Frank: Siehst du nidit, daß ich über meine Nacktheit einen Schlafrock trage? Elias: Ich trage über meine Nacktheit nur. .. Bedenken. Frank: Du bist ein Trappist. Äber noch Novize.
Elias: Leider ist mir der Mund immer verschlossen, wenn ich reden will. Frank: So rede doch.
Elias: Was liest du eigentlich da? Frank: Meine Bibel. Elias-. Das wäre?
Frank: Das Buch Salomo.
Elias: Und wer hat das geschrieben?
Frank: Selbstverständlich ich. Ich lese nur Bücher, die ich selbst geschrieben
habe. Da weiß ich, woran ich bin.
Elias: Du bist einer von den ganz Großen!
(Es klingelt.) Frank: Hat das nicht geklingelt? Hilf Satan, das ist mein Freund, der Bodenlos, der wollte mich ja heute besuchen. (Springt vom Sopha.) Kennst du ihn noch nicht? Elias: Ich weiß nicht.
Frank: Ich muß noch mal ins Schlafzimmer nebenan. Mich ein wenig umkleiden. So darf er mich nicht sehen. Da geht der Respekt flöten.
(Es klingelt.) Ja doch, mein Gott, daß diese Germanisten nicht warten können! — Er muß mich sehen, wie er mich sehen will. Du bist vielleicht so gut und empfängst ihn, ja? (Es klingelt.)
Geh raus, mache die Tür auf. (Frank nach links, kopfschüttelnd, eilig ins Schlafzimmer ab. Elias hinaus. Kommt mit einem großen Herrn, der ein kleines, grünes Hütchen und einen schreiend gelbroten Ulster und eine Äktenmappe unterm Arm trägt, zurück. Der Herr ist etwa dreißig Jahre alt.)
Bodenlos: So, Herr Cotta, unser allverehrter Meister schläft noch? Natürlich, verargen wir’s ihm nicht. Wahrscheinlich wieder bis in die Nacht herein angestrengt gearbeitet. Er sollte sich etwas schonen. (Bodenlos legt seine Sachen ab, tut, als wenn er zuhause wäre. (Setzt sich.) Äber bitte wollen Sie nicht Platz nehmen? Elias: Wenn Sie gestatten? Sie sind sehr gütig.
Bodenlos: Werter Herr, Sie kommen mir so bekannt vor. Elias: Sie mir auch, Herr?
Bodenlos: Bodenlos. Elias: Unversorgt.


Bodenlos (sinnend): Ja, das ist wahr.


Elias: Irre ich mich nicht, so sind Sie der berühmte Germanist und Literar
historiker an der hiesigen Universität?
Bodenlos: (Stehtauf, rennt umher, zuckt mit den Mundwinkeln.) Germanist? Nein! Sie denken an Philologie? Oh! Nein! Ich bin kein Philo
loge! Nie! Ich bin nur Philologe geworden, um die Philologie besser bekämpfen zu können. Von innen heraus. Elias: Als Parasit ?
Bodenlos: Wie meinen Sie? Ich hasse die Philologie. Ich bin Literatur
forscher, bin Äesthetiker. Elias (bescheiden): Was ist für ein Unterschied zwischen Philologe und
Äesthetiker ? Bodenlos: Oh! Nein! Sie denken an die normative Äesthetik. Nein! Ich verwerfe sie. Ich verwerfe sie. Unbedingt. Ich stehe durchaus auf
dem Boden einer gefühlsmäßigen subjektiven Äesthetik. (Bricht ab.) Äber das verstehen Sie vielleicht nicht. Sie sind noch zu jung da
zu. Uebrigens jetzt fällt mir ein: Sie waren voriges Semester mein Schüler, ich habe Sie doch gesehen, in meinen Uebungen zur literarischen Kritik.
Elias: Mit Vergnügen erinnere ich mich des genußreichen Kollegs, das Freitag abends von sechs bis acht im Hörsaal 101 von Ihnen gehalten wurde.
Bodenlos: Ja, das darf ich wohl sagen: Ich stehe einzig da in Deutschland mit diesen Uebungen. Ich habe hier in Tschermeisel eine Zentrale gesdiaffen zur Aufzucht einer neuen Kritikergeneration. Denn — das versteht sich wohl von selbst: Eine ausgedehnte, gediegene literarische Bildung kann nie und nimmer auf Journalisten
schulen gewonnen werden — einzig und allein auf der Universität — und natürlich nur hier in Tschermeisel.
Ä propos — was haben Sie denn hier bei unserm Meister vor? Elias: Ich wollte ihm ein paar Gedichte zur Prüfung vorlegen, ob er nicht geneigt wäre, ein Verlagsangebot bei Georg Meier zu befürworten Wenn man so gar keine literarischen Beziehungen hat . . .
Bodenlos: Junger Freund, Sie sind sehr zuversichtlich. Unser Meister ist
ein strenger Kritiker. Belästigen Sie ihn nicht mit Bagatellen, wie