AHllustririe serving.
	fondern eine zielberwupte, tinftlert)d jcone Herjtellung tm Mab:
men dex Pietit’”, Ntan hat hijtorifd getreu reconjtruirt, aber
das fo Gewonnene dem modernen Kunftbewuptiein angepapt
und dadurd einen pradtigen Grfolg erjtelt. Nehmen wir
unfern Standpintt auf dem Orgeldor. Dort tiberbliden wir
a3 Garje und gewinnen den vollen Gindrud, ben der Ratfer
bet feinem lebten, tiberrajdenden Bejuch der Kirche, minuten:
	lang in jtillem Ginnen iiber die Briftung fic) lebnend, wieder:
	gab mit dem mebhrfad wiederbolten WUusruf: ,,2AWunoervoil,
wundervoll!’” Sn der That, wundervoll find die Formen und
Mapfe diefer Spdtgothit, die leider in diefer Weife rect jelten
bei unfern Rirhenbauten angewendet wird. Seblante Wdhted:
pfeiler geftalten da3 Langhans dreifdiffig, der Chor jdliebt
dreifeitig ab. Das langgeftredte Tonnengewslbe wird ourd):
зодеи von Rippen, die jenfeit der Knotenpuntte furgendig ab:
{dneiden. Died und die Bemalung der Rippen mit Cafem-
farben find die Charatterijtita diefer Stilform. Die Farbe it
viel angewendet. Farbig find die Firitenwappen, die als Re:
Дега heraldijch correct in die durchbrodjenen Empovenbritftun-
gen eingefitgt find; farbig aud) die Capitile der Siulen vor
den Udhtedpfeilern, welche die Statuen der reformatorifden
Helden tragen. G8 find Geftalten von theilweife gelungenfter
Charatterijtif. Der Gedante, eine Gedadhtniphalle рег Фе:
helden der Reformation darjuftellen, wird nod weiter durd:
gefiihrt in den 22 brongenen Medaillons im den Frontzwideln
det Gmporenbogen und in den acht Fenftern de3 Langhaufes.
Die Mtedaillons jtellen Borreformatoren und reformatorifde
Kiriten, Rinjiler und HSumaniften dar; in den Fenftern find
die 198 Wappen proteftantifder Stadte, nad) den alten Reichs:
provingen geordnet. Unjer Blick wird begrengt durd) die drei
bunten Glasfenfter de3 Chor8, die nach der fogen. Ditrer’jdhen
/Meinen Paffion”’ componirt find. Bon den fatten Farben:
опен diefer Seniter hebt fic) der Wltar ab in blendendem Weif,
ein fein gedachtes Werk aus frangofifhem Ralfftein. Wie garte
Gistryftalle {chieben die Spiken empor und entgitden das WAuge.
Wus dev Ferne lafjen wir uns auch die Sigur be3 Herrn in der
Mittelsffnung dev Wltarwand gefallen; in der Mahe bleibt fie
wol mindeftens eindrudslo3. Bur Iedhten vom Herrn ftebt
Petrus, zur Linken Paulus. Dieler weibe Wltar contraftirt
pridtig zu bem duntel gebeisten Cicgenholz der 23 Firften-
ое, die gwifcen Wltar und Rangel an den Seiten aufgeftellt
find. Qn hemfelben Ton find die Rangel, dad Geftithl und da3
DOrgelgehiufe gehatten.

