Reiche Deutsche im Auslande — arme zu Hause! E


s waren Schweizer Zeitungen — also aus dem Lande, dessen Tradition von einem ge
wissen Wilhelm Teil bis zu einem gewissen Conradi geht — die zuerst darauf hingewiesen haben, welch unliebsames Aufsehen, ja geradezu Empörung bei gebefreudigen Schweizern das Verhalten der deut
schen „Raffkes“ in den Alpen hervorgerufen hat und immer noch weiter hervorruft. Zuerst wurde sogar behauptet, daß 70%
der Fremden, die sichs in den Schweizer Hotels wohl sein, sogar sehr wohl sein lassen — Deutsche seien;
Frühstück unter der Sonne von St. Moritz
Saal wird wegen Uberfüllung geschlossen“. . . Doch Berlin ist nicht Schweiz: Die Veranstaltung ist „sitt
lich“ berechtigt. Der Bericht fährt fort: . Ein wundervolles Fest, das dem wohltätigen Zweck — Unter
stützung notleidender Film
leute, die es leider in großer Anzahl gibt — reiche Mittel zuführen wird“.
. . . Die Weltgeschichte bewegt sich auch in der Sprache in Paradoxen. Die deutschen Minnesänger im Mittelalter nannten das Ausland — „Elend“. — Also zurück zu unseren Deutschen im „Elend“. Die
„Fräulein Mode auf der Eisbahn
„Schwerarbeiterinnen
darüber hinaus, auch in anderen Ländern, wo solche deutsche „Speckmadigkeit“ bekannt wird.
Allerdings sind das nur kleine Häuflein gewissenloser Volksgenossen im Ausland: die deutschen Noch-reichen im Inland haben großzügige Formen der „Wohltätigkeit“ gefunden.
So lesen wir im gutbürgerlichen Lokal-Anzeiger unter „Flimmerb a 11“: „Der Reigen der großen offiziellen Feste hat begonnen. Zu wohl
tätigem Zweck entbot der Klub der Filmindustriellen.


Frühlingsflutcn im Januar.


Schlichte Seidenkleider, Tüll, Seide, Taft. . . Das offiziöse und offizielle Berlin. . . . Man flüchtet sich auf zwei, drei Minuten von Mosel und Sekt zu Enzian und Urbock. . . Der


Zwei arbeitslose Familien in einer Dachkammer, die als einziges Mobiliar




ein Sofa aufweist


diese Ziffer soll allerdings nach neuesten offiziöse,! Meldungen etwas zu hoch gegriffen sein, aber gleich
viel: dieser deutsche hational-Skandal duftet käftitier als Schweizer Käse.
Und nicht nur das; dies deutsche „Wohlseia“ in der Schweiz schädigt und hemmt aufs äußerste die weitausgreifende Hilfelei
stung, die die Bevölke ung der Schweiz — die Herr
schende Klasse im wesentlichen für den dcRschcn Mittelstand, die A bcitersehaft für ihre d utschen Klassengenossen “ durch
führt. Natürlic nicht in der Schweiz alle1 sondern
Stinnes-Schiffsgesellschaft, — der kein Mensch „echt deutsches Empfinden“ ab
sprechen wircf — kündigt eine Mittclmeerreise auf S.S. „San Martin“ an, Dauer zirka 4 Wochen, Preis 80 Pfd. Sterling, gleich 1600.— Goldmark, alles inklusive. (Plätze seit De
zember. ausverkauft, — zu Ihrer Beruhigung!) Für die Reisekosten eines einzigen
Passagiers müssen, (bei den heutigen Reichs-Unter
stützungssätzen von 7,02 Mk.) genau 57 vierköpfige Familien „existieren“.


Moral: „Bleibe im Lande


und nähre dich redlich!“