In einer Situation, in der die Kunstwirtschaft mehr als jemals mit Valutaunterschieden, Zoll= und Frachtspesen zu rechnen hat, ist es begreif= lich, daß man in Deutschland von dieser Bildhauerei noch weniger weiß als von der Malerei. Ihr gegenüber, die sich wie ein Bauwerk in den dreidimensionalen Raum hinein entfaltet und die wie ein Bauwerk um= schritten und von allen Seiten betrachtet werden will, versagt die Re= Produktion noch mehr. Das Eigentliche ist durch die eine Ansicht der photographischen Wiedergabe nicht zu erfassen oder wird so entstellt — der Csakysche Kopf (Abb. Tafel S. 52 oben) ist ein handgreifliches Bei= spiel —, daß der Beschauer, der das Original nicht gesehen hat, kaum etwas damit anzufangen wissen dürfte.
Über Lipschitz spricht eingehender noch Waldemar George; Raynal hat über ihn eine kleine Monographie im Verlag der »Action« erscheinen lassen, er ist eine plastische Elementar=Begabung. Aus seinen Anfängen gibt es einen »Torrero«, der trotz der Absicht der darstellenden Beschrei= bung einen ungewöhnlichen Zug schon hat durch die funktionelle Ver= teilung der Massen. Aus diesen Anfängen heraus scheint ihn den ersten Schritt die Malerei Picassos gewiesen zu haben, deren Entfaltung im Raum, deren Ablösung von allen Bezügen außerhalb der Sphäre des Gestaltungsorganismus, ihn ermutigt haben dürfte, Plastik zu formen unabhängig von dem äußeren Aspekt. Er hat damit begonnen, in diesem Sinne eine Anzahl kleiner Harlekinfiguren zu modellieren, die ein wenig Genre Picasso sind. Das war für ihn eine Durchgangs=Etappe zu Werken wie dem bemalten Steinrelief, das wir auf der Beilage des Dezember= heftes Wiedergaben, oder zu jener ganz struktiv gewordenen Masse, die die Skulptur Tafel S. 58 geworden ist. Bei ihm im Atelier zwischen den eigenen Arbeiten entdeckten wir eine kleine mexikanische Tonplastik, ein Ding von vielleicht 6 cm. Höhe, wie man es in Paris bei den Trödlern, bei denen sich die Raritäten der ganzen Welt ansammeln, als Kuriosität erstehen kann. Es war ein kleiner Tempel, pyramidenförmig aufgebaut mit einer steil aufstrebenden Vortreppe: Lipschitz meinte, das sei Plastik, die Plastik, aufgemauert wie ein Haus; so zu konstruieren, so Masse zu entfalten, sei das Ziel; man müsse einen Kopf oder eine Gestalt so auf= zubauen verstehen, daß sie als Architektur dastehe, als in sich geschlossene Raum und Massenentfaltung. Eine Skulptur wie die auf Tafel S. 58 ist so gebaut. Als Reliefansicht ist sie nicht mehr zu erfassen, die Oberfläche an sich besagt nichts; sie ist wie ein Körper, wie der Baukörper, konzipiert nicht von der Fassade aus, sondern von der Masse, von dem Verhältnis der Massen zueinander, ihrer Bewegung, ihrer Durchdringung. Sphärische,