RICHARD BLUNCK: Fr. Peter Drömmer
Fetisdiisten der Entwickelung werden mit diesem Maler nichts anfangen können: sie sehen keine gerade Linie, kein eindeutiges Weitermalen, keine Über* gänge, nur Sprünge und immer neuen Beginn.
Fetisdiisten der Form werden ebenso wenig mit ihm anfangen können. Da ist das Liebknechtporträt. Dornenkranzglorie und in Mutterhänden Christi Haupt wird Fanatiker des „Bildes“ peinlich erregen — als außermalerische Symbolisiererei, als Literatur denunziert werden. Dir aber, Peter Drömmer, war es in diesem manifestantischen Porträt verflucht wenig um „das Bild zu tun, Du wolltest anrufen, aufrufen, schmerzliches Erkennen hinausschreien. Aus tötlichem Getümmel der Untermenschen redet sich, ballt sich Faust der Menschen und Stimme: Nieder der Krieg! . . Du aber wußtest: Sie werden ihn töten.
In seinen Augen haust schon sein Tod. Keiner von denen, die er rief, wird ihn von ihm nehmen. Er ist allein. Seine Stimme, ausgehend An Alle, wird verröcheln am Kreuze wie die des nazarenischen Menschen. Und alles wird stumm sein. Du aber mußtest hinausrufen, mußtest seine Tat weitertragen: Allen sichtbar, Allen deutbar, Alle bestürzend mit ewigem Gleichnis. Was be= deutete Bild, was Malen, was Geschlossenheit, wo es Dir um den Menschen und die Tat ging? Du überließest Bild, Geschlossenheit, diese fliehende Beruhigung, jenen, die heroisch genug, unmenschlich genug waren, sich abzuschließen.
Es kommt diesem Maler nicht auf das Bild an: das umhegte Werk — er ist frei vom Egoismus des Werkes, der einer versunkenen Zeit Kunst weit dem Menschen entfremdete — sondern auf die Mitteilung, Pathos zu entzünden, brennend vom Ich zum Du, von uns zum Ewigen.
Mit Notwendigkeit sprengen seine Revolutionsbilder das Bild, greifen über nach der Wand, der großen Freskofläche, den Räumen einer kommenden Ge* meinschaft, einer Architektur, die den Raum wieder religiös zu begreifen, zu binden vermag. In den ichsüchtigen bebilderten Isolierzellen, in denen wir „leben“, muß in Tafeln quälendes Fragment und Wenige nur beschwingende Ahnung bleiben, was lebendig Wesen und menschlicher Gemeinschaft Ausdrude ist.
Die sich einbezogen wissen in Kausalität und Rhythmus des ewigen Kosmos stehen wie fremde Phantome in entwesentlichter Wirklichkeit. Die am stärksten Gemeinschaft bewahren sind am meisten allein. „Der Mensch“ im chaotischen Sturz des Ringsum*Seienden, Gewesenen, agiert allein auf einsamer Bühne.
Das Gewesene, das Verweste, stürzt — dies allein ist Trost und Sicherheit —, selbst, wo es in Waffen starrend steht, blüht Chaos. Nichts Festes ist mehr als der Mensch, der nackt und einsam zu Gott ruft.
Chaos zuckt. Chaos versinkt. Du siehst den „Rufenden , schon zwei am und zueinander findenden, Himmel sich öffnen: Gottes Augen Geleucht in heiligendem Raum.
1913: raumselige Gestalten schließen sich in blauer Frommheit und Ver* sunkenheit — innigst gefügte Komposition — um „Göttliche Mutter und Kind. 1919, nach der Leere von fünf Mordjahren, nach dem Ausbruch des Chaos und seiner fragmentarischen Bewältigung, die noch nicht zu Ende ist, nach Tumult der Farben und Überschwang sprengender Ideen, findet der Maler hier sich wieder. Aus Besinnung und Versenkung werden Bilder wie die „Nonnen“, wird das (einstweilen abgebrochene) Suchen der „gelben In* karnation“ wird das inbrünstige nächtige Geleucht des „visionären Waldes : versunkene, kristallische, paradiesische Rhythmik, beseelt und beglückend wie die Tierbilder des Franz Marc.
Aber Peter Drömmer mißtraut den schnellen Paradiesen, er spezialisierte sich nicht auf die Verkündigung des Glücks. Stufen sind dies alles, Stationen, und wir wollen nicht verdämmern in unsem Besinnungen: der unbekümmerten ichseligen Unbewußtheit des Lyrischen sind wir abhold. Der neue Mensch wird nicht verwirklicht in den Niederlassungen geträumter Paradiese. Wer nicht immer wieder dem Chaos sich stellt, wird Gott nicht sehen.
Peter Drömmers Bilder sind immer neue Aufbrüche. Zwischen heute und morgen steht immer das Chaos. Keine Reife verführt ihn zur Ruhe.
Seine stärksten Bilder sind seine Porträts: die Reihe zeigt rapiden Anstieg seelischer Erkenntnis, geistiger Erlebniswerte und malerischer Kraft: Geistiges aus der Gebundenheit naturaler Körperlichkeit in neue adäquate Sinnlichkeit über* zuführen, ohne abstrahierende Gewalttätigkeit und ohne die fixe Behendigkeit einer einmal als probat erwiesenen Manier. Diese Porträts entreißen, hell* seherisch und geistmächtig, ihrem Original sein Unendliches und stellen es hin vor ihn wie eine Forderung Gottes. Ein Bürger, der von ihm porträtiert war, erkannte sich plötzlich, sah, daß er eine lächerliche Kopie sei von dem Menschen, der in dem Bilde lebte. Erschrak und gab dem Maler sein Bild zurück.