S. Friedländer:Schöpferische Indifferenz


München 1918 — Georg Müller
Zwei Wege sind essayistischem Schrifttum zugelassen: unverpflichtende Philosophie (Beispiel: die Schriften Georg Simmels) oder vorge
zeichneter Weg (Beispiel: „Hillers Weisheit der Langenweile“). Des Salomo Friedländer „Schöpfe
rische Indifferenz“ verzichtet auf beide, mehr oder weniger raffinierte Bequemlichkeiten. Dieser — merken Sie auf! — Metaphysiker, der auf Nietzsche’s Endergebnis fußt, bestimmt den Prozeß, den der Mensch vor jeder Entscheidung in sich erlebt haben muß: die Vorbedingung aller Rich
tung. Es wird kein innerer Mechanismus erklärt, der sich dann bequem imitieren ließe, oder ein Programm, das Punkt für Punkt in Endlich — oder Unendlich zu verwirklichen ist. Die schöpferische Indifferenz ist das Geheimnis des voll
kommenen Menschen, wie ihn Dostojewski im „Idiot“ (Fürst Myschkin) oder in den „Brüdern Karamasoff“ (Staretz Sossima, Aljoscha) zeichnet: in Abhandlungen formuliert, in Anwendungen verdeutlicht, in Aphorismen meditiert. Ein Ruf, der den Hörer stärker verpflichtet, ist seit Nietzsche’s „Wille zur Macht“ nicht ergangen.
Keiner weiß, was das Ergebnis dieser Monate sein wird. Es sind Seifenblasen, wenn es nicht direkt oder indirekt zur Befreiung führt, die dieses Werk von jeder Seele fordert. (Eine gewisse Abhängigkeit von der Philosophie des grotesken Anonym Mynona wird von den Wenigsten erfaßt werden, doch ist sie nicht bestreitbar.)
Felix Stie mer,
Das Lebenswerk des Philosophen Friedlaender, „Schöpferische Indifferenz“ wird an dieser Stelle noch eingehend dargestellt und besprochen werden.
Die Schriftleitung.


Heinar Schilling : Die Sklaven


Heft 11/13 der Sammlung „Das Neueste Gedicht“
„Vergaßen die Dichter den
Menschen jenseit der Zeit?“ —
Die Handlung steht im Hintergrund. Auch der Reigen der fünf Wesenheiten, die als Galeeren
sklaven personifiziert sind, ist nur Geste und
Ausdrucksmittel. Die Idee steht über der Fabel. Alles Geschehen ist kosmisch bedingt und findet in jeder Welt seine besondere Inkarnation. Der Dichter selbst steht jenseits jener Welt und Zeit, kraft der Idee.__So bildet sich um ihn krvsfallhaft
Ketten zerteilt, — der Wärter. — Dann ereignet sich einmal etwas draußen in der Oberwelt, auf Deck der Galeere: Kämpfe, Schlachten. Aber hier unten sind die Ruderer, die Sklaven, hier im Unterbewußtsein (des Einzelnen, wie in dem der Menschheit) sind die Mächte, die das Leben tragen und bewegen, für die „Lauten, denen jeder Tag“
gehört und die in Wahrheit ebensowenig frei sind. Aus dem Unterbewußtsein empor steigen die Schreie der Seele, ins Unterbewußtsein hinab steigt der Wärter, der Vernunftmensch aus der zeitlichen Oberwelt, um die gefesselten Wesen
heiten zu bewachen. Aber der Knabe, die junge kraftvolle Wesenheit eines neuen Lebens über
tölpelt ihn und befreit sich aus dem Mensch- Galeerenkörper. Und hier stehen die Worte gegen
jenen Sozialismus der Unreifen, Unklaren, die eine Nivellierung allen Geistigen wollen, weil sie nicht die ekstasische Kraft des Genius kennen, der sich von allen „Nächsten“ losringen muß, um frei zu sein, die Worte des wissenden Menschen:
„Was wissen wir
von dir, du Fremder, wenn Genosse auch
von soviel Qualen? Du bist Welt für dich — wir sind in uns — für uns!“
So ist das Wirken aller inneren Wesenheiten im Unterbewußtsein (des Einzelnen, wie in dem der gesamten Menschheit) „endlos geduldig“ aus gemeinsamen Schicksal, doch jede eine andere Wesenheit, ein anderes „Ich bin Ich“.
Dietrich.