Wie der Gindrud bes Snnern ein harmonifder ift, fo der
des Meubern ein imponirender (j. die Ubbildung auf S. 484).
Hier fehen wir noch die alten Quadern der Mauern aus Fried:
rich ded Weijen Zeit, und was neu hingugefitgt ijt, wie 3. В. ме
Sacriftei, ijt ftilijtifd) richtig gejtaltet. Die verbrannten hdl:
gernen Sliigel ber Thefenthiir haben fdhon 1858 durch Friedrich
Wilhelm LV. einen toftharen Erfay gefunden in ehernen Hlii-
gelu, die in erhabener Gebrift die 95 Sage Luther’ zeigen.
Bur Markirung diefed beriihmten Haupteinganges dient der
fchlante Dachreiter, vertical бес der Querung. Cigenthiimlid
ift der Hauptihurm an der nordivefilicen Ede. Rnorrig und
wudtig fdiebt ex empor in gewaltiger Mundung. Die un:
gewohnlide Form zeigt fdhon, dab er nicht immer RKirdhthurm
war. su der That gehirte ex friiher yu der angebauten Hof:
burg und ijt {pater zu wiederbolten malen mit der Kirche vey:
einigt und wieder getrennt worden. Uber diejer Burgthurm
hat bei dielem Gotteshaufe feine befondere Bedeutung, die zum
Wusdrud fommt in dem Spruchband hoc oben am Sims, auf
bem in Salviati jcer Glasmofail mit gropen gothifden Фе
tern weit binaud die Worte leudten: ,,Gin’ fefte Burg ift unjer
Gott, eine gute Wehr und Waffen!’ Die Spike 568 Thurme3,
fo {hin fie im einjelnen ijt, madt doch im ganjen feinen befrie-
Digenden Gindrud. Bn einer offenen Wreadengalerie gwijden
Strebepfetlern jtedt wie in cinem Rranje eine madtige, mit
Kupfer gededte Kuppel, die wieder in etne Spike, abnlich dem
Dachreiter, auslauft. Hoch oben glangt ein Krew. Smmer:
hin, dex Thurm mit feiner Hohe von 88 Mitr. packt den Be:
jfchauer, und wenn feine Gloden am 31. October zur dritten
Rirchweih erfchallen und alle Gloden auf dem Lande ringsum
in feterlidem Chor antworten werden, dann ift nicht nur fiir
Wittenberg, fondern fiir die ganze evangelifce Chriftenheit in
оси фей und auperdentiden Landen ein Sreudentag gefonment.

Bei der Kirchweihpredigt, die Luther gevade ein Jahr vor fet
nem Thejenanidlag in der Schloplirce hielt, mahnte er gewal:
tig, Die RKirchweihe auch yu einer rechten Weihe der Herzen wer:
ben au lafjen. Méidte eB daran auch bet diejer Kirdweih nicht
Feblen!
	Wittenberg.

Wr.
	Wodenfcdhaw.
	Ne 2574. 29. SOctober 1892.
	fhadigenden Bertrag mit IMupland abgufcdliefen. Das tiefe Mis:
frauen ded bdhmifehen Bolfes gegen das dentfdye Biindnif berale
auf dev Gefchichte von Salhrhunderten. Die Bdhnen ет ihre
flawifejen Wefihle fehy wohl mit den Pflichten gegen den Staat
gu verteinigen; nun Finne ed ihnen aber nicht ttbelnelmen, daf fie
ficy gegen ble Groviictung burch Deutfdjland webren. Das bodb-
mifdje Bolt empfinde feinen Haf gegen Deutichland und witnfdje
ein gut nadjbarlidjes Berhdltnig, aber teine gu lange Bundes-
genoffenfchaft mit Deutfehland. Panflawismus qebe es midjt, wol
aber fet ber Pangermanismus eine Gefaly fiitv Oefterveich.

Blener erwiderte davauf, раб die Wusfihrungen Cym’s dev
Фейфий entlehnt feien, weldye Rieger Gude der fechgiger Jahre
Napoleon IIT. iiberveleht habe. Das Biindnif mit Deutfdjland babe
fic) eingelebt und fet bergeaungen tn die Bebdiirfniffe und те
pfindungen ded Volfes, was nicht moglich gewefen wire, wenn eg
blof ald diplomatifdjes Biindnif dev Hife gegen die Meinungen
und olne die Sympathten der Baler м worden tare.
Das Biindnig (zee liberdies Heute den ItitcEhalt, baf beide Urineen
von ihm evfillt feten. Mein Defterzeicher finne bona fide etn
Bindnif mit Frontretch wninfdjen. Die Folge eines folten ware
nothwendig ein Krieg mit Deutfchland, und ben топи бе бор [ей
bas czechifche Bolt nidjt. Gs fet nidit Oeftervetehs Sehuld, dap
Rufland ficy von ihm entferne; dev wahre Grund beftehe davin,
bai die maBgebdenden Perfinlidjtetten Ruglands DOeftervetcy fir die
Sebhler vevantwortlich machen, welche die ruffifehe Polite in Bul-
garten begangen, und durel die fie den Ginflug auf Bulgarien verloven
habe. Die deutfdj-liberale Burtet forme mit Genugthuung darauf
hinwetfen, daB thre Vithrer Sturm, Garnert und Demel fehon an-
fangé der ftebziger Sahre in den Delegationen den Wbfedhlug eines
Piindnitfes mit Deatfehland empfohlen haber.

