DAS HILFSWERK DES PROLETARIATS


Russische Kinder sammeln für die Hungernden in Deutschland


U


nter den zahlreichen widerlichen Erscheinungen des kapitalistischen Lebens steht nicht an letzter Stelle der bürgerliche Wohltätigkeitsrummel.
Nicht, daß sieh bestreiten ließe, daß private Wohlfahrtsinstitutionen hier und dort eine mehr oder minder wertvolle materielle Hilfe zugunsten Notleidender geleistet hatten. Aber das Drum und Dran dieser „privaten Wohlfahrt“, ihre Ideologie, ihre Methoden und die korrumpierenden Wirkungen ihrer Arbeit haben
seit jeher in den Reihen der klassenbewußten Arbeiterschaft berechtigte Kritik und berechtigte Abwehr gefunden. Von den
Sozialisten wurde die „private Wohlfahrt“ denunziert als ein letzten Endes die Arbeiterklasse schädigender Zeitvertreib mehr oder minder wohlmeinender Herren und Damen der Bour
geoisie. Die private Wohlfahrt ist nicht imstande, die auf dem Schlachtfeld des sozialen Kampfes geschlagenen Wunden zu heilen — denn dazu genügen keine Liebesgaben, dazu ist notwendig die radikale Umänderung der gesamten sozialen Verhältnisse. Und nicht allein, daß die private Wohlfahrt unzulänglich ist im Kampfe gegen Elend und Not: mit jedem Bissen, den sie den Opfern des sozialen Kampfes gibt, nimmt sie ihnen das Gefühl, daß sie ein Recht, einen Anspruch haben auf die Fürsorge des Staates und der Gesellschaft.
Die Internationale Arbeiterhilfe hat mit solcher Wohltätigkeit nichts zu schaffen. Auch ihr Programm ist freilich, so weit wie irgend möglich, den notleidenden Volksschichten materielle Hilfe zu bringen. 7000 Personen werden täglich in den Berliner Speisestellen der I.A.H. kostenlos gespeist; damit habe die
I.A.H. die Leistungen aller anderen Hilfsorganisationen weit in den Schatten gestellt, konstatierte auf dem Kongreß der Internationalen Arbeiterhilfe der Vorsitzende des Wohlfahrtsamtes der Stadt Berlin.
Holländische Arbiter sandten 10000 Lebensmittelpakete: Verteilung urdi die I. A. H. in Berlin zu Neujahr
Aber die Internationale Arbeiterhilfe treibt keine „Wohltätigkeit“. Sie ist eine Organisation der Selbsthilfe des Proletariats, aufgebaut nicht auf dem Prinzip individueller Wohl
tätigkeit, sondern auf dem Prinzip der brüderlichen Solidarität der Arbeiter aller Länder.
Die I.A.H. hat die Arbeiter aller Länder zur Unterstützung der deutschen Arbeiter aufgerufen, die sieh heute in furchtbarer Not befinden. Und in allen Ländern fand ihr Appell Gehör. In Ruß
land und Argentinien, in Holland und in Spanien, in Frankreich,
in der Tschechoslowakei, in Österreich und in Belgien, übera.l werben die Komitees der Internationalen Arbeiterhilfe.
Unerwartet groß ist schon heute, wenige Monate nach Beginn der Aktion, der Erfolg dieser Propaganda. Unerhört ist besonders der Enthusiasmus, mit dem die russischen Bauern und Arbeiter die Sammlungen zugunsten ihrer deutschen Klassengenossen orga
nisieren. In jeder Stadt in Rußland beinahe demonstrierten große Scharen von Kindern auf den Straßen, um für die deutschen Kinder Gelder zu sammeln. Mit Zinsen und Zinscszinscn haben schon heute Rußlands Arbeiter und Bauern zurückgezahlt, was ihnen zur Zeit der russischen Hungersnot die deutschen Arbeiter gaben.
Die Mittel, die der I.A.H. aus den Sammlungen der ausländischen Arbeiterschaft zuflossen, ermöglichten die Durchführung einer großzügigen Speisungsaktion. Uber 13 000 Menschen werden heute durch die Internationale Arbeiterhilfe täglich gespeist. In vierzig deutschen Städten bildeten sich spontan Komitees der Internationalen Arbeiterhilfe, welche die Hilfsaktion am Orte organisieren. Und überall wird denen, die von der I.A.H. Hilfe er
halten, gesagt, daß sie keine „Wohltat“ empfangen, sondern brüderliche Hilfe, Hilfe unter der Voraussetzung, daß sie selbst bedrängten Klassengenossen helfen, wenn es nottut.
Delegation in Brest-Litowsk nstlerhilfe der I. A. H.