berechtigt zu erscheinen, nicht mehr gibt, ist auch dieses Repräsentationsbedürfnis nicht nur unzeitgemäß geworden, mehr noch, man fürchtet durch solchen weithin sichtbaren Aufwand die Unzufriedenheit oder wie man sich auszudrücken pflegt, die „Begehrlich
keit“ der Nichtbesitzenden zu reizen. Der Kapitalismus beherrscht zwar nahezu die ganze Welt; aber er scheint doch um seine Herrschaft zu zittern. Er fürchtet den Auf
stand seiner Sklaven. Nicht erst heute und gestern, auch schon bevor in Rußland der Bolschewismus kam. Der amerikanische Multimilliardär und alle, die es ihm in Europa
nachtun zu können glauben, möchte am liebsten in der Anonymität versinken. Obzwar ers dazu hätte, will er nichts davon wissen, wie ein indischer Maharadscha zu prunken und zu protzen. Er häuft nicht Gold und Edelsteine, er hält sich nicht ein Heer von Sklaven und Sklavinnen; sein Besitz ist ein abstrakter Begriff, eine Ziffer auf einem Bankkonto, Aktienpakete usw. Er selbst will nach Möglichkeit nicht in die Erscheinung


treten, und wenn es unausbleiblich ist, so als einer der vielen Mr. Soundso, der ein good old fellow ist und weiter nichts.


PAUL GANGOLF: ZEICHNUNG Sammlung Dr. Ernst Rathenau, Berlin
Kunst kann für ihn eine Passion sein wie bei Pierpont Morgan, ein Luxus, den er sich leistet. Aber dieser Luxus ist im Augenblick nicht sehr in der Mode. Gegenwärtig „überbietet“ man sich in dieser Welt mit anderen als geistigen Dingen. Mög
lich, daß auch das mal wieder Mode wird und daß eine ganze Menge Künstler davon profitieren. Aber mehr als eine Modelaune kann das für den Kapitalis
mus nicht sein. Wir wissen, daß er aus Kunst etwas anderes noch machen kann, was ihm auch näher liegt: eine Ware, eine Kapitalsanlage. Beim Balzac, im „Vetter Pons“, heißt es zwar: „Geschäftsleute glauben nicht an Bilder. Ein Bild, das sind für vierzig Sou Leinwand und für 100 000 Franken Malerei. Aber die Malereien zu 100 000 Franken Wert sind wohlbekannt, und auch dann noch muß man mit den selt
samsten Irrtümern rechnen. Ein großer Finanzmann, dessen Galerie gerühmt, besucht und gestochen (ge
stochen!) wurde, sollte Millionen ausgegeben haben . . . er starb, denn man stirbt, und was stellt sich heraus? Seine feinen Bilder bringen nicht mehr als 200 000 Franken!“ Aber mit der Erfindung der Ex
pertise scheint die Sache etwas einfacher geworden. Wenn ein Schweinemilliardär in Chicago sich auch nicht zutraut, von Bildern was zu verstehen, so dürfte er doch wenigstens imstande sein, einen Gutachten
zettel zu lesen. Und da alle Welt zwar nicht an Kunst aber an diese Zettel glaubt, so ließ sich auf die Weise aus Bildern oder Plastiken eine gangbare Ware machen. Aus alten, versteht sich; für neue Kunst gibt’s ja derlei Zettel noch nicht. Daß der Kunst


handel das begriffen hat, ist bekannt. Und so konnte es ihm gelingen, die Möglichkeiten des Kapitalismus