EIN KAUFMANN




WIRD SEHEND!


Vorspiel. Aus einem Briefwechsel!


3. Bild.




1. Bild.


Ein bekannter Kaufmann aus der Provinzstadt und unser Mitarbeiter betreten ein Delikatessengeschäft.
„Guten Morgen! Ich möchte rasch etwas zum Gabel, frühstück essen. Was könnten Sie mir empfehlen?“
Die Frage kam dem Verkäufer etwas sonderbar vor. Er war sichtlich verlegen. Dann aber begann er aufzuzählen: Salami, Krakauer, Dürre Wurst, vielleicht eine Knackwurst oder — jetzt strahlte bereits sein Gesicht über die ge
fundene Idee — eine Wurstsemmel, „kostet nur zwanzig Groschen!“ Der Kaufmann sagte zu, erhielt seine billige Wurstsemmel und ging.
Draußen notierte der Kaufmann in sein Notizbuch: Laß dich nicht überraschen! Studiere das Gesicht deines Kun
den! Ich hätte am liebsten 10 dkg kalten Schweinebraten gekauft. Der Verkäufer hat mich nicht beobachtet, sonst hätte er mein Liebäugeln mit dem Schweinebraten sehen müssen!


2. Bild.


„Ich habe vor drei oder vier Jahren bei Ihnen einen Anzug gekauft. Hier habe ich noch einen kleinen Stoffrest.
Ich möchte heute einen Anzug aus dem gleichen Stoff. Er trug sich sehr gut.“ Der Verkäufer in dem bekannten Konfektionshaus erklärte sofort mit dem Brustton der Über
zeugung, fast beleidigt: „Den führen wir nicht mehr, das ist heute nicht mehr modern!“
„Bitte, rufen Sie den Abteilungsleiter!“ mischte ich mich ein. Wir erklärten ihm, was wir wollten. Er bat uns, einen Moment mn Geduld, führte uns zu einer Sitzgelegenheit und gab uns jedem das neueste Witzblatt in die Hand. Er müsse den Stoff prüfen. Er werde sofort nachsehen.
Nach drei Minuten war er wieder da. Der mitgebrachte Stoff wäre ausgezeichnet. Es handle sich da um hohe Qualität. Er zeuge von dem guten Geschmack, von großer Sach
kenntnis des Besitzers eines solchen Anzuges. Er habe zwar nicht den gleichen Stoff, lasse aber bereits einen sehr ähnlichen bringen, der qualitativ womöglich noch besser sei. Es handle sich bei dem neuen Stoff um längere Schafwollfasern, um weicheres Material, das aber gerade die Dauerhaftigkeit und Formbeständigkeit des Anzuges verbürge ...“
Wir konnten uns von diesem Klasseverkäufer nur schwer trennen. Der Kaufmann schrieb in sein Notizbuch: Bei diesem Verkäufer im Frühjahr einen Anzug bestellen!
In der Nähe lag ein Strickwarengeschäft. Wir traten ein. „Ich möchte für meine Frau ein Jerseykleid kaufen“, be
gann mein Kaufmann. „Wie schaut sie denn aus?“ war die reichlich naive Frage der jungen Verkäuferin. Ein vielsagender Blick aus den Augen des Kaufmanns sagte mir alles, der Verkäuferin gar nichts.
„Sie wiegt 78 kg, ist kleiner wie ich, aber etwas breiter“, log der Kaufmann. „Oh, da hätte ich einen wahren Ge
legenheitskauf. Dieses Kostüm müßte ihr herrlich stehen.“ Sie brachte ein Kleid (hellrosa), das in der vorigen Saison modern war, einen Backfisch entzückend kleiden müßte, aber für eine Frau in reifen Jahren eher als schlechter
Scherz aufgefaßt werden konnte. Wir grüßten und gingen rasch, zumal wir feststellten, daß der Chef weiter rückwärts einem Handelsvertreter immer wieder die „schlechten Zeiten“ vorwarf, uns aber keines Blickes würdigte.


4. Bild.


„Geben Sie mir ein Glas saure“ — „und mir ein Glas süße Milch!“ erklärten wir in dem blitzblanken Milch
geschäft der Verkäuferin. Schon wollten wir nach unseren Gläsern greifen, als sie uns einlud, doch etwas, zumindest ein Stückchen Brot, dazu zu essen. Das sei für die Ver
dauung förderlich. Freilich wäre gerade für Herren jetzt die beste Gelegenheit, die neue Käsesorte zu kosten. Schon hatten wir lachend ein Käsebrot bestellt. Sie sei tüchtig, meinte ich. Das wehrte sie dankend ab. Sie tue nur ihre
Pflicht, erwiderte sie und lud uns ein, Milch immer nur schluckweise zu trinken. Es munde so besser und sei leichter verdaulich. Da wir aber — wie sie sehe — ver
heiratet seien, sollten wir doch unseren Gattinnen das neue Käse-Kochbuch mitbringen.
Als wir wieder auf der Gasse standen, notierte sich unser Kaufmann eine ganze Menge in sein Notizbuch.
„Diese Verkäuferin sollte man der ,Milchpropaganda‘ zur Beförderung und Auszeichnung vorstellen“, bemerkte mein Kaufmann.


5. Bild.


In einem gutbürgerlichen Restaurant nahmen wir unser Mittagessen ein. „Warum wohl die Gemüseportion so riesig klein ist?“ fragte unser Kaufmann den Ober. Er lächelte sehr verlegen, wußte aber keine andere Antwort als: „Das ist schon so üblich!“ „Na, gut! Was anderes möchte ich von
Ihnen wissen. Ich suche eine gute Flasche Wein. Was raten Sie mir?“ Er brachte die Weinkarte mit vielen Namen
und recht netten Preisen, wußte aber über die Weine selbst fast nichts zu sagen. Der Kaufmann meinte, er werde ihm später Bescheid geben.
Als der Wirt uns begrüßte, verwickelte ihn unser Kaufmann in ein Gespräch. Er suche eine gute Flasche Wein. Jetzt war an uns die Reihe zu staunen. Er fragte für wen, für welche Gelegenheit der Wein bestimmt sei, ob der Herr jemandem eine große Freude machen wolle, er werde gleich eine Kostprobe bringen. Er brachte drei! Unser Kaufmann kaufte tatsächlich — den teuersten, so ein herr
licher Verkäufer wur der Wirt. — Die Aufzeichnungen im Notizbuch unseres Kaufmanns wuchsen gigantisch.


EIN TATSACHENBERICHT IN ACHT BILDERN


„ ... ferner teile ich mit, daß ich am 6. September in Wien eintreffe. Ich werde anläßlich des Messebesuches nicht ver
säumen, mit Ihnen den Werbeplan durchzubesprechen. Wir werden dann den Rundgang durch Stadtgeschäfte machen.“
„Es freut mich, daß Sie kommen. Bitte bringen Sie folgendes mit: 1. ein Stückchen Stoff (ein kleines Muster für einen Ilerrenanzug), einen kleinen Porsellanscherben einer zerbrochenen Teeschale oder eines Weinglases und ferner die genauen Maße für ein Strickkleid, das Sie Ihrer Frau kaufen sollen. Wir werden diese Dinge brauchen, wenn wir die Geschäfte und die Verkaufstüchtigkeit studieren wollen, um Anregungen für das eigene Geschäft zu erhalten.“