift endlid, als er aufwad)t, froh, dak vie getvéume=
ten Gilnden von feinem Gewiffen fallen. Gr entfagt ver Welt
und feinem Chrgeiz, und fo ift denn die Lehre, bie wir daraus
entnelmen, feine andere, als daff man auf das Leber vergidhten
folle, wenn man fdojledte Traume gebabt habe. Gin foldes
Зебра ver Traume gum Leben ift aud) dari villig falfeh,
weil die fittlidje Kraft befanntlic) im Traumleben der Geele ge-
bunben und Niemand file getrduméte SGilnden verantwortlidy iff.
Wer fein Inneres, feine Unlage gum Guten und Bifen aus
feinen Traumen fennen gu Lernen vermeint, ift eben — ein
Craumer.

Diefe Bedenken gegen ven Gehalt ver Fabel migen dem
Didhter fern geblieben fein, weil feine gange Birtuofitdt von dev
tunftreihen Darftellung der ertrdumten Begebenheiten in Unfprud
genommen wurde. - Unb allerdings ift e8 ihm in hohem Grave
geglitdt, den Dingen, die fic) vor unfern Augen eveiqnen und
пани тонов werden, реп @феш der Wirllidjfett gugletd gu
geben und 3u nehmen. In die pragmatifde Wufeinanverfolge von
Urfaden und Wirkungen mifaht fic) unfdeinbar und unheimlid
ein irrationaled Element, die Faden reiffen ab und fnilpfen fid)
wieder, die Dinge riiden feltfam haftig an und aus einanber,
und die Leinenfdaften und Ueberlegungen haben jenes Hellountle,
Berjdjleierte, ganz wie e8 in einem Traume gugugeher pflegt.
Uber bod) milffen wir 3. Sdnivt edt geben, wenn ihm ,,die
Schilderung eines Trammes auf vem Theater ет цию и дет
Borwurf’ fheint; wenigftens Hatte ver Didjter nod) einen Sadyritt
weiter geben und, ahnlid) wie Raymund in foldjen Fallen gethan,
mit derberer Bhantaftit unferer Phantafie gu Hilfe fommen follen.
Der erfte Att fclieBt умах vamit, рав bem fdplafenden Iuftan
in einer Bifion bie erfte Scene de8 gweiten Utes vorgefiihrt wir.
Wenn aber dann der рама fallt und wir den Jilngling, ben
wit fdlafend und traumend verlaffen, wadjend in der Fortjegung
jener Traumfcene begviffen finden, fo glauben wir gunddft mur,
dah fein Traum in Erfilllung gegangen fet, und erft fpdter
finden wir uné in die twunderlide Bumuthung, die Handlung, die
fid) fo finnlid) vor unfern Uugen begiebt, nidt als etwas Ieales,
fondern burdjaus nur als viftondren Trug angufehen. Die Briide
aus bem Leben in den Traum ift gu dinn. C8 hatte ver Fliigel
eines freieven allegorifdjen Gpiels Ledurft, um uns in die reine

90