Dichter en gros


Dem Verlag ging eine Postkarte folgenden Inhalts zu: Illingen Bez. Trier 3/6. 1918 [Emil Besser] „Anfrage zwar nicht erforderlich, erfolgt aber, weil nicht bekannt, welche Art evtl, genehm. Vorhanden: A) Aktuelles, bezw. Kriegssachen, nämlich Tausende von Wißen, wie in meinen Büchern: „Im Schüßengraben“ (Verlag Brüder Matka, BerlinN. 28) oder „Fünfhundert Kriegswiße“ (Verlag Meteor, Dresden, worin gleichzeitig noch zwei also drei Bücher auf einmal erschienen, nämlich noch je 500 Schüßengraben- und Fliegerwiße, von welch letzteren auch 1914 1 Band bei Püttmann, Stuttgart), B) Erzählungen, je etwa 100 Druckzeilen, C) Gedichte, von denen neuerdings eine Anzahl genommen, D) Rätsel, von denen ein Band in größerer Auflage in Oesterreich in Druckvorbereitung,
E) Humoresken, F) Bilderbücher, G) Epen z. B. „Krieg 1870/71“, 18000 Hexameter, „Spichern“, „Zorndorf“, „Großbeeren“, „Andreas Hofer“,, je 500 bis 3000, „Alsen“ über 4000 Strophen, H) Märchen, 25 Stück, etwa 60000 so recht in die Zeit passend, weil Rettung aus Kriegs-, Flüchtlings-, Nahrungsnot. Neuerdings 1 Epos: „Weltbrand“, wovon 40000 Hexameter fertig. Und sonst, div.
dichte, besonders humor. und satir. Aphorismen, Rätsel, sehr viel Humoristika und anderes mehr. Die Kriegs
märchen kamen kurz vor Abschluß zurück wegen plößlichen Ausrückens, die Humoresken wegen Stillegung usw.
(Etwas ganz Besonderes...............ganz besonderes
eigenartiges Gepräge . . . ganz neuartiges Unternehmen.) Hochachtungsvoll Emil Besser, Schriftsteller.“
Nach Ablehnung erhielt der Verlag folgendes Angebot: Illingen Bez. Trier, 16. November 1918. „Bezugnehmend auf die gefl. Mitteilung vom 8. Juni d. J. frage ich ergebenst an, ob Sie nunmehr vielleicht in der Lage sind, etwas von meinen ausnehmend gut kritisierten Arbeiten herauszu
bringen? Daß und wie dieselben geschäht sind, ersehen
Sie daraus, daß auf einmal drei Bücher in einem Verlag aus meiner Feder erschienen sind, nämlich je 500 Kriegs - Schüßengraben- und Fliegerwitje im Verlag „METEOR“ dort.
Gleichzeitig die ergebene Anfrage, ob Sie nicht dort oder im eigenen Betriebe eine Stellung für mich wissen ? Als Redakteur vorgemerkt (z. B. beim Allgemeinen Schriftsteller - Verein) [Hört! Hört! Die Schriftleitung.] bin ich bereits Korrektor, Berichterstatter und Propaganda
chef gewesen, kenne also den Betrieb. Wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir voranhelfen könnten und wollten. Es ist mir nämlich ein unerträglicher Gedanke, hier in dem bald von den Feinden zu besehenden Gebiet zu bleiben. Lesen Sie meine Kriegswiße und Sie werden erkennen, daß es im Interesse meiner Angehörigen viel
leicht besser ist, wenn ich mich der Entfernung pr ei s gebe. Bejahendenfalls nähere Angaben.
Erste Strophe eines von mir s. Zt. von veröffentl.. Gedichtes:
„Wie liegt er jeßt so friedlich im Sonnenscheine da. Der Rotenberg bei Spichern, der einst das Ringen sah,
Den Kampf um Deutschlands Ehre, den welscher Uebermut So frech heraufbeschworen in zügelloser Wut ---- “ (Sic!! !) Emil Besser,
Schriftsteller (Steuersekretär a. DJ


Mitteilung.


Am 5. November 1918 fand in München der vierte Autorenabend des Felix Stiemer Verlag im Saal der Buchhandlung Steinicke statt. Heinrich Franz Bachmair las Gedichte von Josef Amberger und eigene Dichtungen. Felix Stiemer las Gedichte von V. C. Habicht und Walter Rheiner, Prosa von Felixmüller („Zur Kunst“, „Exalta
tionen meiner Seele“), Walter Rheiner („Der Tod des Schwärmers Gautier Fémin“) und Eigenes („Durchbruch“,
„Die Einung“). Der kleine Hörerkreis war ergriffen und forderte regelmäßige Wiederholung solcher Abende.


MENSCHEN.


Nummer 1—5 sind vergriffen. Der Preis für den vollständigen Jahrgang 1918 beträgt Mk. 10,—, Einzelnummern 6—10 je Mk. 1,—.
Die Zeitschrift erscheint 1919 halbmonatlich. Preis halbjährlich [12 Nummern] Mk. 5.—.
Adresse der Schriftleitung „Menschen“: Dresden-A.,
Trompeterstr. 41, (Telefon 20213, nachm. 6—7 Sprech


KRITIK