Sn der Ubendfipung Fam Kalnofy auf dte Rede Cym’s gurita.
Gr begetchnete ed als bedauerlicy, wenn die Muationdlitdtaverhalt-
niffe in dle audwartige Bolitif ibertragen wirden. Gr wiin{che
bas befte Berhiltnif an Mufland, und ev fet begiertg auf die Wtr-
fung, welcje bie Anregung Gym s wegen Befferung der Handels-
Geziehungen зи Rugland haben werde.  

Das deutfch- dfterveidhifde Bunduif fel ein VBertheidigungs-
biinbdnif, dem ficy jeder anfdjltefen tinue. Gr werde bei dev 6182
беден Politie verharven, dte den Buteveffen dex Monarchie ent-
fpreche. Dte Delegation и darauf mtt allen Stimmen gegen
Die der Sungezechen dev Mtegterung ein Berirauensvotum.
	Muflofung des vetchenberger Gtantrathes. — Der
Statthalter von Bihmen, Graf Thun, hat dte fladtifdjen Collegien
in Rethenberg aufgeloft und diefe Mtagregel ausfihrlicy begriin-
det. Die Crwartung, daB dle Gemetndevertretung ihre Pilichten
gegen die Gefammethelt dev Birgerfdhaft und gegen die ма:
gewalt evfennen wiirde, habe fidy nidjt evfillt. und eine objective
gefevlice Umtsfihrung fet nicjt yu erlangen gewefen. eben
ftrafbaven Snbalté batten die Grundlage fir Befdliffe gebiloet.
Die Handhabung dev Зете 162, Berfammlungs: und Eicherhetts-
poltzet Habe wiederholt ber Staatspolizet ibertragen werden miiffen.
Berney batten fid} die Gemeindebehirden tviederholt Gomrpeteng-
tberfejrettungen und einen ungehirigen Ton tm Sehriftenwechfel mit
den Staatshehirden zu Gahulden fommen ТаЙен.

UAnderfeits legen auch politifdye Grinde fiir dte Uufldfung vor.
Die Partetftellung dev jtadtifdyen Gollegien ift deutfeh-nattonal,
und gwar im Cinne einer ftarfen Ginneigung gum Deutfdhen
Meide, dte 3. B. durch bie Feler des Sedantages, durdy dle Uni:
formirung dev fladtifejen Polizet nach preusifchem Mufter und in
einer durchaus gu weit getviebenen Borltebe fiir alle Ginvidjtun-
gen 008 Deutldyen Meiches mit der Stellung sfervetcifder
Staaishirger nicht wol vereinbar evfeheint. Ratler Franz Sofenh
hatte dtefe Whweidjungen yon dev dftervetchifehen Art auch bei fet:
nev lepten Unwefenfeit in Reichenberg bemerkt und fich iiber die
Uniform dev ftddtifdyen Bolizetbeamten misbilligend ausgefprodien,
обие Daburet die oetvlinfdjte WirvEung gu erjtelen. Der Biirgerz
metfter, Dev feiner Functionen gleidjfalls enthoben wurde, hat ge:
gen dle Mtafregel Broteft erhoben, und fre wird demndchft im dfter-
veldhifcyen Whgeordnetenhaufe zur Sprache fommen.

Die Berfihuungsfeter in Budapelt. — Bet Gelegenhett
ber auf den 2. November angefesten Enthiillung ded Denfmals
т Ме in den Befretungéfriegen gefallenen Honveds auf dem Paz
radeplab in Ofen follte ein Berfdhnungéfeft gefetert werden. Dev
Sorpscommandant Flirft Lobfowig und Ladislans v. Tisza, dev
Brafident des Gentralausfdjuffes der Honveds yon 1848 und 1849,
follten gleidettig am Supe ded neuen Denfmals RKrange nteder-
legen. Dann follten gwet Ehrencompagnien, die eine aus Hon-
weds, die andeve aus Solbaten dev gemeinfamen Armee gebildet,
nad) bem Denfmal 528 Generals Henzt, ded Bertheidigerds dev
ofener Feftung, ziehen, wo wiederum vom Pirften Lobfowts und
Cadislaus v. Lisza Rrdnge ntedevgelegt werden follten. Wber dle
повете Linte wollte von dey BVerbriiderung nichts wiffen und ет
anlafte eine Verhandlung der о im Metdhstage.

