Es hieße das Wesen des Humors gründlich verkennen, wenn man allen Kaufleuten raten wollte, bei der Kundenbedienung möglichst viele humoristische Wirkungen anzubringen, weil dies erfahrungsgemäß den geschäftlichen Er
folg wesentlich fördert. Humor muß angeboren sein, und wem ihn die Natur nicht in die Wiege gelegt hat, der kann sich ihn nicht künstlich aneignen, mag er sich noch so sehr anstrengen. Er wird es höchstens zum Witzbold bringen, der aber weit weniger beliebt ist. In der letzten Zeit wurde sogar eine Gerichtsentscheidung lebhaft besprochen, durch welche die fristlose Entlassung eines An
gestellten als gerechtfertigt bezeichnet wurde, weil der Angestellte trotz mehrfacher Beschwerden der Kunden und Verwarnungen seines Chefs die Gewohnheit, den Käufern unermüdlich Witze zu erzählen, nicht ablegte.
Also: Witz und Humor sind nicht dasselbe. Glücklicherweise ist aber der echte Humor durchaus nicht so selten, wie man glauben könnte. Aber sehr viele Menschen, die nach Geschäftsschluß in anregender Geselligkeit ebensoviel Empfänglichkeit wie produktives Talent für erhei
ternde Wirkungen besitzen, glauben, diese Fähigkeiten im Berufsleben unterdrücken oder ausschalten zu müssen. Sie haben sich an die Meinung gewöhnt, ihr Ansehen bei der Kundschaft oder ihre Autorität den Angestellten gegenüber könnte darunter leiden, wenn sie während der Ar
beitsstunden nicht einen unerschütterlichen strengen Ernst an den Tag legen.
Diese Ansicht ist grundfalsch. Ansehen und Autorität werden hauptsächlich durch Eigenschaften des Geistes und des Charakters gestützt, durch reiches Wissen und Können, vorbildlichen Fleiß, strenge Gewissenhaftigkeit und Gerech
tigkeit. Wo diese Vorzüge beisammen sind, werden sich Respekt und Sympathien nur noch erhöhen, wenn außerdem noch eine humorvolle Überlegenheit über die klein
lichen Zufälle und Widerwärtigkeiten des Geschäftslebens hinzukommt. Wie gesagt, erlernen läßt sich dieser echte, im Herzen und im Charakter sitzende Humor nicht, aber wer ihn durch leichte Erregbarkeit, durch nervöses Hervorsuchen und Verweilen bei vorkommenden Unannehm
lichkeiten usw. in sich unterdrückt hat, der kann durch eigene Selbsterziehung seinem Humor die Oberherrschaft zurückgewinnen und die Erfahrung machen, daß nicht nur er selbst sich dabei wohler fühlt, sondern auch sein geschäftlicher Erfolg sich hebt.
Denn Humor ist etwas Positives, ist Zeichen einer in uns wohnenden Kraft, die anziehend, bestechend auf alle wirkt, die mit uns zu tun haben. Er würzt und fördert die Verhandlungen mit den Kindern, nicht nur deshalb, weil Heiterkeit das Denken und Sprechen erleichtert und anregt, sondern auch weil der humorbegnadete Mensch in seinem Partner das Gefühl des erhöhten Vertrauens, der Sicherheit gegen unsolide Bedienung oder sonstige Übervorteilung hervorruft.
Oder wie stark wird die Anhänglichkeit der Kunden gefördert, wenn man die Erfahrung gemacht hat, daß der Händler allenfalls notwendige Reklamationen nicht mit er
regten Temperamentsausbrüchen, sondern mit gutem Humor zur Kenntnis nimmt. Er entledigt damit den sonst für
Das bloße Wissen Kopfschmerz macht: Was man vermag und was man kann, Das erst macht den gemachten Mann!
Viele suchen ihr Glück, wie sie ihren Hut
suchen, den sie auf dem Kopfe haben.
beide Teile peinlichen Zwischenfall aller unangenehmen Begleitumstände, erspart dem reklamierenden Kunden, wenn sich die Beschwerde als unberechtigt heraussteillt, je
des demütigende Gefühl und verdient sich damit seine dauernde Dankbarkeit. Der humorlose Kaufmann zeigt sich bei der kleinsten Beanstandung seiner Ware sofort gereizt, der Kunde glaubt sich von ihm als Querulant betrachtet, und beide verhandeln mit einer Erregtheit, die der sach
lichen Ergrtindung, ob die Reklamation berechtigt ist oder nicht, sehr hinderlich wird. Dem Kaufmann mit Humor wird es nie passieren, daß er einen Kunden durch gereizte Bemerkungen vor den Kopf stößt, ihn dadurch vertreibt, die Nachprüfung, ob ein Grund zur Reklamation vorlag, verabsäumt und sich in der Folge noch weitere Beanstandungen derselben Ware zuzieht.
Sein humorbegabter Konkurrent hat den Vorteil davon, weil er die vielleicht nur ausnahmsweise zu ihm übergehenden Kunden gleich für immer festhält.
Herr Neumann, Inhaber eines bekannten Geschäftes, hatte rechtzeitig einen neuen Artikel disponiert und darin ein großes Geschäft gemacht. Das ganze gelieferte Quan
tum war in verhältnismäßig kurzer Zeit verkauft worden. Schmunzelnd rieb sich Herr Neumann die Hände, als ihm
mitgeteilt wurde, daß der Vorrat sehr stark zur Neige ging, und schnellstens rief er den Lieferanten an und bestellte das gleiche Quantum wie zuerst.
Auch diese Ware kam herein. Aber — o Pech — auf einmal ließ die Nachfrage nach und es blieb eine Menge von den Waren übrig, die nach der Saison mit einem großen Verlust verkauft werden mußte, so daß der Nutzen des ersten Geschäftes vollständig wieder aufgezehrt wurde.
Einen großen Teil Schuld daran hatte unbedingt Herr Neumann selbst. Denn wenn ein Artikel „groß“ gegangen ist, so darf man nicht unbedingt das gleiche Quantum nach
bestellen, sondern sollte sich einmal überlegen, ob der eigene Kundenkreis überhaupt so groß ist, die gleiche Menge noch aufzunehmen. Und das ist meistens nicht der Fall, selbst wenn man noch berücksichtigt, daß manche neue Kunden hinzukommen.
Wenn man also neu disponiert, so sollte man nicht nur die eigenen Kunden im Geiste vorüberziehen lassen, son
dern sollte darüber nachdenken, ob und wieviel Kunden oder Kundinnen neu für diese Ware zu gewinnen sind. Also nicht nur von dem Verkaufserfolg allein, sondern auch
von dem Fingerspitzengefühl und der Überlegung leiten lassen.