Was die Kunden nicht gerne sehen . . .
Kürzlich bemerkte ich, daß eine Kundin einige Kleinigkeiten gekauft hatte, und die Verkäuferin im Begriff war, diese einzupacken. Sie nahm eine kleine Tüte und ... blies hinein, so daß sie sich öffnete, worauf sie die Kleinigkeiten hineinlegte. Man halte mich nicht für einen Menschen, der eine übertriebene Furcht vor Bakterien oder Bazillen hat, aber etwas Derartiges gehört sich nicht. Erstens nicht, weil
ein ordentlicher Ver
käufer überhaupt keine Tüte aufbläst, dann aber auch darum nicht, weil es eben aus hygieni
schen Gründen nicht angebracht ist.
Es gibt eine Menge von Kundinnen oder Kunden, die, wenn sie
etwas Derartiges beobachten, auch gleichzeitig im Geiste eine Armee von Bazillen aufmarschieren sehen, und sich hüten werden, noch irgendeine Ware aus dem betreffenden Geschäft zu kaufen.
Sie wissen jetzt, daß die Waren mit dem Mundhauch des Verkäufers Zusammenkommen, und das ist ihnen nicht angenehm.
Manche Verkäuferinnen oder Verkäufer wundern sich oftmals, daß ihre Anstrengungen erfolglos sind und viele Kunden sich von ihnen nicht gerne bedienen lassen. Die Schuld wird dann meistens auf die bösen Kunden gescho
ben. Diese schlechte Angewohnheit ist manchen Verkäufern derart zur Gewohnheit geworden, daß sie es gar nicht mehr empfinden. Um so mehr sollten sie dann von ihren anderen
Kolleginnen und Kollegen darauf aufmerksam gemacht werden, damit sie diese Unsitte ablegen.
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Eine andere, nicht minder zu verwerfende Angewohnheit besteht darin, daß sich manche Verkäuferinnen oder Verkäufer während der Verkaufshandlung fortwährend mit der Hand durch das Haar fahren, nicht einmal, um es zu ordnen, sondern auch lediglich aus einer nervösen Angewohnheit. Auch das sollte man unterlassen.
Unästhetisch ist es ferner, vor dem Ausschreiben des Kassenzettels an der Spitze des Bleistiftes zu lecken, um ihn anzufeuchten. Wenn ein Bleistift nicht ordemlich
schreibt, das heißt zu hart ist, dann muß eben ein weicherer Grad genommen werden. Dieses Lecken an der Bleistiftspitze kann gefährlich werden und böse Krankheiten ver
ursachen, wenn es sich um einen Tintenstift handelt, und wenn sich an der Lippe oder im Mund des Verkäufers oder der Verkäuferin eine, wenn auch noch so kleine Wunde befindet. Es ist nicht erdichtet, wenn wir behaupten, daß das Eindringen des Tintenstiftfarbstoffes in eine Wunde unter Umständen sogar den Tod, zum mindesten aber lange
Krankheit hervorrufen kann. (Man muß sich daher auch vorsehen, daß beim Anspitzen von Tintenstiften der Staub des Tintenstiftes nicht in die Augen kommt.)
Schließlich sei bei dieser Gelegenheit noch auf etwas aufmerksam gemacht, was die Kunden nicht gern sehen, das ist das gegenseitige Zeichengeben des Verkaufspersonals. Zwar versucht das Personal, diese Zeichen so zu geben, daß sie die Kunden nicht bemerken, aber dieses gelingt in den wenigsten Fällen.
Da wird mit der Hand eine geheimnisvolle Bewegung gemacht, der Arm schwingt hin und her, da werden Blicke zugeworfen und was es sonst noch gibt, und wenn auch der Kunde diese Bewegungen oder Zeichen vielleicht nicht zu deuten vermag, so weiß er doch, daß sie ihm gelten, und er wird argwöhnisch. Er vermutet, daß sich das Personal
lustig über ihn macht, und empfindet diese Signalgeberei — und mit Recht — als taktlos. Darum soll man dieses unterlassen, auch dann, wenn der Kunde, der gerade be
dient wurde, nichts gekauft hat. Denn das ist klar, merkt
der Kunde, daß nun schon in dieser Weise — während er noch anwesend ist — Uber ihn „hergezogen“ wird, so wird er sich hüten, das nächste Mal wiederzukommen.
Heute, wo um jeden Kunden gekämpft werden muß, wo man den Kunden auf jede mögliche Art umschmeichelt, um ihn bei guter Laune zu erhalten, darf keineswegs durch den Verkäufer irgend etwas getan werden, was die gute
Laune oder Kaufstimmung heruntersetzen könnte. Dessen muß sich jeder Verkäufer bewußt sein.
Wenn in Besprechungen oder Zusammenkünften des Personals auf diese Unarten hingewiesen wird, wenn der eine den anderen jedesmal darauf aufmerksam macht — ohne daß der zurechtgewiesene Verkäufer seinen Kollegen dar
auf antwortet, „daß ihn dies nichts anginge“, sondern der eine dem anderen dankbar dafür ist, werden diese Unsitten bald ausgerottet sein. Je eher, desto besser!
Jeder Reisende oder Vertreter wird empfangen.
Im Gegensatz zu der leider vielfach eingerissenen Sitte — oder man kann besser sagen Unsitte — daß viele Kaufleute die Reisenden oder Vertreter erst lange warten las
sen, um ihnen dann zu sagen, daß kein Bedarf vorliegt, hat der Inhaber eines größeren Geschäftes Anweisung ge
geben, daß jeder Reisende oder Vertreter vorgelassen wird, um zu sagen, was er anzubieten hat.
Je nach Interesse wird die Kollektion durchgeschen oder nicht. Diese Einrichtung wirkt sich nur günstig aus, insofern nämlich, als der Kaufmann dadurch von vielen Neu
erscheinungen hört und erfährt, von denen er sonst gar nichts erfahren hätte.
Aber auch der Kontakt zwischen dem Inhaber des Geschäftes und den Reisenden wird viel enger, es ist gut möglich, daß diese Reisenden den Geschäftsinhaber auf vorteilhafte Kaufgelegenheiten, auf zu erwartende Ände
rungen auf dem Markte und dergleichen aufmerksam machen.
So kann es kommen, daß ein solches Geschäft seinen Kokurrcnten immer weit voraus ist, mit den Neuheiten zu
erst kommt, so daß das Geschäft in der Stadt schon den Namen hat, eben stets das Neueste und Aktuellste zu haben.
Wenn vielleicht mancher Leser bei der Durchsicht dieser Zeilen denken wird, daß man doch nicht jedem Reisenden etwas abkaufen könne, so sei gleich darauf entgegnet, daß der Inhaber des Geschäftes auch keinesfalls immer an jeden Reisenden oder Vertreter Aufträge vergeben soll. Darauf werden die Reisenden auch sofort hingewiesen, näm
lich, daß man sich die Kollektion gern durchsieht, jedoch vollkommen unverbindlich.
Und damit sind sie gern einverstanden, denn wenn es das erstemal nicht zu einem Auftrag kommt, dann das zweite- oder drittcmal. Einmal klappt es doch, und so haben beide ihren Vorteil davon.
Wer zu viel einkauft, verliert Geld, wer zu wenig kauft, eben
falls. Dazwischen liegt die Kunst des Kaufmannes,