Sn der Sibung des ungarifden UAbgeordnetenhaujes vom
17, October proteftirte dev Wbgeordnete Citys dagegen, daf Hon-
veds aus den Jahren 1848/49 bas Denfmal des Generals Hengi
hetvdngen follten. Minifterprdfident Graf Srapary erfldrte, dap
её dev Ueberzeugung eines {eden iiberlaffen fel, an dev Befrangung
theilgunelhmen oder nicht. Graf Apponyi beantragte eine nadye
tuiglicje Priifung deé Programms. Die Berhandlungen wurden
am folgenden Tage fortgefest, tobe Graf Szayary den WAntrag
be Grafen Apyyonni ablehnie. Jn der Sigung vom 22. October
wurde eine Sufdyrift des Denfmalcomites yerlefen, worin die Rev:
foquag bev eee №. Denfmals infolge dev bee

Hiofjenen Winvevuyung Dev Landed-Honvedverfammlung alg un-
yermeiblich, beveidhnet toitb. Sonveboerjammiang

Graf Szipdry evfldrte, dag ev gegen dte Mbfesung dev Deni:
malsfrage von der Tagedordnung nichts einguiwenden habe, die
Abgeordneten Ehtvds und Apponyt evfldrten qleidfalle thx Gin-
verttdndnif, griffen_aber den Minifterprafidenten heftig an und be-
mertien, dag ihre Oppofttion nicht ber von thnen hodigehaltenen
Armee, jondern dem Mtinifterprafidenten gelte. Grat Szaydry ev:
viderte, baf durvdy die Abfesung des Gegenftandes von der Caged:
ovbnung dag lebte Mort nod nicht gefvrocsen fel. Das Gaus
	nam davauf einftimmig die Wbfeung der Denfmalsfeage von der
Tagesordnung an.
	Die Groffuung der frangififden KRammern. — Die
Wiedevaufnahime der и Arvbetten in Paris деЙа[2
fete fidh welt ruhiger, alg yon allen Seiten angenommen worden
war. Die Regierung legte das Handelsabfommen mit dev Schwels
bor, dann folgte dle Snterpellation itber den Musftand in Gar:
mar, Loubet’s Antwort Lautete dalin, bag dle Regterung ihre
Biliht gethan habe und ficy nicht anders als gefcheben einntfdjen
fonne. Der Streit wire fcjon beigelegt, wenn ein Sdytedse
gervidjtégefes vorhanden wire; bie Kammer mige duber dle Ourdh-
Kerathung dev betveffenden Borlage beeilen. С

