DAS KUNSTBLATT HERAUSGEBER PAUL WESTHEIM




Neue Bilder von E. W. Nay


E. W. Nay, zweifellos einer der begabtesten Hofer-Schüler, hat eine Reihe neuer Bilder gemalt, die wie ein abrupter Bruch mit seinem bisherigen Schaffen anmuten. Eines Tages nach dem Weggang von der Berliner Akademie scheint er erkannt zu haben, daß mit dem Landschaftsabmalen nicht mehr weiterzukommen ist. Übrigens Hofer zu gleicher Zeit auch, wie seine Ausstellung bei Flechtheim, man sehe die Abbildung S. 100, zeigt. Man könnte meinen, Nay habe Anschluß gesucht an gewisse aktuelle Strömungen in Paris. Aber es war bei ihm doch wohl anders. Es muß ein schweres Ringen und Durchringen gewesen sein, an dessen Ernsthaftigkeit nicht zu zweifeln ist. Wir haben daher den Maler gebeten, in Worten zu sagen, wie er zu dieser Wandlung gekommen ist. Nay ist offenbar nicht wortgewandt genug, um sich mit der wünschenswerten Präzision ausdrücken zu können. Er ist ja Maler und nicht Theoretiker. Um so unverfälschter ist der Einblick, den sein Brief bietet.


Sehr geehrter Herr Westheim,


ich werde also mal versuchen, kurz zu skizzieren, was mich auf diesen Weg gebracht hat.


Die Anfänge liegen eigentlich bei meinen allerersten künstlerischen Ansätzen. Es kam notwendigerweise die Schule (Hofer) dazwischen. Ich sah ein, daß man erst was lernen muß, ehe das Eigentliche gesagt werden darf. Schließlich waren alle Fächer leer, was mir über


haupt bei fast allen Heutigen der Fall zu sein scheint. Sie sind Maler, aber keine Künstler.
Durch allerdings sehr laienhafte Beschäftigung mit Parapsychologie tauchte ein neuer Weg auf, da zugleich ein stetig wiederkehrender Hang zur Mystik und ein Fühlen dämonischer Kräfte außer uns anlockte.
„Die Sinnlosigkeit der Kunst“ ist nur deshalb heute ein Schlagwort, weil die Kunst keine Werte mehr enthält, die über unseren Zusammenhang mit übersinnlichen Kräften Aufschluß suchen. Und diese Kräfte, der Wunsch, sie zu suchen, steckt heute im heutigen Menschen (ebenso wie sie stets eigentlicher Kunstinhalt sind). Ich suchte In


halt. Zuerst „Hinrichtung“, ein literarisches Thema, das ich allerdings gänzlich unliterarisch aber doch mit einer greifbaren, gewohnten Dämonie malte. Dann das „Liebespaar“


in erster Fassung der Hinrichtung ähnlich. Dann Landschaften am Meer, in denen ich immer wieder versuchte, eindeutigere, einseitigere Bilder zu machen. Mußte mich aber auf realistische Bildform beschränken, da ich noch nicht so weit war. Dann sah ich im Theater Barlachs „Blauen Boll“ (komisch, werden Sie sagen, aber ich wills Ihnen erklären und hoffe, daß Sie das ebenso ernst nehmen wie ich. Außerdem ist Kunst, solange man sie ergrübelt und macht, ganz ganz persönlich.) Im „Blauen Boll“ war auf mysterienhafte, ganz Barlachprivate Weise durch Zuhilfenahme der Religion eine Mystik geäußert, wie sie heute im Menschen latent ist. „Boll muß Boll gebären.“ Dasselbe erlebte ich