Die Form wird als kleinbürgerlich bezeichnet. Das Außen ist ganz gewiß so. Innerlich aber ist’s anders, Herr!
So gäbe es doch kein Verlassen mehr, weil keine Herrschaft. Die Selbsthilfe tägliche Forderung.
Schmarotzertum wäre tod. Kein Verstecken mehr. Messen, Ueberflügeln wäre da. Freudigkeit zur Arbeit. Gemeinschaft.
Wer gibt Antwort darauf, ob sozialistische Weltform nicht abgestumpfte Mechanisten hervorbrächte, Trägheit. Der Volksstaat machts schon! Träge Ausrede!
Damit die Ungerechtigkeit getilgt sei, muß erst die Gerechtigkeit verbannt werden. Denn diese ist trügende Fratze, die die Seele verlockt mit ihrer Billigkeit und eitlen Universalität. Sie sagt: „Wo ich herrsche, da ist gut sein; ich täusche niemand, denn ich bin immer gleich, ich bin eben die Gerechtigkeit.“ Und die Toren sehen nicht, daß gerade das ihre Täuschung, ihre Grausamkeit und ihre Gewalttat ist.
Die Gerechtigkeit schlichtet alles, sie nimmt hier fort und setzt dort an, duldet nicht, daß im Osten heller sei, denn im Westen, daß der Berg schöner sei, als das Tal und daß der Strauch mehr Blüten habe, als ihm gebühre; und was ihm eben gebührt, daß bestimmt gewißlidr sie. Sonst wäre es ungerecht und dem Weltganzen ein Ärgernis.
Ihr aber glaubt und bewundert ihre kühle, strenge Scheidung und baut ihr zum Danke einen Thron, von wo sie weithin sichtbar und jedem zugleich erreichbar, herrsche, verteile, strafe, belohne. Und ihr naht, um die Eindringlichkeit ihrer Befehle zu vernehmen.
Die Gerechtigkeit ist ein großes Maß, das Einzelne zu prüfen, und wo sie etwas findet, was sich nicht restlos messen läßt in ihres Quadrates steinerner Form, dort setzt sie ihren Meißel an, und was zu viel war, oder an Unrechter Stelle, das fällt, fällt unwiderruflich in den Abgrund der Vergangenheit, ist erledigt, gerichtet und verworfen.
Gerechtigkeit duldet keine Minderwertigkeit, sie verlangt Niveau, und sie duldet keine Uberwertigkeit, denn was über dem Niveau steht, ist un
erkennbar für ihren Blick. Sie sieht nur das Plus und verwirft es, ob es ein negatives oder positives Plus ist, gilt ihr gleich.
Sie sagt wohl: „Jedem das Seine“. Aber das „Seine“ ist gemessen an einem Mittelmaß der Allgemeinheit (und ist also garnicht das “Seine“), ist genommen aus dem Topf für jedermann, nach jedermanns Weise rationiert. Die Gerechtigkeit vergißt, daß jeder unwiderruflich einzigeinmalig ist in all
seiner Erscheinungen Flucht, daß er selbst sein Maß ist, mit allem was er war, was er ist und sein kann.
Die Gerechtigkeit will, daß das Unrecht bestraft werde. Sie sieht nicht die Gesten der Dämonie, nicht die Tragik verzweifelter Wünsche, nicht das Wähnen, das von Sternen stürzt und im verhängnisschweren Sturze Be
stehendes zertrümmert. Die Gerechtigkeit sieht nur, daß Grenzen überschritten sind, die sie gezogen in uralt-geheiligter Tradition.
Der Gerechtigkeit genügt’s, daß diese Grenzen gewahrt werden, und wenn der, der sie wahrt, tausend Teufel im Leibe hätte und Vernichtung und Niedergang sänne. Ihr ist’s genüge, daß er den Schritt nicht tue, ob
ihn blasse Angst fesselt oder geistgeborene Erkenntnis, was tut’s ihr — der Gerechtigkeit.
Sagen wir das Lob dessen, der die Gerechtigkeit bei Seite legt wie Karte und Zirkel, die der nicht braucht, der das Land mit der Wachheit seiner sehenden Augen durchmißt.
Er weiß: Es ist nicht wahr, daß alle Menschen die gleiche Verantwortlichkeit tragen. Es ist etwas anderes, wenn ein Dichter einem Menschen die Flammen seiner Seele entgegenschlägt, daß er zu Tode getroffen wird, etwas anderes, wenn aus Kellern finsterer Gassen der Zuhälter steigt das blinkende Messer in Händen, etwas anderes, wenn ein preußischer Jurist vom Tribunal herab jemand mit den Spitzen seines Schnurrbarts ersticht.
Das erste kann Dämonie sein und an die Saiten der Weltseele rühren, daß Melodien erwachsen, die alles Dein erschüttern. Das zweite kann des wilden Tieres übererbte, reißend wilde Wut sein, die Staunen und stummes Wundern weckt, das dritte aber ist des Gerechten kalte Scheusalstat.
Das erste entschuldigt Äther und Stern, ein süßer Vers aus verzücktem Mund, das zweite entschuldigt Ungezähmtheit wilder Tiereswut, ferne ver
ankert mit den Instinkten des Urwaldes, das dritte aber ist die selbstgerechte Pose des berufsmäßigen Mörders.