Minifter dev Sffentlidjen Wrbeiten Biette evklavte, bab dte Ge-
febe bem Stnate nicht geftatten, die Uusbeutung dev Bergwerte yu
Ubernehmen, Det Ahgeordnete Baron Reille, Brafident dev (тибе:
gefellfchaft, {pracy darauf feine Berettwilligkeit aud, dte Minifter
Youbet und Btette ale Schiedsrichter anguertennen, Snfolge diefer
Wendung tvurde die Snterpellation обие Wufftellung einer Tages:
ovduung fiir gefdjloffen evfldvt. Dte Rammer befcylog alsdann
bie Dringlicjfett bes wor einiger Beit eingebradjten Wutvags auf
Revifion der Bergwerksqefere,
	те Krankheit bes Konigs von Spanten. — De цей
abgeleugnete Rranfhett bes Kinigs von Spanten Hat ficy docy als
Thatfache hevausgettellt, und zwar ift fie alé eine Folge ber Go-
limbus: Feler in Cadix und Huelva angufehen. Ein Bulletin dev
amtlidjen ,Gazeta” in Madrid vom Letbaryt des Mintgs befagt:
Der Minig letde an Webermitdung und gattvifder Stovung, dte
wabhriheinliay anf die verdnderte Lebenswetfe guvitctzufihren fei,
	Luther s Sdlopkiraye.
Bum Aircyweihfeft in Wittenberg.
(Hierau die Wobilbung auf G. 484.)
	ie ehriviirdige Luther-Stadt an oer Sle
ift e3 gewobnt, dank ihrer groben Ber:
gangenbeit, aupber den taglichen Be:
fudern, die Bugvigeln gleicd leicht:
befhwingten Fubes auf der Wanderung
Wittenberg berithren und vieder davon:
eilen, von Beit gu Zeit Feftcaravanen
in ihren Mtauern gu fehen, die feter-
lien, wiirdig-ernften Saritted bin:
aussiehen vor da3 Sdlopthor, in die
weibevollen Raume der alten Schlop-
firde, der Wiege der Reformation und
der Grabititte der Neformatoren.
Seitbem 1667 gum erften mal der
31. October als Reformationstag vor
der alten Thefenthiir gefetert worden ift, ift eine fleine Uiteratur
entftanden von, Befdreibungen der in Wittenberg gefeierten
Luther:-Tage und von Sdriften iiber die Gelchichte ver Schlob-
fivde. Зи bdiefen Tagen lentt fich wieder der Blid nad
Wittenberg, wo ein evangelifder Kaifer inmitten evangelifder
Зи bem Luther Tage feinen Glangz verleiht und mit der
feternden Gemeinde der Weihe der neubergeftellten Schlob-
firde beiwobhnt.

Dads ift die dritte Kirchweihe, die ве Raume erleben, und
naturgemah geht die Grinnerung zuriid und vergleidt dad
Jebt mit bem GCinft. Wie ift bas Leben in und auperbalb
diefer Rirde fo ander3 geworbden!

Stellen wir uns den erften Rivdhweihtag der Salobtirde
vot, den 31. October 1508. Bon Kurfiiri{t Sriedrid) dem Weifen
geladen und von bem Papit gefandt, sieht der Bijdof von
Общ, Cardinallegat Raymund Bayrand, heran an ber Spige
der Geiftlichteit in pridtigem Pomp. Nad lateinifcen
GebetSworten sieht er dretmal um das Gebdude herum, die
Mauern mit geweihtem Salgwaffer befprengend. Danach
fehveitet er binein und weiht die eingelnen Theile der Rirde.
Nachdem aud) die iibrigen Geiftliden mit der goldgezierten
Reliquienlade eingezogen find, verfiindigt der Bildof die Pa:
trone der neuen Kirche ,,3u Chren Gottes und der Glorwitr-
digen Gungfrau Maria und gum Gedddhinif aller lieben Hei
ligen”’. Der Weiheact ijt beendet. Fortan beginnt ber Gotted-
dient, und vor den neunjehn Wltdren der Rirde ift reicher Wb-
laf и боем. ЗИ 500 diefes GotteZhaus durch den frommen
Gifer bes Kurfitrften eine Schablammer von 5005 Reliquien,
deren Whlablraft in3gefammt 500000 Tage daritellt.

G8 ift ber Dahrestag diefer erften Rirdweih. Жал Гусев
bad Jahr deS HeilS 1517. Die Reliquien find gur Feier des
Dages ausgeltellt, und die Menge drangt fic hergu. Da wird
am Ubend an der Thitr ber Kirche eine Disputation angefiin:
digt; Frater Martinus vom MAuguftinerElofter will disputiren
viber Kraft und Werth des Whlaffes”. Firwabr, ein Thema:
damals fo zeitgemapb und sugtraftig, al8 wenn heute jemand
iiber die fociale Grage fpredjen will. Der aber, der damals
fold Disputiren antiindigt, ift fein Gelebrter von der gewshn-
liden Sorte: Martin Luther ift da3 religtdfe Genie fetner
Beit, und die Disputation wird zur — Reformation der Я фе!

