in Lübeck vor Memling, dessen Altarbild (über die Qualität streiten sich Fachleute, was mir wurscht ist) eine unerhörte kühle Geistigkeit und mystische Durchsichtigkeit besitzt. (Für mich — nun gut!)
Picasso, Lurçat, Max Ernst und Klee deuten einen Weg an, der nicht ein Ende ist, sondern wie anno dazumal der Expressionismus ein Anfang.
Leute wie Masson, Miro schieben diesen Anfang leider sofort wieder ans Ende. Denn was den vier oben Genannten Kunst ist, wird bei den anderen Literatentum. Bei der schwierigen Definierbarkeit solcher Werke merkt das natürlich fast niemand.
Was ich will:
Deutung der übernatürlichen, doch als organisches Gesetz in uns vorhandenen Welt. Dieses organische Gesetz entwickelt die Bildideen. Sodaß das Ich eine Marionette wird. Wie kam ich faktisch darauf, d. h. als malender Künstler?
Die „ausgefallene“ Idee, eine Liebesszene so zu malen, daß daraus ein zwangsweises Naturgeschehnis entsteht, führte zu einer Bildform, die mit der bisherigen nichts mehr zu tun haben konnte. Ich mußte mich vom Rahmen, d. h. von der optischen Welt lösen, das Gebilde schwimmt im Raum, ist nicht mehr Zentrale oder Dezentralisierung der Fläche. Wie mich überhaupt alle bisherigen Malereiprobleme nicht mehr interessieren,
sondern neue auf neuem Grund auftauchen. (Der Fehler bei Masson sind die alten Probleme.) Ich mußte zweitens Formen finden, die meiner mystischen Vorstellung so nahe wie möglich kamen, um das zu sagen, was mir vorschwebte. Diese Formen entstehen aber ohne aktiv persönliches Zutun eindeutiger, näher an der Vorstellung. Und der Inhalt ist, wie im alten Testament mythologisch so schön gesagt ist: „Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.“
Es handelt sich hier um etwas, das lediglich nur durch Malerei ausgedrückt ist. Also ist auch nicht ein Körnchen Literatur daran. Literarische Deutung unmöglich.
E. W. Nay.
E. W. NAY: KOMPOSITION. 1931