Und weiter ist die Gerechtigkeit, das Starre, das Steinerne, das Gesicht
So gäbe es doch kein Verlassen mehr, weil keine Herrschaft. Die Selbsthilfe tägliche Forderung.
Schmarotzertum wäre tod. Kein Verstecken mehr. Messen, Ueberflügeln wäre da. Freudigkeit zur Arbeit. Gemeinschaft.
Wer gibt Antwort darauf, ob sozialistische Weltform nicht abgestumpfte Mechanisten hervorbrächte, Trägheit. Der Volksstaat machts schon! Träge Ausrede!
ROBERT SCHMIDT
Gerechtigkeit
Damit die Ungerechtigkeit getilgt sei, muß erst die Gerechtigkeit verbannt werden. Denn diese ist trügende Fratze, die die Seele verlockt mit ihrer Billigkeit und eitlen Universalität. Sie sagt: „Wo ich herrsche, da ist gut sein; ich täusche niemand, denn ich bin immer gleich, ich bin eben die Gerechtigkeit.“ Und die Toren sehen nicht, daß gerade das ihre Täuschung, ihre Grausamkeit und ihre Gewalttat ist.
Die Gerechtigkeit schlichtet alles, sie nimmt hier fort und setzt dort an, duldet nicht, daß im Osten heller sei, denn im Westen, daß der Berg schöner sei, als das Tal und daß der Strauch mehr Blüten habe, als ihm gebühre; und was ihm eben gebührt, daß bestimmt gewißlidr sie. Sonst wäre es ungerecht und dem Weltganzen ein Ärgernis.
Ihr aber glaubt und bewundert ihre kühle, strenge Scheidung und baut ihr zum Danke einen Thron, von wo sie weithin sichtbar und jedem zugleich erreichbar, herrsche, verteile, strafe, belohne. Und ihr naht, um die Eindringlichkeit ihrer Befehle zu vernehmen.
Die Gerechtigkeit ist ein großes Maß, das Einzelne zu prüfen, und wo sie etwas findet, was sich nicht restlos messen läßt in ihres Quadrates steinerner Form, dort setzt sie ihren Meißel an, und was zu viel war, oder an Unrechter Stelle, das fällt, fällt unwiderruflich in den Abgrund der Vergangenheit, ist erledigt, gerichtet und verworfen.
Gerechtigkeit duldet keine Minderwertigkeit, sie verlangt Niveau, und sie duldet keine Uberwertigkeit, denn was über dem Niveau steht, ist un
erkennbar für ihren Blick. Sie sieht nur das Plus und verwirft es, ob es ein negatives oder positives Plus ist, gilt ihr gleich.
Sie sagt wohl: „Jedem das Seine“. Aber das „Seine“ ist gemessen an einem Mittelmaß der Allgemeinheit (und ist also garnicht das “Seine“), ist genommen aus dem Topf für jedermann, nach jedermanns Weise rationiert. Die Gerechtigkeit vergißt, daß jeder unwiderruflich einzigeinmalig ist in all
seiner Erscheinungen Flucht, daß er selbst sein Maß ist, mit allem was er war, was er ist und sein kann.
Die Gerechtigkeit will, daß das Unrecht bestraft werde. Sie sieht nicht die Gesten der Dämonie, nicht die Tragik verzweifelter Wünsche, nicht das Wähnen, das von Sternen stürzt und im verhängnisschweren Sturze Be
stehendes zertrümmert. Die Gerechtigkeit sieht nur, daß Grenzen überschritten sind, die sie gezogen in uralt-geheiligter Tradition.
Der Gerechtigkeit genügt’s, daß diese Grenzen gewahrt werden, und wenn der, der sie wahrt, tausend Teufel im Leibe hätte und Vernichtung und Niedergang sänne. Ihr ist’s genüge, daß er den Schritt nicht tue, ob
ihn blasse Angst fesselt oder geistgeborene Erkenntnis, was tut’s ihr — der Gerechtigkeit.
Sagen wir das Lob dessen, der die Gerechtigkeit bei Seite legt wie Karte und Zirkel, die der nicht braucht, der das Land mit der Wachheit seiner sehenden Augen durchmißt.
Er weiß: Es ist nicht wahr, daß alle Menschen die gleiche Verantwortlichkeit tragen. Es ist etwas anderes, wenn ein Dichter einem Menschen die Flammen seiner Seele entgegenschlägt, daß er zu Tode getroffen wird, etwas anderes, wenn aus Kellern finsterer Gassen der Zuhälter steigt das blinkende Messer in Händen, etwas anderes, wenn ein preußischer Jurist vom Tribunal herab jemand mit den Spitzen seines Schnurrbarts ersticht.
Das erste kann Dämonie sein und an die Saiten der Weltseele rühren, daß Melodien erwachsen, die alles Dein erschüttern. Das zweite kann des wilden Tieres übererbte, reißend wilde Wut sein, die Staunen und stummes Wundern weckt, das dritte aber ist des Gerechten kalte Scheusalstat.
Das erste entschuldigt Äther und Stern, ein süßer Vers aus verzücktem Mund, das zweite entschuldigt Ungezähmtheit wilder Tiereswut, ferne ver
ankert mit den Instinkten des Urwaldes, das dritte aber ist die selbstgerechte Pose des berufsmäßigen Mörders.
Und weiter ist die Gerechtigkeit, das Starre, das Steinerne, das Gesicht