Seitbem waren 253 Jahre itber die Sdloffirche забит
gegangen. G8 ijt der 6. Wuguft 1770, und wieder ijt Rirdhweih
in Wittenberg. Zum gweiten mal wird die ernenerte Sclof-
firde geweiht, die der Siebenjabrige Krieg in Uiche gelegt hatte.
Die lateiniidhe Vnfdhrift ikber der Thefenthity zeigt an, dab fie
fortan ,, Gott dem Wllerhscften allein” geweiht fein foll.
Doch wenn diefelbe Ynidrift behauptet, dah die Kirche nach
dem Brande ,jdiner erftanden fei, jo follte fold) Urtheil wol
nur troften ber den Verluft deffen, wad nicht wiederherzuftellen
war, und iber den Mangel deffen, wad man wiederaufgebaut
hatte. Die foftharen Gemaloe von Cranad und Diirer in der
Rirde, vor allem die beriihmte Thefenthity und vieles andere
waren in Hlammen aufgegangen. Wlfo denfmalarm war die
neue Kirche von vornberein. Uber der Geift ber Beit, der Beit
bes nitchternen Mationalismus, dritcite augberdem dem Bau
jeinen Stempel auf. Bwar galt den Chroniften der neue Rirch:
thurm im Baroditil als eine Sahinheit und Sierde der Cand:
{haft; und will heute jener Thurm in feiner Whbiloung giem:
lich abgefdmacdt vorfommen. Und langweilig waren die Bajen
iber ber Thefenthite ftatt der vernicjteten Statuen, Llangweilig
und unmwpiirdig im Jnnern die Wnlage der Kangel itber dem
Altar, langweilig die glatten, nidt jtilifirten Sladen der Hol3-
befleibungen am den midjtigen Doppelemporen. Das Hand:
wert hatte tichtig gearbeitet, aber von dem alten Kunftwert
war faft nidts mehr gu feben.

Gs iff 1892. Nun gelt die neu ausgebaute Schloptirde
sunt dritten mal dem Weiheact entgegen. Rationaligmus und
Parodftil find voriiber, und wad am 31. October dem Wuge und
dem Ohr der andiichtigen Gemeinde fic darbieten wird, wird
wieder der Vergangenheit diejes Baned witrdig fein.

Halten wir im Geilt einen Rundgang durd) die neuen Hal:
Cen. Denn neu find fie zu nennen. Sft doch von dent alten
Bau nicht viel mehr tibrig geblieben alB die Winde. Wher
Grundias ift e8 gewefen bet der Reftauration, die cin Werk des
Gel, Oberbuuraths Prof. Uoler ift, ,,het maglidjter Sdhonung
der alten Subftang und in gewiffenhaftem Wnfdlus an die ure
ipriingtice Stilbehandlung teine auf antiquavifdher Gelehriam:
feit gegritnbdete oder gar fElavifde Wiederbolung dex durch

 
	oOrand ooer Wlodrucl 3Zerftdrten altern Wnlage au erftreben,
	Die Militdryorlage und der Bundesrvath. — Зе пеце
Militirvorlage ift am 19. October dem Bundesrath ded Deutfejen
Heiched vom Melcystanzler worgelegt und in dev folgenden Sigung
yont 20. October berathen worden. Der Meidjsfangler hat bet diefem
Anlag einen Langen und eingehenden Bortrag gehalten, dev die Noth:
wendighelt dev nenen Heevedorganifation ausfihrlid) darlegte. Den
Diigliedern wurde unbedingtes Gadyweigen fowol iiber den Bor:
tvag wie die Borlage felbft sur Bflicht gemacht 618 зих аш ен
Verdffenilicyung. Ole Begrindung ber Borlage ift fo fnapp we
miglicy gehalten, ble Rechirertiqung wird in den WrdfduPfisingen
ber betreffenden Reicstagsinitalieder erfolgen.
	_ Aus den Delegationen. — Much in dev Plenarfigung dev
bfterveidifdyen Delegation nahmen die Angrlife des Abgeordneten
(буш gegen den Dretbund einen bretten Raum ein. Wm 17. Oe:
tober be Jauptete dev jungezechifdje Delegitte, bag Oefterveich bet
ben Handelsvertragen gu Eurz gefommmen fet. Gogleicy mach dev
Geltung her Bertrage fei dev dftervetdstfdje Handel gurickgegangen.
Das Deutfehe Ле neige баб, елей den ditervetchifchen Handel