KARL HOFER: SOMMERTAG. 1931
Ausst. A. Flechtheim, Berlin


Paul Westheim: Neue Kunst in Deutschland


Wilhelm Pinder hat vor einigen Jahren ein viel beachtetes Buch über „das Problem der Generation in der Kunstgeschichte Europas“ erscheinen lassen. In dieser geistesgeschichtlichen Untersuchung, die in der Tat neue und weite Aspekte eröffnet, zeigt Pinder, daß die von der Kunstwissenschaft angenommene Generationsabfolge von etwa 30 zu 30 Jahren untaugliches Hilfsmittel ist. An jeder Geschichtslage seien stets mehrere Generationen beteiligt. Fast immer seien es drei Generationen: eine der älteren Meister, eine Schicht der im Mannesalter Stehenden und eine dritte der Jungen und Jüngsten. Drei Generationen, die in ihrem Schaffen nebeneinanderstehen und im Gesamt
bild des Zeitschaffens sich überschneiden. Überblickt man das heutige Kunstschaffen in Deutschland, so könnte man meinen, es ständen nicht drei, sondern zwölf oder gar noch mehr Generationen nebeneinander. Das mag seine Ursache haben im Tempo der heutigen Zeit, die, wie es scheint, den Schnelligkeitsrekord der Bewegung im Raum auch übertragen muß auf die geistigen Bewegungen der Zeit. Vor 100 Jahren bei Ingres und Delacroix, Cornelius und Schwind hatte eine künstlerische Bewegung wohl noch einen Lebensraum
von 20 bis 30 Jahren, lange genug, um schließlich auch von den breitesten, der Kunst fernstehenden Schichten erfaßt zu werden. Heute geht das sprunghaft. Noch nicht ganz in dem Tempo, mit dem im Kino die Bilder springen. Aber immerhin so schnell doch, daß solche künstlerische Bewegung meist schon vorbei, jedenfalls bei der avant-garde schon suspekt ist, wenn die Kenner und auch die künstlerische Gefolgschaft grade an
fangen, sich ihrer bewußt zu werden. Als typisches Beispiel mag die sogenannte „neue Sachlichkeit“ genommen werden oder der „magische Realismus“, wie man sie auch bezeichnet